Sprache
Die Rethorik der Politik

Populismus, Medien und Propaganda - in der Politik werden Worte strategisch eingesetzt. Um politische Gegner zu diffamieren oder um Maßnahmen durch Begriffe einen positiven Anstrich zu geben. Welche Strategien gibt es?

    Mehrere Papiersprechblasen vor pastellbeigem Hintergrund. Teilweise überlappen sich die farbigen Papiersprechblasen.
    Polemische Rhetorik, Populismus und Framing: In der Politik werden Worte bewusst eingesetzt, um die Akzeptanz bei Wählerinnen und Wählern für bestimmte politische Interessen zu befördern. (Getty Images / MirageC)
    „Worte können Waffen sein“, mahnte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier 2023 beim Gedenken an die Opfer des Brandanschlags von Solingen, bei dem Rechtsextremisten ein Haus in Brand steckten und fünf Menschen ums Leben kamen. „Mit Worten kann man das Gewaltpotenzial einer Gesellschaft aktivieren, man kann das instrumentalisieren.“
    Gerade in der Politik werden Worte bewusst eingesetzt – Kommunikation ist Teil der Wahlkampfstrategien, an denen zahlreiche Agenturen und Kommunikationsexperten mitarbeiten. Wie funktioniert politische Kommunikation und wie lassen sich die Kniffe durchschauen?

    Inhalt

    Wodurch zeichnet sich strategische bzw. politische Kommunikation aus?

    Sprache ist ein politisches Kampfmedium, beispielsweise in der Form von Kriegspropaganda. In den 1970ern wurde der politische Kampf mit Worten professionalisiert. Die CDU führte eine Projektgruppe Semantik ein. Agenturen berieten Politikerinnen und Politiker und erarbeiteten kommunikative Strategiepläne.
    Diese strategische Kommunikation zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Akteure die Sprachfunktion reflektiert und zielorientiert nutzen, sagt Linguist Friedemann Vogel: „Es geht ihnen darum, vor allem die Akzeptanz bei ihren potenziellen Wählerinnen und Wählern für bestimmte politische Interessen zu befördern.“

    Strategien der politischen Kommunikation: Denkschablonen, Framing und Schlagworte

    In jeder Art der Kommunikation und Sprache werden Denkschablonen und Gebrauchsmuster genutzt. Sie sind im Alltag, durch Erziehung, in Peergroups, aber auch durch Medienkonsum erlernt. Darauf wird automatisch zurückgegriffen, um den sprachlichen Alltag zu bewältigen.
    Das können Schlagwörter sein, um ganze Sichtweisen oder Positionen in Kürze zusammenzufassen – beispielsweise politisch links oder politisch rechts. Das können typische Kommunikationsmuster sein, beispielsweise eine Begrüßung („Guten Morgen. Wie geht es dir?“ - „Danke, ganz gut. Und dir“) oder Rede und Gegenrede in einer Talkshow. Das könnten aber auch ganze Narrative sein, wie die von David und Goliath, Gut und Böse oder vom Tellerwäscher zum Millionär.
    In der politischen Kommunikation sind solche Denkschablonen besonders wichtig und effektiv. Es geht oft darum, Botschaften in möglichst wenige Worte zu fassen und auf die Sekunde genau vor der Kamera zu präsentieren.

    Problem: Ungeprüft übernommen

    Deswegen wird mit Schlagworten wie beispielsweise Entbürokratisierung, Energiewende oder Flüchtlingswelle gearbeitet. Diese beinhalten eine bestimmte Argumentation und Sichtweise auf ein Thema. Auch Narrative werden genutzt: beispielsweise das „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ von liberalen Politikern.
    Problematisch würden solche Denkschablonen, "wenn man sie grundsätzlich ungeprüft übernimmt, vor allem in der politischen Kommunikation oder auch in der medialen Kommunikation", sagt Linguist Friedemann Vogel. Denn sie verleiten dazu, den Sachverhalt nicht mehr genauer in den Blick zu nehmen und zu überprüfen.
    Beispielsweise beim Wort der vermeintlichen Flüchtlingswelle. Hier muss man sich zuerst fragen: Kommen wirklich viele Geflüchtete nach Deutschland?

    Strategien der politischen Kommunikation: Die Verwendung von Hochwertwörtern

    Um Verfahren oder Maßnahmen durchzusetzen, greifen Politikerinnen und Politiker gern zu sogenannten Hochwertwörtern. Das sind Begriffe, die bereits positive Assoziationen wecken, wie beispielsweise: Offenheit, Freiheit, Schutz, Sicherheit.
    Diese Begriffe werden mit anderen Worten verknüpft, sodass die positiven Eigenschaften auf die anderen Begriffe „abfärben“. So entstehen Wortschöpfungen wie Freiheitsenergien, technologieoffen, Zukunftsfonds oder Technologiefreiheit.

    Strategien der politischen Kommunikation: Die Verwendung von Kampfbegriffen

    Manche Wortneuschöpfungen wie Technologiefreiheit oder Freiheitsenergien können schnell zu „Kampfbegriffen“ werden. Wenn sie nicht nur auf politische Programme verweisen, sondern zusätzlich zur Identifikation dienen.
    Kampfbegriffe, so definiert der Sprachwissenschaftler Friedemann Vogel, „helfen, eine politische Gruppe zu identifizieren und wiederzuerkennen“. Kampfbegriffe können Slogans sein wie „Black Lives Matter“, aber auch Worte wie Klima- oder Umweltschutz.

    Strategien der politischen Kommunikation: Freund-Feind-Rhetorik und die Diffamierung des Gegners

    Als AfD-Politiker Jörg Meuthen 2016 vom "links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland“ und „leicht versifften 68er-Deutschland“ sprach, wurde der Begriff schnell zum Schlagwort. „Versifft“ – abgeleitet von Syphilis – macht sich ein bereits von den Nationalsozialisten gepflegtes Narrativ zu eigen, schreibt Margarete Stokowski im „Spiegel“. Auch Hitler sprach in "Mein Kampf" von der "Versyphilitisierung des Volkskörpers".
    Letztendlich geht es bei der Verwendung solcher Begriffe um die Diffamierung des politischen Gegners. Das ist eine oft genutzte Strategie. So ist beispielsweise von Ökodiktatur, Klimaterroristen, Covidioten, Wirtschaftsbuddys, Marktradikale, Steigbügelhalter, Altparteien oder Volksverräter die Rede.
    Doch die Herabsetzung des politischen Gegners kann sich auch ins Gegenteil wenden. Ein gutes Beispiel dafür bietet die Bezeichnung schwul. Ursprünglich wurde sie abwertend genutzt. Seit den 70ern wurde sie aber zunehmend als Selbstbezeichnung und Kampfbegriff von Homosexuellen übernommen.
    Auch „links-versifft“ nutzen mittlerweile einige Grünen-, Linke-, und SPD-Wähler mit einem Augenzwinkern als Selbstbezeichnung.

    lkn