Archiv

Politikrisiko statt Wetterrisiko
Was Biobauern das Leben schwer macht

In den letzten Jahren haben sich immer mehr Landwirte in Deutschland für die intensive, konventionelle Landwirtschaft entschieden, statt für die Umstellung auf den Bioanbau. Denn mit Mais für Biogasanlagen oder Massentierhaltung lässt sich entschieden mehr Geld verdienen. Die Politik habe hier falsche Impulse gesetzt, kritisieren Biobauern.

Von Jantje Hannover |
    Ein französischer Biobauer reißt Unkraut aus dem Boden.
    Dass eine Biolandwirtschaft konkurrenzfähig, wettbewerbsfähig wird zur industrialisierten, intensivierten Landwirtschaft, das ist in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. (AFP / Mychele Daniau)
    "Wir stehen hier auf dem historischen Hofteil von Gut Wilmersdorf, das ist eine historische Vierseitenanlage, teilweise aus dem 17. Jahrhundert wie das Gutshaus hier, oder aus dem 19. Jahrhundert wie die umliegenden Wirtschaftsgebäude, dahinten laufen wir dann zum neueren Hofteil,"
    Betriebsführung in Wilmersdorf in der Brandenburger Uckermark. Stefan Palme deutet auf die alten Stallungen, die teilweise aus Feldsteinen gemauert sind. Der Weg zum neueren Hofteil führt an einer alten Brennerei vorbei, gleich dahinter stehen die Anlagen für Milchvieh und Bullenmast aus DDR-Zeiten. Heute nutzt Palme sie als Getreidelager, andere Gebäude hat er abreißen lassen. Es ist einer der ersten kalten Tage im Dezember, ein eisiger Wind bläst über den offenen Hof. Der hoch gewachsene Bio-Landwirt hat seine Mütze tief ins Gesicht gezogen und die Jacke bis oben zugeknöpft.
    "Die Hofstelle hat insgesamt eine Größe von elf Hektar, das ist für westdeutsche Verhältnisse der totale Wahnsinn, das ist auch ein erheblicher Kostenfaktor, das alles zu pflegen, die Gebäude instand zu halten."
    Das gelingt Stefan Palme nur, weil er, wie in Ostdeutschland üblich, neben der Hofstelle eine sehr große Fläche Ackerland bewirtschaften kann. Während ein durchschnittlicher Biobetrieb 50 Hektar unter den Pflug nimmt, baut Palme mit seiner Frau und elf Angestellten auf 1.100 Hektar biologischen Roggen, Weizen, Hafer, Kleegras und Lupinen, außerdem Gewürz- und Heilkräuter an. Wer als Biobauer am Markt bleiben will, muss sich etwas einfallen lassen:
    "Bei uns geht es darum, dass wir ein Produkt haben, das extrem gut analysiert ist, was aus einer extrem schadstoffarmen Umgebung kommt. Wir haben eine sehr vielfältige Fruchtfolge, wir können dadurch auch eine Produktsicherheit gewährleisten, wo dann auch Verarbeiter wissen, okay, hier fallen sie nicht auf die Nase, hier kommt nicht irgend ein Skandal raus, wir achten sehr stark auf Qualität und versuchen uns da abzusetzen."
    Siegel des Anbauverbands Bioland
    Stefan Palmes Getreide wird unter dem Siegel des Anbauverbands Bioland vermarktet. Er kann für seine Produkte einen guten Preis erzielen, aber angesichts von immer mehr Billig-Konkurrenz ist das nicht einfach. Der Präsident von Bioland, Jan Plagge, sieht die Biolandwirtschaft in Deutschland zwar weiterhin auf Wachstumskurs, insbesondere, weil die Verbraucher immer mehr Bioware kaufen. Trotzdem ist die Verschärfung des Wettbewerbs bei den Preisen für Nahrungsmittel für einige Ökobauern existenzbedrohend. Und das führt Plagge auf eine verfehlte Agrarpolitik zurück:
    "Man muss sich das so vorstellen wie einen Tanker, der die letzten 10, 15 Jahre noch mal auf Kurs und auf Tempo gebracht wurde, und der Kurs hat immer mehr in Richtung Industrialisierung, Wachstum und auch Intensivierung, insbesondere der Fleischproduktion, gesteuert. Und hier umzusteuern in Rahmenbedingungen, dass eine Biolandwirtschaft konkurrenzfähig, wettbewerbsfähig wird zur industrialisierten, intensivierten Landwirtschaft, das ist gerade die letzten fünf bis acht Jahre immer schwieriger geworden. Es gibt ja auch einen Wettbewerb, wenn ich auf den Hof gucke, und entscheiden muss, was mache ich jetzt die nächsten 10, 15 Jahre, wo investiere ich, was werden meine Kinder machen? Und ist Biolandbau da eine Alternative für mich und meine Familie, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Und diesen Wettbewerb, den sieht man ja nicht offen am Regal, aber der spielt sich hinter den Kulissen natürlich ab."
    Von der Bioenergie bis zur intensiven Tierhaltung
    Tatsächlich haben sich in den letzten Jahren immer mehr Landwirte in Deutschland für die intensive, konventionelle Landwirtschaft entschieden anstatt für die Umstellung auf den Bioanbau. Denn mit Mais für Biogasanlagen oder Massentierhaltung lässt sich entschieden mehr Geld verdienen. Die Politik habe hier falsche Impulse gesetzt, so Jan Plagge:
    "Hier will ich das Bild noch mal bedienen von der gesamten Landwirtschaft, die wie ein Tanker in eine Richtung steuert, dem Credo der scheinbaren Welternährungsbefriedigung nachläuft, das heißt, man hat den Landwirten seit Jahren versucht zu erklären, dass sie die Welt mit in Deutschland produzierten Lebensmitteln herstellen müssen und sich darum immer weiter intensivieren müssen. Dieser Weg wurde gefördert, von der Bioenergie bis zur intensiven Tierhaltung, ist massiv propagiert worden und hat schlichtweg der Umstellung auf Biolandbau in ganz vielen Regionen den Raum weggenommen."
    Eine Biogasanlage in Mecklenburg-Vorpommern.
    Ökolandbau ist in den in den letzten Jahren ins Hintertreffen geraten gerade gegenüber der Erzeugung von Bioenergie. (picture alliance / dpa)
    Im wörtlichen Sinne. Denn Land ist durch diese politisch gewollte Intensivierung immer teurer geworden, beklagt auch Martin Häusling, der für die Grünen im Agrarausschuss des Europäischen Parlaments sitzt.
    "Wir haben in der Ökolandwirtschaft einen besonderen Konkurrenzdruck, starker Konkurrenzdruck um die Fläche, und, man muss es leider sagen, da ist. Es geht dabei um Pachtpreise in bestimmten Regionen, die teilweise bis zu 1.000 Euro hochgegangen sind. Das kann sich ein normaler Biobauer mit einer Tierhaltung gar nicht leisten, diese Flächen zu pachten. Das heißt, die Bauern verlieren Fläche."
    Die Rede ist von 1.000 Euro pro Hektar. Ein Biobauer mit 50 Hektar Land müsste in dieser speziellen Region also schon einmal 50.000 Euro im Jahr aufbringen, nur um sein Land zu bezahlen. Das kann er mit Biowaren niemals wieder hereinholen. Ein Grund also, warum die Schere zwischen der Nachfrage nach Bioprodukten und dem tatsächlichen Angebot immer weiter auseinandergeht und immer mehr aus dem Ausland importiert wird. Eigentlich müsste die Bundesregierung hier gegensteuern. Denn im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie strebt sie einen Flächenanteil für den Ökoanbau von 20 Prozent an. Dieses Ziel stammt noch aus der Regierungszeit von Renate Künast als grüner Agrarministerin. Tatsächlich dümpelt der Flächenanteil heute bei 6,3 Prozent vor sich hin und wächst nur noch sehr langsam. Daran will man beim Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft auch nichts ändern, erklärt Staatssekretär Peter Bleser:
    "Ich kann die Ökonomie ja nicht außer Kraft setzen. Natürlich hat die Biolandwirtschaft in Deutschland in der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber importierten Produkten, wo auch mit geringerem Lohnniveau gearbeitet werden kann, ein Problem. Deswegen ist es auch notwendig, dass man unsere Möglichkeit, regional zu kaufen durch das Regionalkennzeichen stärker nutzt, und damit stärkt man die heimische Produktion. Der Ökolandbau ist eine besondere Form der Landwirtschaft, die von einem Teil der Bevölkerung bevorzugt wird. Wir als Bundesregierung haben dafür zu sorgen, dass die gesamte Landwirtschaft nachhaltig ist."
    Dass die gesamte Landwirtschaft in Deutschland nachhaltig ist, daran melden gerade auch die Biobauern Zweifel an.
    Stefan Palme sitzt jetzt am Computer. Er will herausfinden, mit wie viel öffentlichem Geld aus der GAP-Reform - also der Reform der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik - er im neuen Betriebsjahr rechnen kann. Denn in der Europäischen Union werden Landwirte seit Jahrzehnten mit hohen Summen subventioniert. Offiziell erhalten sie das Geld dafür, dass sie die von der EU aufgestellten Regeln einhalten. Tatsächlich werden damit die Einkommen der Landwirte gestützt und die Preise für Agrarprodukte gesenkt:
    "Ah, hier gibt es noch was, einen Prämienschätzer von der GAP-Reform, jetzt geben wir mal ein die Betriebsgröße, Junglandwirt nein, Bundesland Brandenburg, berechnen, so, hier sieht man es. Wir also haben im letzten Jahr 266 Euro bekommen pro Hektar, im Jahr 2015 sind es nur noch 159 plus die 87 Euro Greening, muss man mal zusammenzählen."
    Höhe der Öko-Prämie ist in den Bundesländern unterschiedlich
    Stefan Palme tippt die Zahlen in seinen Taschenrechner ein, heraus bekommt er 246 Euro – als Biobauer hat er darauf im letzten Jahr noch einmal 154 Euro mehrpro Hektar erhalten. Nicht genug für die Mehrarbeit, die er leistet, sagt Palme. In den letzten beiden Jahren haben Biobauern erstmals insgesamt weniger verdient als ihre konventionellen Kollegen. Gerade in Brandenburg hätten Ökobauern keine Lobby, beklagt Palme:
    "Wir müssen davon ausgehen, dass der Ökolandbau ein Politikum ist, dass es viele Menschen gibt innerhalb der Landes- und innerhalb der Bundesregierung, die aus ideologischen Gründen was gegen Ökolandbau haben, uns auch ganz klar, obwohl sie es so nicht zugeben würden, uns das Leben schwer machen. Das hat man im Land Brandenburg mehrmals erleben dürfen, dass man uns den Geldhahn zugedreht hat, dass die Umstellungsbeihilfen gestrichen wurden. Wir haben ein Politikrisiko, das fast noch größer ist als das Wetterrisiko. Und während die gesamte Landwirtschaft, also ohne die Ökobauern, relativ konstante Beihilfen immer bekommen hat und auch eine Planungssicherheit hat von mindestens fünf Jahren, teilweise zehn Jahren, ist unsere Planungssicherheit wesentlich geringer."
    Ein Huhn sitzt am 17.05.2013 auf einem Feld bei Springe (Niedersachsen)
    Biolandwirte in Niedersachsen leiden unter knappen Anbauflächen. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Die Ökobauern fühlen sich von der Politik im Stich gelassen: Eigentlich sollte die letzte Agrarreform, die in diesem Jahr in Kraft tritt, die europäische Landwirtschaft ökologischer machen. Agrarsubventionen sollten stärker an Umweltleistungen gekoppelt werden. Deswegen wurde das sogenannte Greening eingeführt. Da die Landwirte auf diesen Greeningflächen aber auch spritzen und düngen dürfen, sei der ökologische Effekt gleich Null, findet Bioland-Präsident Jan Plagge.
    "Wir hatten erwartet, wie viele Bürger auch, dass die knapp 50 Milliarden Euro jährlich nicht mehr in dem Maße mit der Gießkanne auf das Land verteilt werden, sondern dass der Bürger dafür eine Gegenleistung erhält, eine spezifische Gegenleistung, dass das Grundwasser nicht weiter belastet wird, dass weniger Pestizide ausgebracht werden, und dass es auch eine artgerechtere Tierhaltung gibt. Das passiert leider in einem sehr sehr geringen Maße, das heißt: Weiter werden in Deutschland 80 Prozent mit der Gießkanne ausgeschüttet, und wir können froh sein, dass die Gelder für ländliche Entwicklung, über die auch der Ökolandbau gefördert wird, dass die nicht weiter absinken."
    Große Chance wurde vertan
    Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik GAP stützt sich auf zwei Finanzierungssäulen. Die sogenannte Direktzahlung, zwischen 239 und 276 Euro pro Hektar, bekommt jeder Landwirt. Diese Gelder sind in der ersten Säule angesiedelt, Gelder für Agrarumweltmaßnahmen, über die der Ökolandbau gefördert wird, werden in der zweiten Säule verwaltet, erklärt Landwirt Palme:
    "Man hätte eine große Chance gehabt im Zuge der letztjährigen GAP Reform, die ja erst mal bis 2020 gilt, da was zu ändern, indem Mittel von der ersten Säule der Agrarförderung in die zweite Säule umgeschichtet werden. Das heißt, man nimmt, ich sag' es mal ein bisschen provokativ, das bedingungslose Grundeinkommen für die Landwirte weg oder zum Teil und gibt es in Programme, die die Landwirte dazu auffordern und animieren, freiwillige ökologische Leistungen zu erbringen, zum Beispiel Ökolandbau. Das hat man nicht gewollt, ganz klar, da war der Deutsche Bauernverband dagegen und auch vor allem die CDU. Insofern ist hier eine große Chance verspielt worden, auch im Sinne der Steuerzahler und der Artenvielfalt."
    "Sie müssen beim Umschichten immer irgend jemandem was wegnehmen," hält Staatssekretär Peter Bleser von der CDU dagegen:
    "Da muss man natürlich fragen, ob man den konventionell wirtschaftenden Betrieben das zumuten konnte, insbesondere auch den Kleinen, dass man zusätzlich die Einkommensmöglichkeit beschneidet."
    Erhalt von Natur und Artenvielfalt
    Wieso soll ein Biobauer mehr Geld pro Hektar erhalten als jeder andere Landwirt? Die Betroffenen führen hier ihren Beitrag zum Erhalt von Natur und Artenvielfalt an, der schließlich allen zugutekäme. Stefan Palme hat sich zu einer Rundfahrt in sein Auto gesetzt, seine Äcker sind größtenteils auch im Winter dicht bewachsen, sonst gäbe es hier bald Probleme mit der Bodenfruchtbarkeit:
    "Rechts sieht man hier Kleegras, das ist in dem Fall Weißklee mit Luzerne und Gras, das ist jetzt abgeweidet von Schafen beziehungsweise nachgemäht. Das machen wir dann ein bis zwei Jahre lang, das ist dann die Kultur, die vorangestellt wird dem Weizen, weil der Weizen braucht viel Stickstoff,"
    Eine natürliche Fruchtbarkeit aufzubauen und zu erhalten ist aufwendig. Darum beschäftigt der Ökolandbau auch deutlich mehr Arbeitskräfte pro Hektar.
    "Und Kleegras hat eben die Fähigkeit, Stickstoff aus der Luft zu sammeln, das ist das, was normalerweise im konventionellen Anbau der Kunstdünger macht."
    Palmes Felder liegen im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin, gemeinsam mit elf weiteren Biobauern bewirtschaftet er hier die derzeit größte zusammenhängende Ökoackerfläche in ganz Europa, insgesamt 8.000 Hektar. Und weil Stefan Palme schon vor Jahren die Zeichen der Zeit erkannte, hat er sein Land und das der Kollegen vor dem Zugriff außerlandwirtschaftlicher Investoren in Sicherheit gebracht. Zusammen mit der Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken in Bochum, kurz GLS-Bank, haben sie den Biobodenfonds ins Leben gerufen. Ein Teil des Landes wurde von der Bank gekauft, die hat dafür Genussrechte an Kleinanleger ausgegeben. Die Bauern haben jetzt einen verlässlichen Verpächter:
    "Speziell in meinem Fall würde es wahrscheinlich meinen Betrieb in dieser Form nicht mehr geben, wenn der Biobodenfonds damals nicht zustande gekommen wäre."
    Die Biobäuerin Susanne Leu hält in Haferkamp in der Uckermarkeine Mutterkuhherde von Fleischrindern. Auch sie hat von der Idee profitiert.
    "Weil wahrscheinlich 200 Hektar meiner Fläche, und damit mehr als 40 Prozent insgesamt weggefallen wären, von jemand anders zu Preisen gekauft, die ich nicht hätte zahlen können. Das ist auch schwer zu erwirtschaften mit dieser Landwirtschaft, die ich betreibe, ist das ganz schwierig auf diesen Böden. Weil unterm Strich nicht genug rauskommt.
    Susanne Leus Weiden und Äcker sind moorig oder sandig, teilweise werden sie nur bewirtschaftet, weil Boden knapp ist. Leus Kühe laufen ganzjährig im Freien herum. Einige drängen sich gerade an der Tränke, auf der sich heute Eis gebildet hat:
    "Hier sehen wir ringsum unsere Flächen, vorwiegend Grünland, aber auch Ackerflächen, die wir im Moment mit Ackerfutter im Sommer bestellt haben, wo die Kühe auf Ackerflächen jetzt stehen im Winter, den sogenannten Winterquartieren. Hier vorne sehen wir die Deckbullen, die großen, gefährlichen, die mit der hellen Farbe sind die Uckermärker, also Rasse Uckermärker. Wen es interessiert, die wurden mal gezüchtet aus Chevrolet, kennt man vielleicht eher aus Frankreich, und Fleckvieh."
    In Haferkamp steht auch ein großes Stallgebäude, die Tiere betreten es aber nur, wenn der Tierarzt vorbeischaut. Susanne Leu hat in einem Nebenraum ein kleines Büro und eine Teeküche eingerichtet. Sie muss gut rechnen, damit ihr Betrieb über die Runden kommt:
    "Dann kommt noch dazu, dass die Erträge nicht so hoch sind, wie zum Beispiel in konventionellen Betrieben, wo Düngemittel eingesetzt werden, wo Wachstumsregler eingesetzt werden können. Selbst der etwas höhere Biopreis und von mir aus die Bioprämie gleicht den Verlust da nicht aus. Es ist ja nicht so, dass ich mein Rindfleisch so verkaufe, zu den Preisen, die Sie dann in Berlin zahlen, so ist es ja nicht. Es wäre eine Geschichte, wovon ich schon immer träume, zum Beispiel eine Direktvermarktung aufzubauen, natürlich schon das veredelte Rind zu verkaufen in Form von Rouladen, Wurst was auch immer, aber es ist so schwierig zum Beispiel in einen Hofladen zu investieren, in den nächsten Jahren wird mir das nicht gelingen."
    Vor dem Gebäude der EU-Kommission wehen blaue Europa-Flaggen.
    Die Forderung der EU-Kommission, Bioprodukte müssten bei Kontrollen eine hundertprozentige Schadstofffreiheit aufweisen, sei praxisfern, kritisiert Martin Häusling, grüner Abgeordneter im Agrarausschuss in Brüssel. (Emmanuel Dunand / AFP)
    Und es könnte bald noch ein bisschen schwieriger werden für die Biobauern. Nämlich dann, wenn sich die EU-Kommission mit ihren Vorschlägen für eine neue EU-Ökoverordnung durchsetzt. Diese sind eine Reaktion auf die Betrugs-Skandale der letzten Zeit, bei denen konventionelle Ware unter dem Ökosiegel verkauft wurde. Aber die Forderung der Kommission, Bioprodukte müssten bei Kontrollen eine hundertprozentige Schadstofffreiheit aufweisen, sei praxisfern, kritisiert Martin Häusling, grüner Abgeordneter im Agrarausschuss in Brüssel:
    "Das ist komplett unrealistisch, denn der ökologische Landbau findet inmitten einer konventionellen Landwirtschaft statt und nicht auf irgendeiner Insel, und man muss sich einfach damit auseinandersetzen, ob man das gut findet oder nicht, dass eine Hintergrundbelastung an Schadstoffen da ist. Ein durchschnittlicher Betrieb in Deutschland hat so um die 50 Hektar, ein Biobetrieb, das ganze in 30 Teilstücken. Dann hat er vielleicht zehn konventionelle Nachbarn, Man kann nicht nachher dem Biobauern das Risiko anlasten, dass man bei ihm was findet, was er gar nicht einsetzt. Der muss sich dann mit seinen Nachbarn rumschlagen, wer war da jetzt Schuld dran. Das bringt in der Realität einen wahnsinnigen Unfrieden in die Dörfer und es hebelt das Verursacherprinzip aus."
    Nicht nur zusätzlicher Ärger mit den Nachbarn wäre programmiert, die Biobauern sollen nach den Brüsseler Plänen auch nur noch mit Biosaatgut arbeiten dürfen – das ist häufig aber nicht ausreichend und vor allem nicht in allen Sorten vorhanden, zum Beispiel im Gemüsebereich. Setzen sich die neuen Regeln durch, werden viele kleinere Betriebe aufgeben müssen, warnt Martin Häusling:
    "Das ist ein bisschen eine Grundsatzentscheidung. Wollen wir einen kleinen süßen Biomarkt haben, eine Nische, wo alles hundertprozentig perfekt ist, oder wollen wir nicht doch uns entscheiden dafür, dass biologische Landwirtschaft eine Alternative ist zur konventionellen. Wenn wir das Zweite wollen, dann muss ich den Weg auch dahin beschreiben, wie ich entweder zum Biobauer werde oder wie ich den Sektor aus der Nische raushole und richtig größer mache. Was die EU-Kommission jetzt will, und das ist, wie ich finde, der entscheidende Fehler in der Verordnung, ist einfach dass sie sagt: Bio muss noch besser werden, obwohl ja keiner bestreitet, dass Bio gut ist, aber es muss noch besser werden."
    Gut aber nicht gut genug? Auch Peter Bleser vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft findet, dass die neuen Regeln über das Ziel hinausschießen:
    "Der Vorschlag der Kommission zu einer Reform der EU-Ökoverordnung wird von uns so, wie er gemacht wurde, nicht mitgetragen. Der Ansatz ist zu scharf, weil er schwer einzuhalten ist."
    Die Ökoverordnung muss verbessert werden, um Betrug effektiver zu verhindern. Darin sind sich alle einig. Aber Forderungen, die die Biolandwirtschaft zurück in die Nische drängen, wollen Deutschland und die meisten anderen Mitgliedsländer verhindern.