Fünf Jahre ist Theresia Bauer Wissenschaftsministerin in Baden-Württemberg, wie viele neben ihr am Kabinettstisch kam sie direkt von der Oppositionsbank auf den Ministersessel:
"Also ich bin nie in die Politik gegangen, weil ich eine bestimmte Position angestrebt hätte, das war nie mein Plan."
1965 geboren, verheiratet, zwei Söhne, Theresia Bauer lebt in Heidelberg. In einer grün-alternativen Hochschulgruppe lernte sie vor über 30 Jahren Arnd Küppers kennen. Küppers, Psychologe und Unternehmensberater, zählt zu ihren engsten Vertrauten:
"Dieses Gefühl, da ist jemand, der kann viel mehr und der will auch viel mehr, das hatte ich damals schon."
Nach ihrem Studium war Theresia Bauer unter anderem Geschäftsführerin der Heinrich-Böll-Stiftung Baden-Württemberg. 2001 zog sie in den Landtag ein, war hochschulpolitische Sprecherin, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und parlamentarische Geschäftsführerin. Jetzt Ministerin:
"Was zu den persönlichen größten Bereicherungen zählt, ist dass das Regieren einen in einer ganz anderen Weise mit der gesamten gesellschaftlichen Breite in Verbindung bringt. Opposition ist viel mehr auf die eigene Partei, auf die eigene Fraktion ausgerichtet, also man droht sich viel zu sehr mit sich selber und mit der eigenen politischen Klientel zu beschäftigen und sie mit der Welt zu verwechseln. Und das Regieren zwingt oder ermöglicht, vielmehr ermöglicht - meines Erachtens - in einer ganz anderen Breite, mit viel mehr Menschen, mit unterschiedlichen Positionen und unterschiedlichen Hintergründen zusammenzukommen."
Am Anfang war Unsicherheit spürbar
Dreimal wurde sie in ihrer bisherigen Amtszeit vom Deutschen Hochschulverband zu r Wissenschaftsministerin des Jahres gewählt. Das ist bislang einmalig in der Hochschullandschaft. In der jüngsten Auszeichnung wird ihr ausgeprägte Bereitschaft zum Dialog, politische Rationalität, gar Exzellenz attestiert. Doch sie zahlt einen hohen Preis in ihrem Amt. Weniger Inhalte stehen bisweilen im Mittelpunkt, vielmehr ist es ihr Aussehen, das Schlagzeilen liefert. So schreibt ZEIT Online: "Sie sieht aus wie ihre eigene Referentin, ist nicht besonders groß, nicht ganz schlank, trägt ihre Haare so wie Merkel zu Beginn ihrer Kanzlerschaft, und auch die Farbpalette ihrer Blazer erinnert an die der Kanzlerin":
"Ich glaube, da muss man sich schon ein Stück weit abhärten, da hilft alles nichts. Das kann man ja nicht ändern, es gibt diese Wahrnehmung von Frauen, die ja eine andere ist als die Wahrnehmung von Männern. Die Spielräume sind deswegen andere, da nutzt alles ärgern nichts, sondern damit klarkommen, sich darauf einstellen, dass zum Beispiel Äußerlichkeiten bei Frauen in der Tat eine viel größere Rolle spielen, also ich werde wirklich von Männern auf meine Frisur angesprochen. Ich möchte da mal wissen, ob sie das mit einem Kollegen machen? Da muss man schlicht und einfach mit klarkommen, um nicht verrückt zu werden."
In der ersten Zeit als Ministerin ist ihre Unsicherheit spürbar. Doch Theresia Bauer passt sich an. Sie verändert ihren Stil, trägt eine neue Brille und eine andere Frisur. Ein täglicher Rollenwechsel beginnt:
"Das Thema korrekt Aussehen und dafür sorgen, dass die Frisur sitzt und dass die Kleider stimmen, das nimmt eine größere Rolle ein als früher - eindeutig. Und da kann man was daraus machen, der Moment, sich vorzubereiten auf das Reinschlüpfen ins Amt ist auch ein Moment, indem man mit sich selber alleine ist und sich einstimmen kann auf den Tag. Ich nutze das inzwischen auch als Gelegenheit, mir wirklich auch meine Gedanken zu machen, was mir an diesem Tag wirklich wichtig ist, worauf es wirklich ankommt."
Sie verinnerlicht die Rolle immer mehr, ihre Auftritte werden selbstbewusster. Ihre Reden sind spätestens im zweiten Jahr ihrer Amtszeit flüssiger, sie wird ruhiger. Das beobachtet auch ihr Freund Arnd Küppers:
"Sie hat ja ihre Rolle auch finden müssen, gerade was öffentliche Auftritte angeht, was die öffentliche Rede angeht. Ich glaube, wenn man vergleicht, dann hat sie heute einen anderen Auftritt noch als vor fünf Jahren."
"In ihrem Kern erlebt man sie als dieselbe Person"
Immer häufiger wird Theresia Bauer als mögliche Nachfolgerin von Ministerpräsident Kretschmann genannt. Sie hat ihre Rolle mittlerweile angenommen, ihren Einfluss vergrößert, in ihrem Ressort hat sie einiges bewegt. Spürt sie dabei die Macht?
"Ich assoziiere damit, dass meine Handlungsreichweite gestiegen ist. Das, was ich entscheide, hat eine andere Durchschlagskraft, als Entscheidungen, die ich in einer anderen Position getroffen hätte. Wohlwissend, dass es nicht nur meine individuelle Handlung ist, sondern jede Entscheidung hat am Ende etwas damit zu tun, dass ich viele, viele Menschen um mich herum habe, die ich überzeugt habe oder die dieses mittragen."
Arnd Küppers: "Sie hat sich verändert, weil sie diese Rolle ja vorher nie gespielt hat. Sie hat sich aber nicht verändert in dem Sinne, dass sie ein Stück ihres Wesens aufgegeben hat oder dass sie etwas lernen musste, was sie überhaupt nicht konnte vorher, oder dass sie etwas verstecken muss von ihrer Person, was jetzt keinen Platz mehr hätte. In diesem Sinne hat sie sich gar nicht verändert, in ihrem Kern erlebt man sie noch als genau als die Person, die man vor 30 Jahren erlebt hat, man erlebt sie selbst als öffentliche Person noch so, wie man sie vor 30 Jahren erlebt hat."
Das Leben von Theresia Bauer hat sich verändert: Abends liest sie die Zeitungen vom nächsten Tag, auf der Rückbank ihres Autos geht sie Akten durch. Ein Termin jagt den nächsten. Beschleunigt, neues Äußeres und weit über Stadt und Land hinaus bekannt. Bis heute mache sie den Job gerne, sagt die Ministerin, nur manchmal...
"...würde ich mir wünschen, dass es Momente gibt, wo ich dieses Amt auch irgendwie für einen Moment ablegen kann und einfach privat sein kann und auch unerkannt. Das legt sich wie eine zweite Haut um einen herum. Und selten sind die Momente, wo man diese zweite Haut ablegen kann. Und das ist eine Beeinträchtigung an persönlicher Freiheit."