Der Ton ist rau in diesen Tagen, zwischen Jugend und Politik: Zwischen jungen Leuten, die zu Tausenden auf die Straße gehen und dort für den Klimaschutz oder für ein freies Internet demonstrieren – und gesetzteren Politikern, etwa von der CDU, die nicht gerade begeistert sind, dass die jungen Leute für ihre Demos die Schule schwänzen. Oder sie sogar öffentlich verdächtigen, sich von Internetkonzernen kaufen zu lassen, so wie der Europaabgeordnete Daniel Caspary das kürzlich getan hat, wofür er heftig kritisiert wurde.
"Das Tragischste an diesem Vorgang ist, eine neue Generation, die dieses Jahr zum ersten Mal zur Europawahl geht, lernt gleich ihre Lektion: Eure Proteste sind nichts wert, die Politik wird Lügen über euch auskippen, und sich von Sachargumenten nicht beeindrucken lassen, wenn es um knallharte geopolitische Interessen geht. Diese Erfahrung, dieses Gefühl von Machtlosigkeit wird sie nachhaltig prägen", befürchtet Julia Reda, Abgeordnete im Europäischen Parlament.
Da ist in den letzten Wochen also einiges schief gelaufen in der Kommunikation zwischen Berufspolitikern und dem politisch engagierten Nachwuchs. Ronja Kemmer sitzt für die CDU im Bundestag und ist dort mit 29 Jahren eine der jüngsten Abgeordneten. Sie findet, sonst wurde immer der Vorwurf laut, die Jugend interessiere sich nicht mehr, es herrsche Politikverdrossenheit, nach dem Motto: Mir ist alles egal. "Die Entwicklung der letzten Wochen zeigen: Das stimmt einfach nicht. Die Jugend ist interessiert. Sie gibt sich selbst eine Stimme, ist laut und tut es kund."
Begegnung mit Respekt und auf Augenhöhe
Wie es gelaufen sei mit den Demonstrationen zum Thema Artikel 13 des Urheberrechts fand Kemmer nicht immer so glücklich. Man könne inhaltlich immer verschiedener Meinung sein, das ist das Grundwesen einer Demokratie, man sollte sich aber dennoch mit Respekt begegnen. Eine Begegnung auf Augenhöhe halte sie für absolut wichtig. "Deswegen kann ich mich Aussagen, die getroffen wurden, in der Form nicht anschließen."
Die Jugendlichen sollten allerdings nicht nur beim Protest bleiben, sondern auch etwas gestalten und sich weiter einbringen. "Ich würde mir wünschen, dass sich möglichst viele am Ende in Parteien, aber auch in NGOs oder anderen Institutionen engagieren." Die Parteien hätten da viel Nachholbedarf. "Die allgemeine Meinung ist, es ist nicht atttraktiv, sich in den Parteien zu engagieren. Da muss man über neue Angebote nachdenken."
Als Kemmer selbst vor zehn Jahren begonnen habe, habe es auch nicht als besonders "cool" gegolten. Bei einer Partei könne man denken, sie sei allumfassend und die eigenen Gedanken gebe man an der Eingangstür ab und das ist ja nicht so. "Wie überwinden wir diese Hemmschwelle?" Angebote müssten projektbezogen sein, vielleicht auch ohne Mitgliedschaft möglich. "Junge Menschen interessieren sich, aber sie interessieren sich für Themen, die sie konkret betreffen. Man muss die starren Strukturen der Partei aufbrechen."
Doch es brauche einen gesamtgesellschaftlichen Prozess. "Die Jungen gestalten die Zukunft. Sie nicht ernst zu nehmen in ihren Anliegen halte ich für falsch. Wir haben eine politischere Generation, die heranwächst an jungen Leuten." De facto heiße das auch, sich zu interessieren, sich zu engagieren und zur Wahl zu gehen. In Großbritannien seien zuwenig junge Leute zur Abstimmung über den Brexit gegangen - mit den entsprechenden Konsquenzen.
"Wenn die wenigen jungen Menschen, die da sind, nicht zur Wahl gehen, wird es schwierig." Doch wenn sie an Bewegungen wie Pulse of Europe denke oder auch an die Demonstrationen um das Urheberrecht oder Fridays for Future habe sie Hoffnung. "Es ist immer wert, sich einzubringen, man darf nicht vorher schon aufgeben, weil man der Meinung ist, die Alten sind eh in der Mehrheit und wir können nichts ändern."
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