Archiv

Politikwissenschaftler zur US-Wahl
"Trump hat im Grunde nur noch Außenseiterchancen“

Der Politikwissenschaftler Stefan Bierling, hält eine Wiederwahl von US-Präsident Donald Trump für unwahrscheinlich. Im Dlf sagte er, Corona habe Trumps Führungs- und Charakterschwächen nochmal ganz offensichtlich gemacht - und ihn zu einem schwer angeschlagenen Präsidenten. Er spiele nur noch eine Außenseiterrolle.

Stephan Bierling im Gespräch mit Stefan Heinlein |
US-Präsident Trump in Charlotte
US-Präsident Trump in Charlotte (AFP/POOL/Jessica Koscielniak)
Auf dem Parteitag der Republikaner ist US-Präsident Donald Trump nun auch offiziell als nächster Präsidentschaftskandidat der Partei vorgestellt worden. Seine Wahlkampfstrategie auf dem Parteitag scheint es vor allem zu sein, die Demokraten zu diffamieren. Außerdem versuche er den Wahlprozess zu diskreditieren, sagte der Politikwissenschaftler Stefan Bierling von der Universität Regensburg im Dlf.
Das Bild zeigt die amerikanische Flagge, Dossier zur US-Wahl 2020 
Bierling glaubt jedoch nicht, dass Trump mit dieser Strategie erfolgreich sein wird. Er erklärte, Trump liege seit Monaten in Umfragen hinter Biden und ohne Massenauftritte sei es für Trump sehr schwer, das Blatt noch einmal zu wenden.

Stefan Heinlein: "America first. Donald Trump im Weißen Haus. Eine Bilanz" – so der Titel Ihres Buches, das in dieser Woche erscheint. Herr Professor Bierling, eine Bilanz, das klingt so, als ob das politische Kapitel Donald Trump im Weißen Haus für Sie bereits beendet ist.
August 23, 2020, Washington, DC, United States: August 23, 2020 - Washington, DC, United States: Protester holding signs saying Louis DeJoy must resign'' and The Post Office: Delivering Our Democracy'' in front of the DC home of USPS Postmaster General Louis DeJoy. (Credit Image: © Michael Brochstein/ZUMA Wire |
Vorwürfe der Wahlbeeinflussung - Die Post und die US-Wahl
Der US-Post geht es schlecht. Kurz vor der Wahl ist nicht sicher, ob sie alle Briefstimmen rechtzeitig zustellen kann. Dabei könnten gerade die Briefwähler den Wahlausgang entscheiden. Was steckt dahinter?
Stephan Bierling: Nun, ganz sicher kann man natürlich nicht sein. Aber alle Umfragen sind mittlerweile seit Monaten sehr eindeutig. Donald Trump ist im Hintertreffen. Er liegt etwa sieben bis neun Prozentpunkte konstant und stabil hinter Joe Biden, und das ist zu viel eigentlich, um das Ruder noch mal herumreißen zu können. Deshalb hat er im Grunde nur noch Außenseiterchancen, die Präsidentschaft zu behalten.
"Die Stabilität des Vorsprungs von Joe Biden"
Heinlein: Was macht Sie so sicher, dass das Rennen tatsächlich schon gelaufen ist?
Bierling: Das eine ist gerade, was ich angesprochen habe: die Stabilität des Vorsprungs von Joe Biden. Wir müssen uns ja immer wieder vergegenwärtigen, dass Donald Trump vor vier Jahren nur mit 46 Prozent der Stimmen ins Weiße Haus eingezogen ist. Hillary Clinton hatte damals einen größeren Abstand als fast jede unterlegene Präsidentschaftskandidatin in der Geschichte. Das heißt, Trump hat im Grunde nicht es geschafft, in seiner ganzen Amtszeit seine Wählerbasis auszuweiten. Er steckt nach wie vor zwischen 40 und 45 Prozent.
Der zweite Grund ist, dass er auch in den entscheidenden Swing States, den Schlüsselstaaten, die dann im Wahlmännergremium den Ausschlag geben, deutlich hinter Joe Biden liegt. Auch hier sind die Abstände mittlerweile sehr stabil. Das heißt, so ein Überraschungssieg, wie er ihn vor vier Jahren aus dem Hut zaubern konnte, ist diesmal weniger wahrscheinlich.
Wahlkampf der US-Demokraten in The Villages, Florida, am 21. August 2020
US-Parteitag der Demokraten - "Die Botschaft kann nicht sein, Trump verhindern"
Es reiche nicht aus, Trump verhindern zu wollen, kritisiert Ralph Freund von den Republicans Overseas Deutschland den demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. Donald Trump dagegen habe eine klare Botschaft – er sei deshalb gespannt, in welche Richtung sich der Wahlkampf entwickeln werde.
"Ein Referendum über die Amtszeit des Präsidenten"
Heinlein: Warum fällt es Donald Trump diesmal so schwer, sein Motto "America first", diese Botschaft ein zweites Mal zu verkaufen? Welche Rolle spielt hier die Corona-Krise?
Bierling: Vor vier Jahren war er der Außenseiter. Niemand kannte ihn wirklich genau. Er hat ja noch nie ein Amt in Politik oder Wirtschaft innegehabt und da konnte man auch sagen, ja probieren wir doch mal was anderes, das ist jemand, der eine neue Kraft darstellt, wir wollen nicht mit den etablierten Demokraten jemand wieder ins Weiße Haus schicken, die gerade acht Jahre mit Obama den Präsidenten stellten. Jetzt ist es ein Referendum über die Amtszeit des Präsidenten. Das ist immer so, wenn ein Präsident, der gerade eine Amtszeit hinter sich hat, wiedergewählt werden will. Da spielt der Herausforderer eine geringere Rolle als sein eigenes Vermächtnis und das Vermächtnis von Trump war schon vor Corona kein besonders positives. Auch das steckt ja in diesem Verließ an Zustimmungsraten von 40 bis 45 Prozent. Aber Corona hat wirklich seine großen Führungs- und Charakterschwächen noch mal ganz offensichtlich gemacht und ihn im Grunde zu einem schwer angeschlagenen Präsidenten gemacht, der eigentlich nur als Außenseiter jetzt noch Wahlkampf betreibt.
"Trump hat sich diese Partei völlig unterworfen"
Heinlein: Welche Rolle spielt es, dass die Republikaner, seine Partei, in Teilen zumindest die Unterstützung für Donald Trump versagt? Ist es einsam geworden um Donald Trump in seiner Partei?
Bierling: Nicht wirklich. Fast das Gegenteil ist der Fall. Trump hat sich diese Partei völlig unterworfen. Das war in der Republikanischen Partei seit 20 Jahren angelegt, diese rechtspopulistische, sehr aggressive, sehr auf weiße Gruppen setzende Stimmung. Denken Sie an die Tea-Party, die ja schon 2010 diesen Kurs verfolgte. Aber Trump ist es gelungen, im Grunde die moderaten Gruppen in der Republikanischen Partei wirklich zum Schweigen zu bringen. Wir sehen es jetzt an diesem Parteitag. Das ist kein Parteitag der Republikaner; das ist ein Parteitag der Trumpschen Bewegung. Und das ist sehr überraschend gewesen, wie schnell die Republikaner im Grunde sich diesem Führer – und so kann man ihn schon fast titulieren innerhalb der Partei – unterworfen haben.
Bush-Dynastie distanziert sich von Trump
Heinlein: Ist das auch der Grund, dass bei der Rednerliste für diesen Parteitag – und das fällt ja auf – die großen Namen, vor allem die Namen seiner Vorgänger George Bush fehlen? Es sind ja vor allem Familienmitglieder, die Donald Trump jetzt unterstützen.
Bierling: Absolut! Familienmitglieder und Loyalisten, die kommen jetzt ganz vorne aufs Podium. Warum? Weil viele der etablierten Kräfte – und das schließt an Ihre letzte Frage an – in der Republikanischen Partei sich diesem Präsidenten versagen. Da gibt es nur einige wirklich prominente, aber die Bush-Dynastie ist zum Beispiel eine Gruppe, die sich wirklich von Donald Trump distanziert. Schon Bush Papa, aber auch Bush Sohn haben vor vier Jahren angekündigt, nicht für Trump, nicht für den republikanischen Kandidaten zu stimmen. Jetzt hat sich auch Mitt Romney, der Präsidentschaftskandidat von 2012, von Trump deutlich distanziert. Er hatte ihn im Impeachment-Verfahren auch als einziger Republikaner mehr oder weniger verurteilt. Und es gibt Leute auf der Gouverneursebene denken Sie an Arnold Schwarzenegger, den ja nicht unerfolgreichen Gouverneur von Kalifornien in den Nullerjahren, der sich deutlich von Trump distanziert. Nur haben diese Leute nicht genügend Sogwirkung, um sehr viele moderate Republikaner auf ihre Seite zu bringen.
"Es gibt nur noch ganz wenige Wechselwähler"
Heinlein: Spielt, wenn ich Sie richtig verstehe, Herr Professor Bierling, dieser Parteitag keine große Rolle? Es ist nicht die Chance für Donald Trump, noch einmal zu punkten, möglicherweise Rückenwind zu bekommen für seinen Wahlkampf?
Bierling: Das ist wirklich ein Unterschied zu vor vier Jahren. Vor vier Jahren war das Feld weit unübersichtlicher. Dort sind die Umfragezahlen nach oben, nach unten gegangen. Als Hillary Clinton ihren Parteitag hatte, ging es um vier, fünf Prozentpunkte nach oben. Als Trump seinen Parteitag hatte, hat sich was verändert. Diesmal sind beide Kandidaten überaus bekannt. Der Großteil der amerikanischen Wähler ist absolut festgelegt. Es gibt nur noch ganz wenige Wechselwähler und ob er die noch rüberziehen kann auf seine Seite mit seinen ja infamen Attacken auf die Demokraten, halte ich für zweifelhaft. Das heißt: Ohne großen Wahlkampf, ohne große Parteiversammlung, ohne die Massenauftritte, die durch Corona Trump ja jetzt mehr oder weniger aus der Hand geschlagen wurden, ist es sehr schwer für ihn, das Blatt noch mal zu wenden.
"Er versucht, den Wahlprozess zu diskreditieren"
Heinlein: Es fällt auf, dass Donald Trump ja derzeit versucht, vor allem die Briefwahl zu diskreditieren. Das hat er gestern auch gemacht. Er will sie in Teilen verhindern. Zeigt das, der Präsident ist nervös und versucht, mit allen Mitteln, möglicherweise auch mit dreckigen Winkelzügen seine Wiederwahl doch noch zu sichern?
Bierling: Das hat er ja schon vor vier Jahren gemacht, als er ankündigte, er wird das Wahlergebnis nur dann akzeptieren, wenn er als Sieger hervorgeht. Und er hatte ja auch damals schon keine Skrupel, sein Wahlkampfteam aufs Engste mit Russland zusammenarbeiten zu lassen und diskreditierendes Material über Hillary Clinton über die russischen Geheimdienste und Wikipedia einzuspeisen in den Wahlkampf.
Diesmal sieht er sehr deutlich, dass er weit hinten liegt, im Grunde kaum Chancen hat auf die Wiederwahl, aber er versucht natürlich, jetzt die Wässer zu trüben. Er versucht, vor allem den Wahlprozess zu diskreditieren. Die Briefwahl haben Sie schon genannt, aber man versucht, auch systematisch etwa Studenten, die stärker auf der demokratischen Seite sind, oder schwarze Wähler vom Wählen abzuhalten, indem man den Wahlgang einfach schwieriger macht. Er will im Letzten versuchen, ein Szenario aufzubauen, wo bei einem knappen Wahlausgang er argumentieren könnte, die Republikaner sind betrogen worden, und dann irgendwie im Unklaren alles zu lassen, was wirklich das Endspiel ist, ist nicht so wirklich klar, weil seine Amtszeit nach der Verfassung um zwölf Uhr am 20. Januar 2021 endet.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.