Leipzig-Grünau. Bis zum Mauerfall befand sich hier das zweitgrößte Plattenbauviertel in der DDR. Mit zahllosen hohen Wohnblocks in der tristen eintönigen Architektur des Sozialismus. Mit guter Infrastruktur, schneller Verkehrsanbindung, Schulen, Kindergärten und Einkaufsmöglichkeiten vor der Haustür. Für die gestressten berufstätigen Frauen in der DDR ein Traum, mit fließend warmem Wasser, Zentralheizung und WC in der Wohnung, nicht auf halber Treppe oder im Hof. Rund 44.000 Menschen leben heute hier. Die Plattenbauten sind geblieben, Farbe ist eingezogen.
Hier, direkt am Eingang einer neuen, kleinen aber unschön alternden Einkaufspassage, liegt das Bürgerbüro der AfD Leipzig. Zwei große kornblumenblau gerahmte Glastüren am Eingang stehen trotz der frischen Außentemperaturen sperrangelweit offen:
- "Morgen Herr Wurlitzer!"
- "Guten Morgen! Ich muss hier noch lüften."
- "Was, ich wollte gerade wissen, was ist das für ein Geruch hier?"
- "Buttersäure!"
- "Buttersäure? Das stinkt ja gemein!"
- "Na, da sehen Sie gleich, wie Wahlkampf hier aussieht. Das geht hier mehr um kämpfen als um Wahl."
- "Guten Morgen! Ich muss hier noch lüften."
- "Was, ich wollte gerade wissen, was ist das für ein Geruch hier?"
- "Buttersäure!"
- "Buttersäure? Das stinkt ja gemein!"
- "Na, da sehen Sie gleich, wie Wahlkampf hier aussieht. Das geht hier mehr um kämpfen als um Wahl."
Vor gut sechs Monaten haben Unbekannte einen Buttersäure-Anschlag auf das Büro verübt, es war nicht der erste. Und noch immer riecht es streng nach frisch Erbrochenem. Die Angreifer kamen in der Nacht, schlugen eine Glasscheibe ein und schleuderten die stinkende Buttersäure in das Büro.
Die Polizei hat ermittelt, gefunden wurden die Täter nicht. Das sei immer so, klagt der hünenhafte Immobilienkaufmann und AfD-Landtagsabgeordnete Uwe Wurlitzer. Und seine wachen Augen blitzen kämpferisch.
- "Also, das finde ich ziemlich anstrengend, mittlerweile ist es sogar so, dass wir im Landtag einen Fonds aufgelegt haben für die Abgeordnetenbüros. Nämlich da, wo sie keine Versicherung mehr bekommen, müssen Sie es ja selber bezahlen."
- "Heute meldet die "Sächsische Zeitung", dass die Angriffe auf Politiker und Bürgermeister unheimlich zugenommen haben in letzter Zeit, woher kommt diese Verrohung der Sitten, was glauben Sie?
- "Na ja, ich möchte das jetzt nicht entschuldigen, dass Sie das jetzt bitte nicht falsch verstehen, aber ich glaube, dass die Politik ein Stück weit selbst Schuld ist, obwohl das keine Ausrede sein soll und auch keine Rechtfertigung dafür, dass das passiert. Aber die Politik hat sich in den letzten Jahren so weit von der Basis entfernt, dass es eben teilweise Gruppen gibt, die sich eben nicht anders zu helfen wissen. Ich finde das selber falsch, das ist ganz klar und deutlich, aber wenn man eben jahrelang am Volk vorbei regiert, wenn man jahrelang Versprechungen, die man im Wahlkampf gemacht hat, kurz danach wieder kassiert, dann muss man sich nicht wundern, dass einige Bürger, na ja, ein bissel radikal werden."
Doch ist das der einzige Grund für die unbändige Wut einiger Bürger? Ist allein Enttäuschung der Nährboden der grassierenden Politikverdrossenheit und für die Verachtung, die sich gegen den politischen Diskurs und die demokratischen Institutionen richten?
"Nein", sagt der Journalist Matthias Meisner. Gemeinsam mit seiner Kollegin Heike Kleffner ist er der Frage nachgegangen, ob die sogenannten sächsischen Verhältnisse mit der Pegida-Bewegung und den vielen rechten Gewalttaten ein auf den Freistaat begrenztes Phänomen sind. Als Herausgeber des Buches "Unter Sachsen – zwischen Wut und Willkommen" kommen Meisner und Kleffner zu dem Schluss, die radikalen Auswüchse der Wut haben eine lange Vorgeschichte in Sachsen:
"Da ist ein ziemlich machtloser Ministerpräsident. Da sind Leute um ihn herum, die, wenn dann schon mal irgendetwas angesprochen wird, relativieren und klein reden. Hier bleibt es in Sachsen ziemlich oft einfach nur bei Worten, ohne das wirklich etwas daraus folgt."
Meisners Kollegin und Co-Herausgeberin, Heike Kleffner, ergänzt:
"Relativieren ist tatsächlich auch noch einmal ein Stichwort, das zieht sich ja auch durch die unterschiedlichen Reportagen von sächsischen Journalisten und Journalistinnen, die wir in diesem Buch versammeln konnten. Das Relativieren von der Gefahr von rechter und rassistischer Gewalt ist etwas, was seit 25 Jahren tatsächlich den Alltag ganz, ganz vieler kleiner Dörfer und Kommunen in Sachsen prägt."
Woher kommt diese Riesen-Wut?
Was ist passiert in dieser Gesellschaft? Woher kommt diese Riesen-Wut? Die Recherche führt in das Dresdner Institut für Politikwissenschaft, in das kleine, mit Büchertürmen auf Tischen und in Regalen gefüllte Büro von Professor Dr. Hans Vorländer, dem Direktor des Zentrums für Verfassungs- und Demokratieforschung. Die Kernfrage: Warum treten die Wut und ihre Auswirkungen gerade in Sachsen immer wieder so auffällig zu Tage?
"Im Grunde genommen weiß ich es auch nicht wirklich. Also wir erklären uns das ja immer so, dass in den letzten 25 Jahren vor allem in Ostdeutschland große Veränderungen stattgefunden haben und die sind vielleicht gar nicht richtig bewältigt worden. Und jetzt kommen neue große Herausforderungen auf die zu, der Wandel geht weiter, der Flüchtling ist die Verkörperung des Wandels und dass die Globalisierung direkt unmittelbar vor die Haustüre kommt. Und das erzeugt vielleicht Ängste. Und da bricht es aus vielen heraus. So versuchen wir uns zumindest rational, diese Wut zu erklären."
Der Politologe und Jurist Hans Vorländer, Jahrgang 1954, wägt seine Worte behutsam. Der gebürtige Wuppertaler mit gepflegtem Vollbart und runder Hornbrille weiß um die Wirkung seiner veröffentlichten Analysen. Viele Menschen im Osten sind empfindlich, wenn es um die Deutung der jüngsten deutsch-deutschen Geschichte geht. Auch der Wissenschaftler hat schon mehrfach schmähende, drohende und beleidigende E-Mails erhalten. Seit 1993 lehrt er in Dresden. Die aktuelle Entwicklung in der Gesellschaft beobachtet er mit Sorge.
"Wenn es nach denen geht, die so reden, muss man in der Tat den Eindruck haben, dass hier zentrale Grundsätze der Demokratie - dazu gehört eben Meinungsfreiheit, der zivilisierte Austausch von unterschiedlichen Standpunkten - dass das gefährdet ist. Und dass die Menschen eben diese Demokratie so nicht haben wollen. Gott sei Dank ist es eine kleine Minderheit, die ist laut. Und leider ist es eben auch so, dass sie sich in den sozialen Netzwerken abschottet und sich dort unter Gleichen findet, sich selbst noch mal bestärkt in dem, was sie an Ressentiments, an Angst, an Wut, an Zorn haben und deshalb nicht mehr zugänglich ist. Und wenn auf Dauer eine solche Gruppe aus dem demokratischen Spiel sich selbst herausnimmt, dann hat die Demokratie auch ein Problem."
Die Erosion des Vertrauens in die politischen und wirtschaftlichen Eliten nimmt zu. Nicht nur in Deutschland. Das zeigen auch eindrucksvoll jene Umfragen, die im Januar dieses Jahres beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos präsentiert wurden. Die Zahlen und Erkenntnisse basierten auf dem renommierten Edelmann Trust Barometer, einer Umfrage unter mehr als 32.000 Menschen in 28 Ländern der Welt.
Das Ergebnis ernüchternd: Politikern, Medien, Managern und Nichtregierungsorganisationen wird laut dieser Befragungen immer weniger vertraut. Die Mehrheit der Menschen weltweit glaubt inzwischen, dass das aus diesen Säulen gebildete gesellschaftliche System nicht mehr funktioniert. Wie gefährlich ist diese Vertrauenskrise für unsere Demokratie? Frage an den Dresdner Politologen Hans Vorländer:
"Es setzt die Demokratie unter Stress, das muss man sagen. Es führt dazu, dass die Gesellschaft sich spaltet und dass die Demokratie an die Grenzen ihrer Belastbarkeit kommt."
Zahlreiche Meldungen über Anschläge auf Politikerbüros
Inzwischen häufen sich Meldungen über Anschläge auf Büros von Mandatsträgern aller Parteien. Besonders häufig trifft es Politiker der Linken und der AfD. Doch im Fokus stehen seit einiger Zeit auch renommierte Wissenschaftler und Journalisten. Im Internet und per E-Mail finden verbale Angriffe statt, nicht selten folgt Gewalt, zuletzt in Dresden, wo vor wenigen Tagen der Privatwagen eines bundesweit bekannten Politikprofessors in Flammen aufging.
Das Operative Abwehrzentrum der Sächsischen Polizei schließt einen politisch motivierten Hintergrund nicht aus und hat Ermittlungen aufgenommen. Im Netz kursiert derweil ein Bekennerbrief einer linksradikalen Antifa-Gruppierung, die sich der Tat bezichtigt. Doch ob dieses Bekenntnis echt ist, kann noch nicht mit Sicherheit gesagt werden.
Zeitnah wurde in Leipzig das Linxxnet-Abgeordneten-Büro der Linken mit scharfer Munition beschossen. Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung zeigte sich schockiert und setzte den Anschlag in einen Zusammenhang mit dem Erstarken der Pegida-Bewegung in Sachsen. Diese spielt zwar in Leipzig keine Rolle, dennoch habe sie, so Jung weiter, zu einer deutlichen Verschärfung der politischen Auseinandersetzung beigetragen und immer öfter würden Worten Taten folgen.
So auch in Dresden. Alljährlich am 13. Februar wird hier der offiziell rund 25.000 Toten gedacht, die das Kriegsbombardement und Flammeninferno von 1945 nicht überlebten. Ein Trauma, das viele Dresdner bis heute nicht verwunden haben. Doch am diesjährigen Gedenktag – 72 Jahre danach – waren die Gemüter besonders gereizt. Die Wut richtete sich gegen drei aufrecht gestellte Verkehrsbusse auf dem Neumarkt. Eine temporäre Mahnmalskulptur des Deutsch-Syrers Manaf Halbouni, welche auf die verheerende Lage im weitgehend zerstörten, syrischen Aleppo aufmerksam machen soll. Zahlreiche Dresdner lehnten das Monument ab und machten ihrer Wut schon bei der Einweihung wenige Tage zuvor Luft. Ein Großaufgebot von Polizei hatte Position bezogen:
- "Warum denn gerade Dresden? Und ich kann Ihnen sagen, warum, gerade Dresden und ich kann Ihnen sagen warum, hier, weil es heißt, da geht es aber los, da kommen die Wutbürgern!"
- "Aber das ist doch eine Schande für Dresden!"
- "Warum stellen die denn das hierher?"
- "Aber das ist doch eine Schande für Dresden!"
- "Warum stellen die denn das hierher?"
Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert hatte bei der Einweihung in seinem Grußwort darauf hingewiesen, dass die Zerstörung der Stadt eine Vorgeschichte hatte. Und dass es sich 1945 nicht - wie in der jahrzehntelangen Gedenkkultur gepflegt - um eine unschuldige Stadt gehandelt habe.
Seine Argumentation hatte ihm Morddrohungen via Facebook eingetragen. Das Mahnmal ist zwar inzwischen wieder abgebaut und wird in Berlin in einiger Zeit vor dem Gorki-Theater in einer neuen Installation zu sehen sein. Das Dresdner Stadtoberhaupt steht indessen unter Polizeischutz. Auch das wurde heftig und durchaus kontrovers diskutiert am Abend des Gedenkens auf dem Dresdner Neumarkt:
- "Wer hat denn eine Morddrohung herausgegeben? Wer? Sie glauben immer noch an den Weihnachtsmann."
- "Ich frage Sie doch nur etwas, geben Sie mir doch einfach eine Antwort!"
- "Ich habe Sie gefragt, wann ist denn die Morddrohung eingegangen und von wem?"
- "Die Morddrohung stand bei Facebook und ist eine halbe Stunde später gelöscht worden. Das ist eine Person, und da wird rum ... Wissen Sie, wie viele Morddrohungen eine Festerling bekommt und eine Petry? Die stellt sich auch nicht hin und jammert rum. Eine Frau von Storch steht unter Polizeischutz, weil sie nur Morddrohungen kriegt. Bitte beide Seiten berichten!"
- "Ich frage Sie doch nur etwas, geben Sie mir doch einfach eine Antwort!"
- "Ich habe Sie gefragt, wann ist denn die Morddrohung eingegangen und von wem?"
- "Die Morddrohung stand bei Facebook und ist eine halbe Stunde später gelöscht worden. Das ist eine Person, und da wird rum ... Wissen Sie, wie viele Morddrohungen eine Festerling bekommt und eine Petry? Die stellt sich auch nicht hin und jammert rum. Eine Frau von Storch steht unter Polizeischutz, weil sie nur Morddrohungen kriegt. Bitte beide Seiten berichten!"
Politiker aller Parteien müssen sich einen immer raueren Umgangston gefallen lassen. Das haben nicht zuletzt die hässlichen Szenen aus Dresden zum letzten Jahrestag der Deutschen Einheit im Oktober 2016 gezeigt. Das aufgeheizte politische Klima im Freistaat Sachsen entlädt sich längst nicht mehr nur in beleidigenden E-Mails und Facebook-Einträgen.
Starke Zunahme an Übergriffen in Sachsen
Das Operative Abwehrzentrum der sächsischen Polizei hat unlängst die neuesten Zahlen für 2016 vorgelegt. Danach wurden im vergangenen Jahr so viele Ermittlungen gegen Extremisten eingeleitet, wie nie zuvor. Bis Ende November letzten Jahres wurden demzufolge 493 Verfahren gegen 738 Beschuldigte eröffnet. Das war gut ein Drittel mehr als im Jahr zuvor und die Zahl der Ermittlungen erreichte zugleich zum dritten Mal in Folge einen neuen Höchststand.
Der größte Teil der Angriffe auf Mandatsträger und deren Büros hatte einen rechtsextremistischen Hintergrund. Die Zahl der linksradikalen Straftaten in Sachsen lag 2016 zwar weit darunter, verzeichnete aber mit einer Steigerungsrate von 34 auf 68 den höchsten Zuwachs.
Die Angriffe von Rechts- und Linksextremisten seien in den vergangenen Jahren immer brutaler geworden, heißt es auch aus Kreisen des Sächsischen Innenministeriums. Was das bedeutet, erleben zunehmend Abgeordnete aller Parteien, CDU, SPD, Linken, Grünen und der AfD, in ihren Bürgerbüros.
Chemnitz, die drittgrößte Stadt in Sachsen. Es ist ein strahlend schöner Wintertag und Susanne Schaper steht vor ihrem ehemaligen Bürgerbüro in der Zietenstraße. Es ist lichtdurchflutet, aber komplett leer geräumt. Ein typisches Ladengeschäft in einem stattlichen Eckhaus im Chemnitzer Stadtteil Sonnenberg. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, dass mehrere der großen Schaufensterscheiben beschädigt sind. An der Fassade oberhalb der Fenster kleben dunkle Farbflecke mit langen Spritzern.
- "Wir stehen jetzt hier vor der Fassade, eine eingeschlagene Scheibe sehen wir hier. Das ist jetzt der letzte Angriff gewesen?"
- "Nee, das war der vorletzte. Der letzte Angriff ist hier um die Ecke, da sehen sie den Scheibeneinwurf, da ist die Scheibe nicht ganz durchgegangen. Und es war so ein 1,80 Meter Durchschnitt großes Hakenkreuz quasi über meine Beschriftung hier gemalt."
Susanne Schaper, Jahrgang 1978, ist gelernte Krankenschwester. Seit 2009 macht sie für die Linke als Fraktionschefin im Stadtrat Politik, seit der letzten Landtagswahl 2014 hat sie zudem einen Sitz im Landesparlament. Dort ist sie zuständig für die Sozial- und Gesundheitspolitik sowie den Tierschutz.
Leidenschaftlich tritt die 38-jährige, zierliche Frau mit langen blonden Haaren ein für Frieden und gegen rechtsextremistische Umtriebe. Ihr Engagement ist in der Stadt bekannt und findet nicht nur Beifall:
"In den 17 Monaten hatte ich mehr als 20 Anschläge auf mein Büro, wovon ich aber nicht alles angezeigt habe. Das reichte von toten Tieren über Hundefäkalien bis Scheibeneinschlagen. Mein Konterfei wurde ersetzt durch die Überschrift "Zecken", dann wurden mit Christbaumkugeln, die gefüllt waren mit einer Lackfarbe, die Sie hier sehen, die ganze Fassade und das Büro beworfen. Also es war einfach ein unerträglicher Zustand. Hinzu kamen natürlich noch E-Mails und Pöbeleien."
Der Versuch eines "national befreiten" Stadtteils
Für sie sei die Grenze zum Rechtsterrorismus längst überschritten, sagt Schaper, und lässt erkennen, dass sie sich nicht ausreichend geschützt fühlt. Genützt haben ihre Anzeigen bei der Polizei wenig, die Verfahren wurden eingestellt, Bekennerbriefe gab es nicht, wohl aber Jubelbekundungen im Netz auf den einschlägigen Seiten der rechtsgerichteten Szene in den sozialen Netzwerken. Bei einem Spaziergang durch das Viertel zeigt die Politikerin immer wieder auf einschlägig bekannte, verbotene Graffiti an sanierten Häuserwänden:
"Hier sehen Sie einen Schriftzug, der mittlerweile durchgestrichen ist, aber noch nicht weg, "NS und ein Herz". Das soll also heißen "I love Nationalsozialismus". Der ganze Sonneberg wurde mit solchen Schriftzügen überzogen, unter anderem auch "NS-Zone", also sollte die "national befreite Zone" darstellen. Das heißt, diese Gruppe, die sich hier etabliert hat, versucht wie ein reutiger Hund ihr Revier zu markieren."
Susanne Schaper will sich nicht einschüchtern lassen, dennoch musste sie das Büro in der Zietenstraße räumen. Der Vermieter hat gekündigt, aus Sorge um sein Haus und die Sicherheit der anderen Mieter. Die Suche nach neuen Räumen in ihrem Viertel gestaltet sich schwierig.
Zeit für einen Besuch beim Chemnitzer Ordnungsbürgermeister Miko Runkel. Der Weg in sein helles und großzügiges, moderne Büro führt durch mehrere gesicherte Türen, die sich nur via Gegensprechanlage für den angemeldeten Besucher öffnen. Der parteilose Bürgermeister für Recht, Sicherheit und Ordnung in Chemnitz weiß um die Brisanz der aktuellen Entwicklung. Erst Anfang November gab es einen Sprengstoffanschlag auf ein alternatives Kulturzentrum mit Szenelokal im Kiez, das zum Tatzeitpunkt ein Stück über die NSU-Morde im Programm hatte.
"Wir wissen, dass der Sonnenberg schon immer etwas problembehaftet war, schon Schwierigkeiten hat mit der rechten Szene. Wir haben das Thema auf dem Schirm und versuchen, etwas dagegen zu tun. Das Thema gibt es unterschwellig schon längere Zeit und ist natürlich im Laufe dieses Jahres schon etwas eskaliert."
Und die Bürger im Kiez? Was sagen Sie zu dem offensichtlichen Bestreben der rechtsgerichteten Neo-Nazis, durch Einschüchterung die soziale Kontrolle über den Sonnenberg zu erhalten? Wie bewerten sie die Anschläge auf das Bürgerbüro der Linken-Politikerin Schaper?
- "Ich finde es nicht in Ordnung, aber ich kümmere mich da auch gar nicht so drum. Ich fahre früh morgens hier weg und komme dann irgendwann wieder."
- "Aber empört Sie das?"
- "Ja, na sicher, es empört mich schon. Ich meine, Linke hin, Linke her, na ja, aber das sind alles Menschen."
- "Das gehört sich einfach nicht, egal, ob da ein Politiker wohnt, ein Arzt oder Müllwagenfahrer, das sollte man nicht machen, ich finde, das hat keiner verdient."
- "Ja, also ich will mich da nicht weiter dazu äußern."
- "Warum, nicht? Also als Bürger hat man doch auch eine Meinung?"
- "Ja, aber ... Sie wissen ja, das war falsch gewählt, hier auf dem Sonnenberg, der Sonnenberg ist ziemlich rechts angehaucht."
- "Ja, na sicher, es empört mich schon. Ich meine, Linke hin, Linke her, na ja, aber das sind alles Menschen."
- "Das gehört sich einfach nicht, egal, ob da ein Politiker wohnt, ein Arzt oder Müllwagenfahrer, das sollte man nicht machen, ich finde, das hat keiner verdient."
- "Ja, also ich will mich da nicht weiter dazu äußern."
- "Warum, nicht? Also als Bürger hat man doch auch eine Meinung?"
- "Ja, aber ... Sie wissen ja, das war falsch gewählt, hier auf dem Sonnenberg, der Sonnenberg ist ziemlich rechts angehaucht."
Hat Susanne Schaper schon einmal darüber nachgedacht, aufzugeben und das Handtuch zu werfen? Nein, sagt sie und schüttelt entschieden den Kopf. Sie will nicht weichen, doch so unbeschwert wie früher ist sie längst nicht mehr:
"Ja, das arbeitet schon an einem und man muss sich im Prinzip immer wieder aufs Neue sagen, dass man Haltung zeigen muss!"