Ach wie wär' das schön: Man tue oben seine Meinungen, Überzeugungen und Grundwerte rein, schüttele etwas und unten kommt raus, welche Partei man wählen muss, damit möglichst viel wahr wird von dem, was man sich erhofft. Dieses Jahr ist die Zahl der Unentschlossenen besonders hoch – knapp die Hälfte der Deutschen weiß noch nicht, wen sie am 24. September wählen sollen. Der Wahl-O-Mat könnte hier die nötige Entscheidungshilfe liefern. Doch ganz so einfach ist es nicht, sagt Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, die den Wahl-O-Mat heute in Berlin vorstellte.
"Die Welt ist manchmal komplizierter als eine Wahl-O-Mat-These. Man kann nicht sozusagen jede Sache binär mit Ja, Nein, Neutral entscheiden, aber das ist der Preis, den wir für ein solches niedrigschwelliges Angebot gerne zahlen. Aber dann eben tatsächlich auch Hintergrundwissen bereitstellen wollen."
Generalsekretäre der Parteien als erste Testpersonen
In der Tat: Selbst die Generalsekretäre der vier im Bundestag vertretenen Parteien, die sich freiwillig als erste Testpersonen zur Verfügung stellten, mussten manchmal kurz nachdenken. Hubertus Heil von der SPD fiel es noch leicht, die Frage nach der Richtigkeit des Mindestlohns mit "Ja" zu beantworten. Bei den Verteidigungsausgaben wurde es schon komplizierter. Heil:
"Die Verteidigungsausgaben sollen erhöht werden… Ah, das ist jetzt schwierig. Ich bin dafür, dass wir die Bundeswehr gut ausstatten, aber wenn damit gemeint ist, dieses Zwei-Prozent-Ziel, dass wir 30 Milliarden Euro mehr im Jahr, wie Frau Merkel das will und Herr Trump das von uns fordert, das finde ich Wahnsinn. Also gute Ausstattung der Bundeswehr ja, massive Aufrüstung nein, also muss ich diese Frage mit "neutral" beantworten, weil nicht ganz klar ist, in welche Richtung das hier geht."
Deutlich schneller ging es beim stellvertretenden CSU-Generalsekretär Markus Blume:
"Der Wert von selbstgenutztem Wohneigentum soll bis zu einer bestimmten Höhe steuerfrei sein. – Das ist lupenreine CSU-Position, stimme zu. Verbot von Rüstungsexporten? Das wollen wir nicht."
Ein Instrument der politischen Bildung
Der Wahl-O-Mat stellt 38 Thesen zu allen politischen Bereichen vor. Je nach Zustimmungsgrad kann der Nutzer seine Meinung mit den Wahlaussagen der politischen Parteien vergleichen. Die Redaktion bildeten 20 junge Wähler, jeder unter 26 Jahren konnte sich dafür bewerben, Politikwissenschaftler und Statistiker boten Unterstützung. Die Parteien hatten dann drei Wochen Zeit, alle Thesen zu beantworten und zu begründen. Laut Krüger haben sich alle zur Wahl zugelassenen Parteien beteiligt – bis auf die Magdeburger Gartenpartei. Für Krüger ist der Wahl-O-Mat vor allem ein Instrument der politischen Bildung. Immerhin zehn Minuten lang, solange dauert es, alle Fragen zu bewerten, muss man sich einmal mit den politischen Inhalten der Parteien und den eigenen Positionen auseinandersetzen. Und er erfreut sich wachsender Beliebtheit. Krüger:
"Der Wahl-O-Mat ist mittlerweile zum demokratischen Volkssport geworden. Bei den letzten Bundestagswahlen haben ja immerhin 13,3 Millionen Nutzerinnen und Nutzer von diesem Angebot Gebrauch gemacht."
Frage des Datenschutzes
Längst ist der Wahl-O-Mat allerdings nicht mehr alleine im Angebot. RTL schickte vor einigen Tagen den "Wahl-Navi" ins Rennen. Und das Portal "DeinWal.de" – geschrieben ohne "h" – bietet eine, wie die Anbieter sagen, "ehrlichere" Alternative, denn hier werden die Parteien nicht nach dem beurteilt, was sie versprechen, sondern danach, wie sie in der vergangenen Legislaturperiode tatsächlich abgestimmt haben.(*) Krüger warnte jedoch davor, dass manche private Anbieter die gesammelten Daten weiterverwerten könnten:
"Also ich meine, wenn eine große amerikanische Plattform die Daten sammelt und verwertet, einen Überblick darüber hat, was wer wählt, das ist eine nicht unerhebliche Aussage, die auch genutzt werden kann von anderen Ländern für Manipulationszwecke oder für andere Interessenlagen."
Das öffentlich-rechtliche Angebot Wahl-O-Mat dagegen sei sicher, betont Krüger: Die Datenverwertung ist qua Gesetz ausgeschlossen.
(*) In einer ersten Fassung schrieben wir fälschlicherweise, dass das Portal "MeinWal.de" vom Vice Magazin entwickelt wurde. Tatsächlich wurde das Projekt aber vom Systembiologen Martin Scharm und dem Entwicklungsingenieur Tom Theile in Leben gerufen.