Dirk Müller: In zwei Monaten beginnt die Arbeit ganz offiziell. Am 20. Januar wird Donald Trump zum nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten vereidigt. Die Arbeit hat aber schon längst begonnen: Die Regierungsmannschaft muss zusammengestellt werden. Zahlreiche Personalien haben denn auch schon für heftige Kontroversen geführt. Bei den inhaltlichen Entscheidungen will der künftige Mann im Weißen Haus offenbar jetzt schon Druck machen. Die ersten Vorgaben sind da. Dazu gehört beispielsweise, die Öl- und Kohleindustrie offensiver fördern, also alle Restriktionen abschaffen, und das Handelsabkommen TPP - das ist das Freihandelsabkommen mit den pazifischen und lateinamerikanischen Staaten - streichen. Der amerikanische Politikwissenschaftler Andrew Denison ist jetzt unser Gesprächspartner von "Transatlantic Networks". Er ist bekennender Demokrat. Guten Tag.
Andrew Denison: Guten Tag.
Müller: Herr Denison, hält Donald Trump, was er verspricht?
Denison: Hält Donald Trump, was er verspricht? - Also bisher nicht. Allerdings im Weißen Haus tut man, was man muss. Im Wahlkampf kann man sagen, was man will.
Müller: Aber diese ersten beiden Ankündigungen, die er jetzt per Video gemacht hat, sind ja relativ konkret. Ich meine, mehr kann er noch nicht machen; in zwei Monaten fängt er erst offiziell an. Umweltauflagen zu streichen, das Handelsabkommen auszusetzen beziehungsweise zu kündigen, sind zwei konkrete Schritte. Ist das nicht ein guter Aufschlag für ihn?
Denison: Ja, ein guter Aufschlag. Er muss seiner Basis treu sein und doch einen Wunsch, der weit verbreitet ist in Amerika, erkennen, nämlich Zusammenarbeit mit Andersdenkenden und Mäßigung in der Durchführung mancher Wahlversprechen. Und dieses Video - er hat gesagt, er würde einen Vertrag kündigen, der noch nicht mal durch den Kongress ist. Er hat aber vieles nicht gesagt, über die Deportierung von Ausländern oder über die Akzeptanz von den Einwanderern, die schon dort leben. Einiges hat er nicht gesagt, auch die Zerstörung von Obamas Gesundheitsreform hat er nicht erwähnt.
"Donald Trump hat eine Erblast"
Müller: Hat er jetzt nicht erwähnt, hat er in den vergangenen Tagen aber. Wenn wir das richtig verstanden haben, will er nicht alle Teile der Obama Care, der Gesundheitsreform in den USA abschaffen, einige Teile durchaus belassen. Und er hat ja auch schon darüber geredet, dass er zwei bis drei Millionen illegale Immigranten auch wieder abschieben will. Aber Sie verlangen schon viel mehr von ihm in den ersten Wochen?
Denison: Nein. Ich finde, das ist schon in Ordnung. Natürlich: Donald Trump hat eine Erblast, was er gesagt hat in all den Jahren, und er ist oft sehr hart gegen Einwanderer gewesen, gegen Farbige und gegen Kriminalität als solches. Und auch seine Toleranz für bestimmte rechtsradikale Organisationen, das wird mit ihm gehen. Nichts desto trotz: Er ist jetzt gewählt und man muss schauen, wo man mit ihm zusammenarbeiten kann. Gleichzeitig, wo es nötig ist, wird man ihm widerstehen. Alle untergehen einer Gewissensprüfung, die, die gegen ihn waren. Aber selbst die, die für ihn waren, waren nicht für alles, was er gesagt hat, und jetzt besteht die Frage, inwieweit kann er, wird er seinen alten Aussagen treu sein, inwieweit wird er, was er jetzt sagt, Präsident von allen Amerikanern sein möchten.
Müller: Aber das hat bisher jeder Präsident versprochen. Auch Hillary Clinton hatte das versprochen und ohnehin sehr viele Versprechungen gemacht. Gehalten wird meistens ja immer relativ wenig.
Denison: Ja. Barack Obama sprach vom Schließen Guantanamo Bays. Auch ein anderer Punkt, wo Präsident Barack Obama am Anfang anders war, ist der Umgang mit Wladimir Putin, wo er sagte, dieser Mann ist pragmatisch, nicht ideologisch, ich kann mit ihm zusammenarbeiten. Hillary Clinton redete von einem Reset mit einem großen Knopf. Und wenn wir weiter zurückdenken: Auch George W. Bush sagte, ich habe in Putins Augen geschaut und da habe ich einen ehrlichen Mann gesehen. Man versucht immer wieder, festgefahrene Beziehungen und auch politische Projekte allerlei neu zu starten, und hier werden wir, denke ich, sehen, dass Realität doch nicht zu übersehen ist, auch wenn man Präsident Amerikas ist.
"In Syrien und in der Ukraine können Fortschritte erreicht werden"
Müller: Darüber wird ja viel diskutiert, über das amerikanisch-russische Verhältnis in Zeiten von Donald Trump. Da wissen wir in einigen Monaten mehr. Aber könnte das wirklich sein, dass ausgerechnet Donald Trump in der Lage wäre, das Eis ein bisschen zu brechen, weil er ganz anders da herangeht, weil er viel pragmatischer, vielleicht auch machiavellistischer da herangeht und das gar nicht so sehr interessiert, was alles passiert ist. Er sagt, hier ist jetzt wirklich Neuanfang, hier ist jetzt wirklich ein Reset. Könnte das passieren?
Denison: Ja. Wenn man über Trump und die Zukunft denkt, dann sind verschiedene Szenarien immer zu überlegen. Das, was man hofft, wo kann man gemeinsame Interessen mit einem wie Trump finden, der Versuch, auf einer Seite russische Aggressionen gegenüber Nachbarstaaten oder Syrien einzugrenzen, auf der anderen Seite aber Russland einen Weg bieten, ohne Gesicht zu verlieren ein bisschen zurückzustehen. Die Beziehungen sind festgefahren. Wenn Donald Trump neben Putin steht, ob im Kreml oder im Weißen Haus, und die einen Deal machen können, wo Trump sagen kann, ich habe für Amerika gewonnen, und Putin das auch sagen kann, dann ist es vielleicht auch möglich, dass Fortschritte in Syrien und in der Ukraine erreicht werden können. Aber er wird auch schnell enttäuscht. Und vor allem seine Videobotschaft, das ist auch sehr wichtig, Herr Müller. Er hat gesagt, das Einzige und die wichtigste Bedrohung ist Cyber, Cyberangriffe gegen die amerikanische Infrastruktur. Dagegen wird er kämpfen und das ist eine Andeutung, was Russland gemacht hat.
Müller: Ein indirekter Vorwurf in Richtung Kreml, nicht klar und explizit formuliert?
Denison: Genau. Aber wir wissen ja, die Beziehungen mit Russland sind kompliziert und für Deutschland ganz besonders wichtig. Ich denke, Deutschland muss sich auch damit befassen, dass Russland wie in Amerika oder russische Hacker, wie sie Amerika angegriffen haben, auch Deutschland im Wahlkampf angreifen werden. Und man kann hoffen, bis dann hat Trump die Realität gesehen und dass er die Cyber-Bedrohung ernst nimmt.
Müller: Jetzt haben Sie ein bisschen schon die außenpolitischen Optionen skizziert, gerade mit Blick auf den Kreml, mit Blick auf Moskau. Ich hatte das in der Vorstellung von Ihnen ja noch einmal gesagt, was ich seit Monaten tue: Sie sind bekennender Demokrat und Sie haben sich ja auch in der Wahlnacht festhalten müssen, um nicht vom Stuhl zu kippen, als Sie das Ergebnis dann wiederum haben kippen sehen gegen drei, vier Uhr, fünf Uhr morgens. Wird unter Donald Trump alles schlechter?
Denison: Festgefahrenes, wenn man das irgendwie lostreten kann, dann kann man Hoffnung haben. Drei Reaktionen sehe ich in Amerika. Erstens: Man sucht Einheit nach diesem sehr strittigen Wahlkampf, Einheit in der Vielfalt, Brücken bauen. Das ist ein Reflex aller Amerikaner. Zweitens: Man sagt, hey, wir brauchen doch Wandel. Die Vorteile von radikalem und zum Teil vorhersehbarem Wandel, die gewinnen jetzt und es gibt weniger Bedenkenträger. Aber das Letzte, was man immer auch wieder sieht: Es ist ein Land, wo Demokraten und Republikaner gleich stark sind. Und diese Leute, die gegen Trump gewählt haben, die verschwinden nicht. Es ist nur eine Frage, wie gehen sie mit diesem Phänomen um.
"Entweder frisst er Kreide, oder er schafft neue Möglichkeiten"
Müller: Das heißt, Sie haben sich ein bisschen beruhigt?
Denison: Nach Erschütterung, nach Schock, Übelkeit, Akzeptanz, Neugier, und ja, ich bin auch Amerikaner. Mal gucken! Entweder frisst er Kreide, oder er schafft wirklich neue Möglichkeiten für seine Wählerschaft, unausgebildete weiße Männer, die sehr frustriert sind. Und wenn die Möglichkeiten haben, dann werden die vielleicht nicht so radikal. Das ist ein bisschen ein Paradox. Aber ich denke, wenn die Globalisierungsverlierer mit einem Trump vorankommen können, ohne dass man die Einwanderer vollständig ausschließt, das ist eine Vision von einer Trump-Präsidentschaft, wo ich mich anschließen könnte.
Müller: Der amerikanische Politikwissenschaftler Andrew Denison heute Mittag bei uns im Deutschlandfunk. Danke für das Gespräch, Ihnen noch einen schönen Tag.
Denison: Ja, Herr Müller.