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Politisch-historischer Aufklärungsfilm
Gequälte Seelen der 1968er-Revolte

Der österreichische Regisseur Christian Frosch kommt nach siebenjähriger Pause mit dem Spielfilm "Von jetzt an kein Zurück" in die Kinos. Es ist eine tragische Liebesgeschichte, die in den Jahren 1967 und 1977 spielt. Und die durchdekliniert, wie schwer es die Revoluzzer-Generation hatte, sich von ihren weltkriegsgeprägten Elternhäusern zu emanzipieren.

Von Josef Schnelle | 13.03.2015
    "Nanu, haben Sie ein Gespenst gesehen?" - "Da ist grad mein Vater vorbei. Ich weiß nicht ob er mich gesehen hat." - "Na und?" - "Der schlägt mich grün und blau, wenn er sieht, dass ich hier sowas anhabe." - "Soll ich mal mit ihm sprechen?" - "Nein, der will sowieso nicht, dass ich hier arbeite."
    Zur Vorgeschichte der 1968er Revolte hat es bisher nur wenige Filme gegeben. Der Muff von 1.000 Jahren unter den Talaren und die repressive Grundstimmung in den Familien, die die Jugendbewegung erst hervorbrachten sind selten Thema. Christian Frosch erzählt in diesem Film, basierend auf eigenen Erlebnissen, von der Stimmung in der frühen Bundesrepublik. Er verfolgt dabei den Lebensweg zweier junger Leute, die sich ineinander verlieben. Ruby - eigentlich Rosemarie - muss den knielangen Rock vor den Eltern verbergen und die Treffen mit Martin finden in aller Heimlichkeit statt. Erste Küsse. Ein bisschen "high" sein und sich frei fühlen auf dem Vespa-Ausflug. Das ist eigentlich schon alles, was die beiden wollen.
    Enge der Familienhölle
    Martin lässt sich von seiner inneren "Sturm und Drang"-Poesie hinreißen zu gemeinsamen Plänen einer besseren Zukunft ganz fern von einem überforderten späten Kriegsheimkehrervater. Und Ruby will die Enge ihrer Familienhölle eintauschen gegen neue Lebensmodelle. Es ist 1967. Alles scheint möglich. Auch eine gemeinsame Flucht nach Berlin.
    "Ich müsste meine eigene Hölle haben für den Zorn. Eine Hölle für den Hochmut und die Hölle der Zärtlichkeit. Ein ganzes Konzert von Höllen."
    Doch alles fliegt auf und die beiden Minderjährigen landen in konservativen Privathöllen, in die sie von ihren Eltern gesteckt werden. Ruby findet sich wieder im geschlossenen katholischen Heim der "Barmherzigen Schwestern". Martin wird in eine Art Arbeitslager für renitente Jugendliche ins Moor abgeschoben. In beiden Fällen assistieren Jugendbehörden und Pfarrer. Der kalte Hauch der Repression durchweht viele Szenen dieses Films.
    "Und was ist das?" - "Ein Laken." - "Frech auch noch werden. Kommst heute Abend zu mir zur Kontrolle und wehe ich finde irgendwelche Mängel."
    Der kalte Hauch der Repression
    Die eigentliche spannende Hintergrundgeschichte dieses Films ist, wie diese beiden verlorenen und gequälten Seelen wieder zusammen finden werden. Zehn Jahre später treffen sie als völlig veränderte Menschen wieder aufeinander. Die in der Jugend erlittene Verletzungen stecken ihnen noch in den Knochen und manches Geheimnis klärt sich doch noch. Christian Frosch setzt über weite Teile des Films auf die distanziertere Schwarz-Weiß-Photographie. Man mag denken an Francois Truffauts Meisterwerk "Sie küssten und sie schlugen ihn".
    Klar macht der Film auch: Hinter dem populären Aufbruchspathos der 1968er ist ganz vergessen worden, gegen welche Widerstände er sich durchsetzen musste. Frosch stellt sich dieser Tatsache in ganz besonderer Weise, indem er zwei Lebensschicksale konsequent durchdekliniert. So entsteht ein politisch-historischer Aufklärungsfilm der besonderen Sorte. Wie werden Ruby und Martin wohl heute leben? Als Bundestagsabgeordnete oder Medienprofis? Aber Freddy Quinns Anti-Protest-Protestsong "Wir" von damals wird ihnen wohl noch in den Ohren klingen.
    "Wer will nicht mit Gammlern verwechselt werden? Wir. Wer sorgt sich um den Frieden auf Erden? Wir. Ihr lungert herum in Parks und in Gassen. Wer kann eure sinnlose Faulheit nicht fassen? Wir. Wir. Wir. Wer hat den Mut für euch sich zu schämen? Wir. Wer lässt sich unsere Zukunft nicht nehmen? Wir. Wer sieht euch alte Kirchen beschmieren und muss vor euch jeder Achtung verlieren? Wir. Wir. Wir."