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Politikwissenschaftler fordert Deutschland zu mehr konstruktiver Kritik an Russland auf

Auch aus Sicht von Vladislav Belov vom Zentrum für Deutschlandforschungen am Europa-Institut der Akademie der Wissenschaften sollten mehr frische Kräfte aus der Zivilgesellschaft am Petersburger Dialog teilnehmen. Gleichwohl müsse sich die Art der Kritik ändern: mehr Inhalt, weniger formelle Kritik.

Vladislav Belov im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Jasper Barenberg: Mitgehört hat Vladislav Belov vom "Zentrum für Deutschlandforschungen am Europa-Institut der Akademie der Wissenschaften". Schönen guten Morgen, Herr Belov.

    Vladislav Belov: Guten Morgen.

    Barenberg: Russland als Partner ernst nehmen, hat gerade Markus Meckel gesagt. Trifft das auf die Regierungskonsultationen, trifft das auf den Petersburger Dialog zu aus Ihrer Sicht?

    Belov: Wenn ich die Frage richtig verstanden haben, Petersburger Dialog und Konsultationen und unsere Beziehungen. Also ich bin schon mit Herrn Meckel einverstanden, der Petersburger Dialog braucht eine Erneuerung, wobei er Renovierung gesagt hat, und aus meiner Sicht das sollte dann auch weiterentwickelt werden. Ich habe noch vor ein paar Jahren den Petersburger Dialog kritisiert und aus meiner Sicht sollten da auch mehr frische Kräfte kommen von der zivilen Gesellschaft. Und mit dieser Aussage, dass man sich von Demokratie jetzt entfernt oder noch weiter von Demokratie wegkommt, bin ich einverstanden, weil es gibt eine Demokratie in der zivilen Gesellschaft, und die entwickelt sich und die entwickelt sich in alle Richtungen. Die Russen werden immer selbstbewusster, abgesehen davon, dass die Duma-Wahlen und Abgeordnetenhaus-Wahlen dann auch ganz anders gestaltet sind. Die Köpfe kann man auch nicht so beeinflussen und da hätte ich mir auch gerne gewünscht, dass beim Petersburger Dialog diese zivile Gesellschaft zu Wort kommt.

    Barenberg: Warum, Herr Belov, passiert das nicht? Warum ist das bisher nicht passiert?

    Belov: Subkow versucht das schon zu machen. In diesem Jahr bin ich nicht beim Petersburger Dialog, ich nehme am deutsch-russischen Seminar in München teil, sozusagen bringe dann unsere Zusammenarbeit weiter. Aber bei den Vorbereitungen habe ich gesehen, dass die Herrschaften versuchen, das zu machen, Step by Step. So schnell kann sich das vielleicht auch nicht entwickeln, die Organisation ist bürokratisch genug und da können wir hier auch keine revolutionären Änderungen machen. Aber das entwickelt sich und ich wünsche mir, dass in diesen zwei Tagen auch mehr Informationen über die Sitzungen kommen. Was ich jetzt in der Presse sehe, da ist kaum was anzutreffen oder zu sehen, und das ist auch dann ein Nachteil auf beiden Seiten, in deutschen Massenmedien und auch dann in russischen Massenmedien. Wir wissen nicht, worüber Herr Rahr mit seinen jungen Leuten in seiner Zukunftswerkstatt gesprochen hat, worüber Herr Chudolej in der politischen Sektion gesprochen hat, da steht dann auch nichts über die Energiepolitik.

    Barenberg: Herr Belov, verzeihen Sie, dass ich Sie unterbreche. Vielleicht liegt das ja daran, Herr Belov, dass es eben nicht ehrlich genug ist, dass es nicht kontrovers genug ist, dass beispielsweise nicht angesprochen wird die Defizite von deutscher Seite oder die Vorbehalte, die man in Russland spürt gegenüber Russland?

    Belov: Das glaube ich nicht. Das hat schon auch die Kritik an Herrn Putin bei dem Quadriga-Preis ja gezeigt. Es gibt die Tabus nicht und die werden dann auch beim Petersburger Dialog besprochen, und ich glaube, dass auch dann Frau Merkel in ihrer Rede oder beim Abendessen, bei den heutigen Gesprächen alle diese Tabus bespricht. Ich glaube, die Funktion des Petersburger Dialogs ist, nicht nur in Sektionen zu sitzen, sondern auch Gesellschaften zur Diskussion zu bringen, und das fehlt eigentlich, weil auch die Kritik, die an Putin angesprochen worden war, das war eine oberflächliche Kritik. Da könnte man sagen, was die Politiker sagen werden. Aber man muss wirklich in die Hintergründe gucken, man sollte dann auch eine konstruktive Kritik ansprechen, was, wie, wo et cetera, und das findet nicht statt. Das stört mich! Da sollte man auch richtig vonseiten des Petersburger Dialogs in die öffentliche Diskussion gehen, und ich vermute, die deutschen Massenmedien oder die deutschen gesellschaftspolitischen Kreise wären für diese offene Diskussion nicht bereit, weil es steht nur eine formelle Kritik und dahinter stecken keine Inhalte. Sie sagen auch, weg von der Demokratie, aber da sollte man genau sehen, wo und wie das dann auch an der oberen Ebene passiert, auf der regionalen Ebene, auf der Kreisebene und dann, wie ich gesagt habe, in den Köpfen von Russen, die dann auch die Träger von dieser Demokratie sind.

    Barenberg: ... , sagt Vladislav Belov vom "Zentrum für Deutschlandforschungen am Europainstitut der Akademie der Wissenschaften". Herr Belov, vielen Dank für das Gespräch.

    Belov: Ja, vielen Dank!

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