Archiv

Politikwissenschaftler zum Brexit-Aufschub
Neuwahlen oder zweites Referendum sind noch möglich

Der Politikwissenschaftler Nicolai von Ondarza erwartet, dass die EU den Brexit-Aufschub gewähren wird. Gelinge es Boris Johnson noch, seinen Vertrag durchs Parlament zu bringen, werde es eine kurze Verlängerung geben - andernfalls aber mehr Zeit für Neuwahlen oder das zweite Referendum, sagte er im Dlf.

Nicolai von Ondarza im Gespräch mit Anja Reinhardt |
Demonstranten und Demonstrantinnen halten Transparente und Schilder
Tausende Brexit-Gegner demonstrierten gegen die Zustimmung des Deals (dpa/PA Wire/Andrew Matthews)
Neuwahlen oder ein zweites Referendum sind nach Auffassung von Nicolai von Ondarza von der Stiftung Wissenschaft und Politik noch möglich. Es komme darauf an, wie die EU mit dem Verlängerungsantrag von Boris Johnson umgehe, sagte er im Deutschlandfunk.
Niederlage für Johnson im Unterhaus
Großbritanniens Premierminister hatte bei der Europäischen Union eine Brexit-Verschiebung beantragt. Dazu ist er per Gesetz verpflichtet. EU-Ratspräsident Donald Tusk bestätigte am späten Samstagabend den Erhalt des Antrags auf Fristverlängerung. Er werde mit den Staats- und Regierungschefs der EU nun über das weitere Vorgehen beraten. Zuvor hatte Johnson im Unterhaus in London eine weitere Niederlage eingesteckt: Die Abgeordneten vertagten die Entscheidung zu seinem Brexit-Abkommen. Johnson beharrte darauf, sein Land zum 31. Oktober aus der EU zu führen.
Nicolai von Ondarza geht davon aus, "dass wir in der nächsten Woche ein paralleles Spiel bekommen werden": Auf der einen Seite werde Boris Johnson in London versuchen, doch noch seinen Brexit-Vertrag durch das Parlament zu bringen. Und die EU auf der anderen Seite warte die nächsten Tage in London ab, denn davon hänge ab, wie viel Zeit man Großbritannien gewähre.
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Könne Boris Johnson sich mit einer knappen Mehrheit in der kommenden Woche durchsetzen, dann werde die EU eher eine kurze Verlängerung gewähren - eine sogenannte technische Verlängerung, um die Ratifikation des Vertrags umzusetzen. Scheitere er aber wieder oder gebe es ganz neue Änderungsanträge, zum Beispiel für ein zweites Referendum oder für eine Zollunion, dann bräuchte man eben wesentlich sehr viel mehr Zeit.
Nicolai von Ondarza glaubt aber nicht, dass die EU den Verlängerungsantrag ablehnen wird: Denn das würde den No-Deal-Brexit zum 31. Oktober bedeuten und diese Verantwortung wolle in der EU trotz der kritischen Stimmen etwa in Frankreich keiner auf sich nehmen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.