Dirk Müller: Klaus Wiesehügel ist mit dabei, Thomas Oppermann ist auch mit dabei, ebenfalls die Design-Professorin Gesche Joost. Das ist vielleicht die einzige Überraschung, bislang jedenfalls. Drei Gesichter für das Schattenkabinett des SPD-Kanzlerkandidaten, oder auch Kompetenzteam, wie es Peer Steinbrück selbst nennt. Mein Kollege Tobias Armbrüster hat darüber mit Professor Uwe Jun, Politikwissenschaftler an der Universität in Trier, gesprochen.
Tobias Armbrüster: Herr Jun, Oppermann, Wiesehügel und eine relativ unbekannte Design-Forscherin – sind das die Leute, mit denen man in Deutschland Bundeskanzler wird?
Uwe Jun: Es wird nicht leicht werden, auch mit dieser Benennung für Peer Steinbrück, Bundeskanzler zu werden. Er hat eine überraschende Benennung für viele benannt, obwohl es in der Tradition der SPD liegt, einen Gewerkschafter für Arbeit und Soziales verantwortlich zu machen. Er hat mit Thomas Oppermann einen bekannten renommierten SPD-Politiker gewählt und eine unbekannte Frau, jedenfalls der Öffentlichkeit unbekannte Frau, die offenkundig in andere Wählerkreise vorstoßen soll als die, die bisher für die SPD standen.
Armbrüster: Dann ist es für Sie eine gute Wahl?
Jun: Ich würde sagen, es ist eine Wahl, die für mich überraschend kommt, aber insgesamt doch zeigt, dass Peer Steinbrück angreifen will, zusammen mit der SPD auf verschiedenen Fronten. Es geht darum, die Wähler der Linken, es geht darum, die Wähler der Piraten für sich möglicherweise einnehmen zu können. Und es geht darum, die Vielfältigkeit der SPD aufzuzeigen.
Armbrüster: Was ist denn für Sie das Überraschende?
Jun: Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die SPD dann doch zu dieser alten Tradition zurückkehrt und einen traditionellen Gewerkschafter für Arbeit und Soziales benennt, denn Gerhard Schröder hatte sich ja da was anderes überlegt in der Vergangenheit. Und auch schon 1998, als Schröder und Lafontaine noch zusammen die SPD führten, hatte man sich da für eine Lösung entschieden, indem man eher einen moderateren Gewerkschafter für dieses Amt vorsah.
Armbrüster: Aber sehen wir da nicht genau die Parallelen, wenn Sie sagen, Lafontaine und Schröder. Jetzt haben wir in diesem Team einen Klaus Wiesehügel, einen ausgesprochenen Agenda-2010-Kritiker. Und Thomas Oppermann, einen Befürworter? Holt sich Steinbrück da nicht sozusagen den Streit gleich ins eigene Team?
Jun: Ich glaube, Streit wird man jetzt im Wahlkampf nicht hören. Wiesehügel hat ja auch schon gleich moderate Töne angeschlagen, indem er nun die Agenda relativiert hat und ja gesagt hat, dass seine Kritik nicht so stark ausgefallen wäre, hätte Schröder gleich den Mindestlohn damals vorgeschlagen, der ja jetzt von der SPD implementiert werden soll, wenn man denn in die Regierungsverantwortung kommt. Also ich denke, ein großes kontroverses Thema wird man jetzt nicht aufmachen wollen. Das wäre auch kontraproduktiv. Das kann vielleicht dann nach der Wahl wieder kommen, aber jetzt zunächst werden wir versuchen, versöhnlichere Töne von allen Seiten zu bekommen.
Armbrüster: Können diese Personen, die wir da heute kennengelernt haben auf dieser Pressekonferenz, können die denn in irgendeiner Form auch die Schwäche des Kandidaten Peer Steinbrück übertünchen?
Jun: Ich glaube, darum geht es nicht. Es geht darum, jetzt die Vielfältigkeit der SPD zu zeigen, mit welchen verschiedenen Personen und mit welchen verschiedenen Themen und Ansätzen und Perspektiven man dasteht. Ablenken vom Kanzlerkandidaten kann, glaube ich, niemand, dazu ist der Kanzlerkandidat zu sehr im Vordergrund einer Kampagne. Die anderen stehen dann doch mehr im Hintergrund, sodass diese Funktion der Ablenkung aus meiner Sicht entfällt.
Armbrüster: Wie hilfreich ist das denn, Herr Jun, eine bis dahin völlig unbekannte Frau in so ein Team zu holen?
Jun: Nun, sie ist ein unbeschriebenes Blatt, was ja auch Vorteile mit sich bringt. Das heißt, keiner ordnet sie in irgendeine Schublade ein. Gleichzeitig wirkt sie noch dadurch, dass sie auch noch jung und internetaffin ist, für bestimmte Wählergruppen möglicherweise attraktiv. Jedenfalls lenkt sie das Interesse dieser Wählergruppen auf die SPD. Ob das am Ende von Erfolg gekrönt sein wird, mag dahingestellt sein. Aber auf jeden Fall macht es das Team interessanter, denn Neues erweckt ja immer Aufmerksamkeit.
Armbrüster: Aber kann so eine 38-jährige Professorin wirklich sozusagen Neugier wecken bei den wirklich Jungen, bei Frauen und bei der Generation Facebook?
Jun: Wenn man sich ihre Positionen anguckt, so kann man sich das schon vorstellen. Dann ist sie ja auch – und das macht sie ja dann auch attraktiv – kein Politprofi. Sie wirkt eben auch noch recht unverkrampft. Und das macht ja auf den ersten Blick für diejenigen, die auch nicht unbedingt politikinteressiert sind, erst mal einen sympathischen Eindruck.
Armbrüster: Aber sind solche Quereinsteiger in Wahlkämpfen nicht eigentlich regelmäßig gescheitert in Deutschland?
Jun: Insbesondere im Wirtschaftsressort, da ist das richtig, aber auch bei Finanzen. Nun ist sie schon ein bisschen erfahrener, insofern, dass sie ja sich mit Peer Steinbrück schon seit einigen Jahren beschäftigt und sich mit ihm längere Zeit unterhalten kann. Klar: Es gehört jetzt dazu, dass man bestimmte Fettnäpfchen – so würde ich das mal benennen – meidet. Da gilt es, ihr bestimmte Ratschläge zu geben, aber das wird die SPD doch bedacht haben, denke ich mal.
Armbrüster: Wie muss sich die SPD denn aufstellen in Sachen Netzpolitik?
Jun: Ich denke, so, wie es nun seit einiger Zeit ja schon zu konstatieren ist. Die Partei versucht, sich offen gegenüber den Positionen, die etwa Grüne und Piraten angenommen haben, zu zeigen, versucht aber auch gleichzeitig, dass digitale Sicherheit ein zentrales Thema ist, was auch die innere Sicherheit berührt. Und deswegen nicht so weitgehende Positionen einnimmt, wie wir sie etwa von den Grünen kennen.
Müller: Mein Kollege Tobias Armbrüster im Gespräch mit dem Trierer Politikwissenschaftler Professor Uwe Jun.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Tobias Armbrüster: Herr Jun, Oppermann, Wiesehügel und eine relativ unbekannte Design-Forscherin – sind das die Leute, mit denen man in Deutschland Bundeskanzler wird?
Uwe Jun: Es wird nicht leicht werden, auch mit dieser Benennung für Peer Steinbrück, Bundeskanzler zu werden. Er hat eine überraschende Benennung für viele benannt, obwohl es in der Tradition der SPD liegt, einen Gewerkschafter für Arbeit und Soziales verantwortlich zu machen. Er hat mit Thomas Oppermann einen bekannten renommierten SPD-Politiker gewählt und eine unbekannte Frau, jedenfalls der Öffentlichkeit unbekannte Frau, die offenkundig in andere Wählerkreise vorstoßen soll als die, die bisher für die SPD standen.
Armbrüster: Dann ist es für Sie eine gute Wahl?
Jun: Ich würde sagen, es ist eine Wahl, die für mich überraschend kommt, aber insgesamt doch zeigt, dass Peer Steinbrück angreifen will, zusammen mit der SPD auf verschiedenen Fronten. Es geht darum, die Wähler der Linken, es geht darum, die Wähler der Piraten für sich möglicherweise einnehmen zu können. Und es geht darum, die Vielfältigkeit der SPD aufzuzeigen.
Armbrüster: Was ist denn für Sie das Überraschende?
Jun: Ich hatte nicht damit gerechnet, dass die SPD dann doch zu dieser alten Tradition zurückkehrt und einen traditionellen Gewerkschafter für Arbeit und Soziales benennt, denn Gerhard Schröder hatte sich ja da was anderes überlegt in der Vergangenheit. Und auch schon 1998, als Schröder und Lafontaine noch zusammen die SPD führten, hatte man sich da für eine Lösung entschieden, indem man eher einen moderateren Gewerkschafter für dieses Amt vorsah.
Armbrüster: Aber sehen wir da nicht genau die Parallelen, wenn Sie sagen, Lafontaine und Schröder. Jetzt haben wir in diesem Team einen Klaus Wiesehügel, einen ausgesprochenen Agenda-2010-Kritiker. Und Thomas Oppermann, einen Befürworter? Holt sich Steinbrück da nicht sozusagen den Streit gleich ins eigene Team?
Jun: Ich glaube, Streit wird man jetzt im Wahlkampf nicht hören. Wiesehügel hat ja auch schon gleich moderate Töne angeschlagen, indem er nun die Agenda relativiert hat und ja gesagt hat, dass seine Kritik nicht so stark ausgefallen wäre, hätte Schröder gleich den Mindestlohn damals vorgeschlagen, der ja jetzt von der SPD implementiert werden soll, wenn man denn in die Regierungsverantwortung kommt. Also ich denke, ein großes kontroverses Thema wird man jetzt nicht aufmachen wollen. Das wäre auch kontraproduktiv. Das kann vielleicht dann nach der Wahl wieder kommen, aber jetzt zunächst werden wir versuchen, versöhnlichere Töne von allen Seiten zu bekommen.
Armbrüster: Können diese Personen, die wir da heute kennengelernt haben auf dieser Pressekonferenz, können die denn in irgendeiner Form auch die Schwäche des Kandidaten Peer Steinbrück übertünchen?
Jun: Ich glaube, darum geht es nicht. Es geht darum, jetzt die Vielfältigkeit der SPD zu zeigen, mit welchen verschiedenen Personen und mit welchen verschiedenen Themen und Ansätzen und Perspektiven man dasteht. Ablenken vom Kanzlerkandidaten kann, glaube ich, niemand, dazu ist der Kanzlerkandidat zu sehr im Vordergrund einer Kampagne. Die anderen stehen dann doch mehr im Hintergrund, sodass diese Funktion der Ablenkung aus meiner Sicht entfällt.
Armbrüster: Wie hilfreich ist das denn, Herr Jun, eine bis dahin völlig unbekannte Frau in so ein Team zu holen?
Jun: Nun, sie ist ein unbeschriebenes Blatt, was ja auch Vorteile mit sich bringt. Das heißt, keiner ordnet sie in irgendeine Schublade ein. Gleichzeitig wirkt sie noch dadurch, dass sie auch noch jung und internetaffin ist, für bestimmte Wählergruppen möglicherweise attraktiv. Jedenfalls lenkt sie das Interesse dieser Wählergruppen auf die SPD. Ob das am Ende von Erfolg gekrönt sein wird, mag dahingestellt sein. Aber auf jeden Fall macht es das Team interessanter, denn Neues erweckt ja immer Aufmerksamkeit.
Armbrüster: Aber kann so eine 38-jährige Professorin wirklich sozusagen Neugier wecken bei den wirklich Jungen, bei Frauen und bei der Generation Facebook?
Jun: Wenn man sich ihre Positionen anguckt, so kann man sich das schon vorstellen. Dann ist sie ja auch – und das macht sie ja dann auch attraktiv – kein Politprofi. Sie wirkt eben auch noch recht unverkrampft. Und das macht ja auf den ersten Blick für diejenigen, die auch nicht unbedingt politikinteressiert sind, erst mal einen sympathischen Eindruck.
Armbrüster: Aber sind solche Quereinsteiger in Wahlkämpfen nicht eigentlich regelmäßig gescheitert in Deutschland?
Jun: Insbesondere im Wirtschaftsressort, da ist das richtig, aber auch bei Finanzen. Nun ist sie schon ein bisschen erfahrener, insofern, dass sie ja sich mit Peer Steinbrück schon seit einigen Jahren beschäftigt und sich mit ihm längere Zeit unterhalten kann. Klar: Es gehört jetzt dazu, dass man bestimmte Fettnäpfchen – so würde ich das mal benennen – meidet. Da gilt es, ihr bestimmte Ratschläge zu geben, aber das wird die SPD doch bedacht haben, denke ich mal.
Armbrüster: Wie muss sich die SPD denn aufstellen in Sachen Netzpolitik?
Jun: Ich denke, so, wie es nun seit einiger Zeit ja schon zu konstatieren ist. Die Partei versucht, sich offen gegenüber den Positionen, die etwa Grüne und Piraten angenommen haben, zu zeigen, versucht aber auch gleichzeitig, dass digitale Sicherheit ein zentrales Thema ist, was auch die innere Sicherheit berührt. Und deswegen nicht so weitgehende Positionen einnimmt, wie wir sie etwa von den Grünen kennen.
Müller: Mein Kollege Tobias Armbrüster im Gespräch mit dem Trierer Politikwissenschaftler Professor Uwe Jun.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.