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Politische Kunst in Frankfurt
"Als Künstler bemühe ich mich, diese Zeit zu verstehen"

Dass politische Kunst belehrt, stört den Videokünstler Omer Fast nicht. Kunst könne dazu beitragen, die Welt zu verstehen, sagte er im Dlf. In der Ausstellung "Power to the people" in der Frankfurter Schirn ist eine Videoinstallation des Künstlers über die Terroranschläge am 11. September 2001 zu sehen.

Omer Fast im Corsogespräch mit Sigrid Fischer |
    Sigrid Fischer: Alle Macht dem Volk - das war die Idee des Slogans "Power to the people", den John Lennon in einen Song gegossen hat. Von Bürgerrechtsbewegungen weltweit verwendet hallt er noch immer nach - das meinen die Ausstellungsmacher der Frankfurter Schirn, die 43 künstlerische Arbeiten präsentieren, die ausdrücklich politisch motiviert sind. Zum Beispiel werfen sie einen kritischen Blick auf die Fragilität von Volksvertretungen, und auch auf die Grenzen parlamentarischer Demokratie. Mit dabei sind auch Arbeiten des Videokünstlers und Filmregisseurs Omer Fast. 1972 in Jerusalem geboren, in Israel und den USA aufgewachsen, lebt er in Berlin und lehrt als Professor für Medienkunst an der Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Und da erreiche ich ihn jetzt am Telefon. Guten Tag, Herr Fast.
    Omer Fast: Guten Tag.
    Fischer: Teilen Sie die Prämisse der Ausstellungsmacher, die sagen: Die Ära der Post-Demokratie ist schon angebrochen.
    Fast: Ich glaube, dass wir auf jeden Fall in einer sehr heiklen Zeit jetzt wohnen - das wissen wir alle. Und als Künstler bemühe ich mich, diese Zeit zu verstehen und die Probleme und die Risse, die um uns gerade so aufgehen, zu verstehen, zu vermitteln und darüber die Filme zu machen, die ich mache.
    "Die sich mindernde oder verschwindende Rolle der Medien"
    Fischer: "Power to the people" würde ja bedeuten, wir übertragen den Menschen viel mehr Macht, als sie vielleicht jetzt haben. Ich frag mich manchmal, vielleicht wollen die Menschen das nicht, weil es bequemer ist, das abzugeben. Weil Macht auch Verantwortung bedeutet.
    Fast: Naja, es ist vielleicht eine Spannung momentan zwischen einer zentralen Autorität, die sich gerade mindert, wenn man das so sagen kann. Das wäre normalerweise - zumindest für mich - ein Grund mich zu freuen. Aber zum Beispiel in der Arbeit, die ich dort zeige, die bereits 2002 gemacht wurde, geht es um die Rolle von den Medien und die sich mindernde oder verschwindende Rolle der Medien, so wie wir sie nach dem Zweiten Weltkrieg sozusagen kennen und in einer Zeit, wo "Power to the people" bedeuten könnte, dass wir alle unsere Nachrichten, unsere Tweets und Facebook-Posts und so weiter miteinander teilen können und was das alles bedeutet. Ich glaube in dem Sinne, in dieser Spannung, in dieser Spannung zwischen einer zentralen Macht und einer Macht, die mehrere Pole hat, befinden wir uns gerade.
    Wir haben noch länger mit Omer Fast gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
    Fischer: Wobei das zwei Seiten hat: der Zugang zu Medien so viel demokratischer geworden ist, einerseits und andrerseits bringt das genau diese Probleme mit sich, Fake News, was kann man glauben, was kann man nicht mehr glauben.
    Fast: Ja, das würde ich selber nicht unbedingt zelebrieren. Ich bin selber wie ein, wie sagt man 'luddite' auf Deutsch? Also jemand, der sich nicht so gut auskennt. [Anm. der Redaktion: dt. Technikfeind] Ich habe nur eine Email-Adresse und keine Facebook-Seite und ich mache auch kein Tweeting und so weiter. Ich kenne mich nicht so aus, dafür bin ich auch kein gutes Beispiel, ich bin zu alt dafür.
    Auslöser für die Installtion "CNN Concatenated": die Attacken in New York 2001
    Fischer: Ja, Omer Fast, ich finde nicht mal eine Webseite von Ihnen, richtig?
    Fast: Nein, ich habe keine Website.
    Fischer: Aus Prinzip?
    Fast: Man kann das so sagen. Aber es ist auch eine praktische Sache. Ich kann mich nur um so viel kümmern. Ich habe Kinder und ich habe meine Arbeit und dazwischen habe ich keine Zeit, mich mit Webseiten oder Facebook-Seiten zu beschäftigen.
    Fischer: Es geht ja um politisch motivierte Kunst in der Ausstellung. Was hat Sie eigentlich politisiert als Künstler?
    Omer Fast, CNN Concatenated, 2002, Single Channel video, Color, sound (English), 18 Min. Loop
    Omer Fast, CNN Concatenated, 2002, Single Channel video, Color, sound (English), 18 Min. Loop (Courtesy gb agency, Paris)
    Fast: Ich würde auch nicht so sagen, dass mich etwas politisiert hat. Für mich war Kunst immer ein Fenster auf die Welt und das bedeutet, die sozialen Prozesse werden in meiner Arbeit immer als Subjekt wahrgenommen. In "CNN Concatenated", das ist die Arbeit, die ich in der Schirn-Kunsthalle zeige, waren der Auslöser die Attacken damals in New York 2001. Zwar fing ich die Arbeit früher an, in 2000. Aber, als ich ganz neu in Berlin war, am 11. September 2001, bin ich aus Manhattan, aus New York City umgezogen, fanden die Attacken statt. Und ich wusste damals, dass die Arbeit von diesen Ereignissen geprägt wird. Insofern ist die Arbeit mit der Zeit eine Art Zeitkapsel geworden und berichtet immer noch von dem Umriss, vielleicht zwischen einem Wunsch, alles zu sehen und alles möglichst sofort, simultan, unvermittelt zu sehen, und einem Wunsch, eine Vermittlung, eine Erklärung zu haben. Sie entstand natürlich aus Nachrichtenberichten. Ich habe stundenlang CNN aufgenommen und das in kleine Stücke geschnitten, neu geschnitten, so, dass die Berichte etwas anderes sagen, nämlich das, was ich im Kopf hatte.
    "Voyeurismus ist einfach sehr zentral"
    Fischer: Sie arbeiten ja zum Teil fast journalistisch. Sie machen Interviews mit Drohnenpiloten, mit Soldaten. Was erfahren Sie dabei, wie vermittelt sich Welt für Sie, durch diese Interviews?
    Fast: Es geht vor allem am Anfang um Neugier, etwas zu verstehen und etwas zu erfahren, das ich selber in meinem eigenen Leben nicht erfahren habe. Diese Art von Voyeurismus ist einfach sehr zentral und das steuert öfter intuitiv die Richtung der Arbeit. Erst nachdem ich diese Termine oder die Gespräche veranstalte, kann ich mich kritisch mit dem Material auseinandersetzen und verstehen, so funktioniert das, so funktioniert eine Drohne, so wird sie gesteuert und solche Auswirkungen hat diese Arbeit auf die Menschen, die das machen.
    Fischer: Sie haben Ihre erste Solo-Ausstellung in China jetzt in ein paar Tagen. Was haben Sie da ausgewählt für Werke? Haben Sie da mit Blick auf das Land, in dem Sie da ausstellen, ausgewählt oder spielt das keine Rolle?
    Fast: Es spielt auf jeden Fall eine Rolle. Ich habe die Arbeit nicht nur selber ausgewählt, das ist immer eine Art Verhandlung oder eine Art Gespräch oder Diskussion mit der Kuratorin. Und eine neue Arbeit ist entstanden, und zwar wurde sie in China gedreht und wird da zum ersten Mal gezeigt. Und die beschäftigt sich mit der Geschichte Chinas - so wenig, wie ich sie verstehe - und macht das durch die Erzählung eines Mädchens. Es ist ein Märchen und es geht um eine sehr rasche Entwicklung im Leben der Familie dieses Mädchens und kombiniert traditionelle Geistererzählungen - wie eben in ein Märchen - mit einem, könnte man sagen, leicht kritischen Blick über die Entwicklung der letzten zwanzig Jahre in China.
    "Ich möchte belehrt werden"
    Fischer: Omer Fast, in letzter Zeit wurde sehr viel darüber debattiert in den Feuilletons, wie politisch Kunst sein soll und ob sie überhaupt politisch sein soll. Die Documenta wurde kritisiert, sehr viel, für zu viel belehrende Arbeiten, sehr eindeutige Arbeiten. Kunst sei dann nicht mehr frei, wenn sie sich in den Dienst des Politischen stellt. Wie ist da Ihre Auffassung eigentlich? Wie verstehen Sie politische Kunst?
    Fast: Ich habe überhaupt kein Problem damit. Ich möchte belehrt werden, ich möchte die Welt verstehen und Kunst hat da auf jeden Fall eine Rolle dabei.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Die Ausstellung "POWER TO THE PEOPLE. POLI­TI­SCHE KUNST JETZT" ist vom 21. MÄRZ bis 27. MAI 2018 in der Schirn Kunsthalle Frankfurt zu sehen.