Alexej Nawalny sitzt seit über einer Woche im Gefängnis. Bei seiner Verhaftung am Moskauer Flughafen durfte sein Anwalt ihn nicht begleiten. Doch seine Kanäle in den Sozialen Medien brummen weiter - so, als sei der zurzeit größte und schillerndste Kreml-Kritiker nicht gerade im Gefängnis, als versuche die russische Regierung nicht gerade, ihn zum Schweigen zu bringen.
Auf seinem bevorzugten Medium Instagram postet Navalny scheinbar munter weiter. Er bedankt sich dafür, dass seine Anhänger dem Aufruf zur Hilfe bei der Verbreitung seines Videos über den angeblichen Palast Putins so zahlreich folgen: 40 Millionen Aufrufe - das sage sein Anwalt, "und ich sitze". Er habe nicht die Absicht, sich an den Fenstergitterstäben im Gefängnis aufzuhängen, schreibt Nawalny noch, denn: "Ich weiß sicher, dass es viele gute Leute außerhalb meines Knastes gibt und Unterstützung kommen wird."
Aufrufe an die Anhänger auch aus dem Gefängnis
Der 43-jährige russische Oppositionspolitiker scheint nach dem überstandenen Giftmord-Anschlag noch einmal nachlegen zu wollen mit der Botschaft, sich so schnell nicht kleinkriegen zu lassen. Abgesehen von der Unerschrockenheit, die dazu gehört, fragen sich viele, wie er es schafft, trotz Gefängnisaufenthalt weiter so rege mit der Außenwelt zu kommunizieren. Seit Tagen folgen Tausende, vor allem junge Menschen, in Russland seinem Aufruf zu Protesten.
Das Nawalny-Team bemühe sich nach Kräften, seine Anhänger weiter mit "Futter" zu versorgen, berichtet Thielko Grieß, Dlf-Korrespondent in Moskau, im @mediasres-Gespräch. Doch während Nawalny nach seiner Verhaftung noch aus dem improvisierten Gerichtsraum heraus ein Video von sich postete, kommen jetzt nur noch schriftliche Nachrichten. "Der Kanal ist enger geworden", sagt Grieß. In den sozialen Medien entwickele sich derzeit ein "Ringen um die Hashtags, für oder gegen Nawalny". Denn über Nawalnys persönliche Präsenz dürfe man nicht vergessen: "Nawalny ist ein Politiker."
Dass er selber aus dem Gefängnis heraus postet, ist äußerst unwahrscheinlich bis unmöglich. Aber das brauche es auch nicht, sagt der Hamburger Politikberater für digitale Kommunikation Martin Fuchs: Der Vorteil, sich als Politiker vor allem über die Sozialen Medien zu vermarkten, bestehe darin, dass dazu ein kleines Mitarbeiterteam reiche. Selbst um die Masse der Postings, Bilder und Videos, die Nawalny auf Instagram, Twitter oder Youtube veröffentlicht, zu verwalten, genügten einige wenige. Möglicherweise säßen diese Mitarbeiter noch nicht einmal in Russland, wo die Gefahr, dass eine Plattform oder eine Verbindung abgeschaltet wird, groß sei.
"Vorausschauende Vorbereitung"
Was Nawalny derzeit an Mitteilungen herausgibt, entspricht seinen grundsätzlichen Forderungen und Strategien. Versetzt mit aktuellen Bemerkungen, sehe das nach einer "intelligenten und vorausschauenden" Vorbereitung aus, sagt Fuchs. Nawalny konnte ahnen, dass er verhaftet würde und habe reichlich Material vorbereitet, um seine Anhänger weiter durch sein Team mit News über ihn versorgen zu lassen: "Ihn selber braucht es dazu gar nicht."
Nawalny gilt längst als einer der einflussreichsten Blogger Russlands. Schon als junger Oppositioneller hatte er 2011 Recherchen zu staatlicher Korruption auf seiner Internetseite veröffentlicht, lud dann regelmäßig auch auf Youtube Videos und Botschaften hoch.
Familien-Soap als roter Faden
Auf Instagram sieht man regelmäßig auch Bilder und Videos mit seiner Ehefrau, erfährt Details über seine Kinder und das Familienleben. Solche Bilder brauche es, sagt Kommunikationsberater Fuchs. Nawalny setze sie gezielt ein, um zu zeigen: "Ich bin auch nur ein normaler Mensch". Ausschnitte aus Nawalnys Privatleben, die Emotionen weckten, durchzögen seine Präsenz in den Sozialen Medien wie ein roter Faden. Über seine Frau könnten sich andere Frauen in Russland identifizieren, viele junge Menschen würden sich vielleicht in den halbwüchsigen Kindern Nawalnys wiedererkennen.
Politische Botschaften, so Fuchs, ließen sich durch "wirkmächtige Bilder" viel erfolgreicher vermitteln als bloße Sätze. Nawalny inszeniere damit "eine Art Soap", die allerdings auch eine Schutzfunktion für seine Familie haben könnte: "Die Welt hat jetzt Gesichter zu Ehefrau und Kindern Nawalnys, an die man sich errinnern wird, für den Fall, dass auch sie weggesperrt werden."