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Politik und Hymnen

"The National Health" heißt das neue, vierte Album von Maximo Park. Ein Werk, für das sich die Band aus dem britischen Newcastle extrem viel Zeit gelassen hat: fast drei Jahre. Und diese Pause, die erste ihrer Karriere, hatte Sänger Paul Smith scheinbar auch bitternötig.

Von Marcel Anders |
    "Es gab eine Zeit, in der ich nicht mehr in Maximo Park sein wollte. Einfach, weil ich mich nicht darauf reduzieren wollte. Und davon handeln auch unsere Songs - nämlich davon, das Leben zu genießen. Sie beschränken sich nicht darauf, was es heißt, auf Tour zu gehen oder in einem Bus zu schlafen. Und du solltest erst dann ein Album machen, wenn du das Verlangen danach hast. Andernfalls ist es ein belangloses Produkt."

    Wofür Paul Smith, der studierte Kunsthistoriker und Literaturwissenschaftler, viel zu ehrgeizig und ambitioniert ist. Was auch sein neues Album "The National Health" unterstreicht. Ein Abgesang auf das Königreich von Fish and Chips, wenn nicht der gesamten westlichen Zivilisation. Mit spitzen Seitenhieben auf Gesellschaft und Staat, die für Paul Smith dem sicheren Exitus entgegensteuern. Aber weiter Platz bieten, für das kleine, private Glück.

    "Als ich die Texte für das Album schrieb, habe ich ein Buch namens 'Wir' von dem russischen Schriftsteller Samjatin gelesen. Es stammt aus den 20er-Jahren und ist die Vorlage für '1984'. Denn es entwirft das Bild einer unterdrückten zukünftigen Gesellschaft. Und beim Lesen habe ich gedacht: Das ist ja genau wie heute. Denn auch wir haben überall Überwachungskameras, werden stark kontrolliert und leben, ohne groß zu denken. Trotzdem finden die Menschen so etwas wie Liebe. Sie entdecken immer noch Risse im System."

    Genau wie Smith, der Mann mit dem Hut und den schicken Anzügen. Der hat die letzten drei Jahre für ein Solo-Album, Fotoausstellungen und ausführliche Recherchen genutzt - unter anderem über die wachsende Diskrepanz zwischen Arm und Reich, die für Smith von sämtliche Regierungen dieser Welt eher geschürt, statt bekämpft wird.

    "Was die Ungleichheit der modernen Gesellschaft betrifft, so finde ich es seltsam, dass Leute, die Millionen verdienen, proportional weniger Steuern zahlen als die, die jeden Tag zur Arbeit gehen und einen harten Job erledigen. Da ist die Kluft so groß, dass Ärger vorprogrammiert ist. Sollte es uns gelingen, die Gesellschaft ein bisschen gleicher zu machen, wäre das ein erster Schritt in eine bessere Zukunft."

    Denkanstöße, die der 33-Jährige und seine Mitstreiter in hymnischen Gitarrenrock, netten Sixties-Pop und gefühlvolle Balladen verpacken - und damit ein Gegengewicht zur eigenen, klassenkämpferischen Lyrik schaffen. Eben, um dem Hörer dann doch ein Gefühl von Hoffnung und Zuversicht zu geben - und seinen Tatendrang zu fördern. Wozu Pop - so Smith - das perfekte Medium sei:

    "Ich liebe fröhlichen Pop. Aber er muss auch eine Bedeutung haben. Sprich: Wenn da keine starken Texte sind, dann zumindest eine tolle Melodie. Wie 'We Found Love In A Hopeless Place', von dem ich wünschte, ich hätte den Text, die Melodie oder die Keyboard-Passage geschrieben. Und deshalb führe ich auch keinen Krieg gegen den Pop, sondern gegen Dinge, die nur dazu da sind, um Platz zu füllen - und den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen."