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"Politische Verantwortung ist ein sehr weiter Begriff"

Angesichts der Verzögerungen beim Hauptstadtflughafen hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert den Landesregierungen in Berlin und Brandenburg Versäumnisse vorgeworfen. Bereits nach den Terminproblemen im vergangenen Mai hätte Flughafenchef Schwarz "fristlos gefeuert werden müssen", so Danckert, in dessen Wahlkreis der Großflughafen liegt.

Peter Danckert im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Martin Zagatta: Viermal schon ist der Termin für die Eröffnung des Berliner Großflughafens verschoben worden. Das wirft jetzt nicht nur die Frage auf, ob die Hauptstadt zu einer Lachnummer wird, sondern auch, warum da keine politischen Konsequenzen gezogen werden. Klaus Wowereit jedenfalls hat zwar den Vorsitz des Aufsichtsrats der Flughafengesellschaft abgetreten, will aber als Regierender Bürgermeister weitermachen und hat gestern dafür auch den Segen der Koalition aus SPD und CDU erhalten.
    Ein Bericht von Claudia van Laak, an den sich natürlich sofort die Frage anschließt, warum keine politischen Konsequenzen gezogen werden sollen. Eine Frage, die wir dem SPD-Bundestagsabgeordneten Peter Danckert stellen können, in dessen Wahlkreis der Flughafen liegt. Guten Tag, Herr Danckert.

    Peter Danckert: Guten Tag, Herr Zagatta.

    Zagatta: Herr Danckert, reicht Ihnen das aus, dass Wowereit jetzt nur als Chef des Aufsichtsrats zurücktritt?

    Danckert: Ich finde, darum geht es jetzt in erster Linie. Die erneute Verschiebung hat deutlich gemacht, dass, um es ganz klar zu sagen, es am Flughafen, an der Planung, am Bau und der Analyse nicht rund läuft, und von da aus ist es nur konsequent, wenn Herr Wowereit sagt, ich lege jetzt den Vorsitz des Aufsichtsrats nieder. Als Brandenburger Bundestagsabgeordneter, als Brandenburger SPD-Mitglied möchte ich mich – da bitte ich Sie um Verständnis – nicht zu den politischen Dingen hier in Berlin äußern. Die Berliner SPD weiß gut genug, was sie an Wowereit hat und welche Probleme sie im Moment zu lösen hat.

    Zagatta: Mit Matthias Platzeck ist das ja dasselbe Problem. Jetzt soll der Aufsichtsratsvorsitz an den Parteifreund Platzeck, an den Ministerpräsidenten von Brandenburg abgegeben werden. Der war ja auch die ganze Zeit mit im Boot, der ist für das Versagen unter Umständen oder für die mangelnde Aufsicht ja genauso verantwortlich. Was soll das jetzt ändern?

    Danckert: Na ja, wir haben in dem Aufsichtsrat, wenn ich es richtig sehe, 15 oder 16 Mitglieder. Da ist jeder einzelne, die Anteilseignervertreter oder die Arbeitnehmervertreter, mitverantwortlich. Herausragende Stellung hat der Aufsichtsratsvorsitzende, das kennt man, wenn man jemals in seinem Leben in einem Aufsichtsrat war oder Vorsitz ausgeübt hat. Der Stellvertreter ist immer so, ich sage mal, am Rande. Natürlich kann man sagen, alle Mitglieder des Aufsichtsrats tragen eine Verantwortung. Ich glaube auch, dass die das heute so empfinden.

    Was die Person von Matthias Platzeck angeht, so, denke ich, ist der – und das ist ja auch gestern deutlich geworden – aus einem ganz anderen Holz. Er hat gestern erklärt, ich werde mein politisches Schicksal mit dem Erfolg dieses Flughafenprojekts verbinden. Er hat nicht gesagt, das mache ich zur Chefsache – das kann man immer mal sagen; Chefsache heißt ja dann nicht viel. Das ist eine ganz andere Aussage. Matthias Platzeck ist, wenn ich das mal so lax sagen darf, Katastrophen gewöhnt. Er hat im Oder-Hochwasser seinen Mann gestanden und hat das mit vielen anderen, vor allen Dingen der Bundeswehr, gut geregelt. Wenn der jetzt erklärt, ich nehme mir die genügende Zeit, um das Projekt zu bearbeiten, ich werde meinen, weiß ich was, Terminkalender darauf ausrichten, mich nicht alle drei, vier Wochen darum zu kümmern, sondern einmal in der Woche an ein oder zwei Tagen – wir werden ja sehen, wie sich das entwickelt -, dann ist das eine ganz andere Herangehensweise, jetzt einen Neuanfang zu wagen.
    Wenn wir, was ich ja auch vorgeschlagen hatte, zwischen Wowereit und Platzeck einen unabhängigen Manager stellen würden, der müsste sich ja erst mal ein halbes Jahr einarbeiten. Wir haben ja gesehen, wie kompliziert das bei Herrn Amann ist. Herr Amann hat vielleicht die Aufgabe am Anfang etwas überschätzt. Jetzt hat er rechtzeitig auf die Bremse getreten. Das, was zu tun ist, was auch der neue Aufsichtsratsvorsitzende Matthias Platzeck zu tun hat, ist eine absolut präzise ungeschönte Bestandsaufnahme, damit man wirklich weiß, wo man ansetzen muss.

    Zagatta: Herr Danckert, wäre das nicht selbstverständlich gewesen, jetzt schon in den vergangenen Wochen und Monaten? Es ist ja jetzt nicht die erste Verschiebung. Das erwartet man doch von verantwortlichen Politikern, dass das, was Sie uns jetzt schildern, dass man sich jetzt kümmern will, dass das schon längst passiert wäre.

    Danckert: Ich habe ja gesagt, dass die Gewichtung zwischen einem – und so ist es ja auch immer in der öffentlichen Darstellung gewesen – Vorsitzenden eines Aufsichtsrats und seinem, wer das dann auch immer ist, Stellvertreter eine ganz andere ist. Da sind ja auch hochrangige Vertreter des Bundes vertreten, da sind hochrangige Vertreter der Wirtschaft da.

    Zagatta: Der Bund hat zum Beispiel die Ablösung des Chefs der Flughafengesellschaft schon längst gefordert. Da haben sich ja wohl, soweit ich das sehe, Wowereit und Platzeck quergelegt.

    Danckert: Ja, da haben Sie Recht. Das ist auch ein, wie ich meine, Versäumnis, das zwar nicht dazu geführt hätte, dass wir jetzt den alten Termin hätten halten können, aber jemand wie der Hauptgeschäftsführer Schwarz, der hätte am 8. Mai bei der vorletzten Verschiebung fristlos gefeuert werden müssen, und zwar sofort und ohne Abfindung. Dass man das so lange hingezogen hat und dann diese Sprüche da sich anhören lassen musste, das ist eine Zumutung für die Öffentlichkeit gewesen. Das ist sicherlich auch ein Versäumnis, aber da hat ja jedenfalls Brandenburg unter der Leitung von Matthias Platzeck jetzt neue Erkenntnisse und wenn ich es richtig einschätze, wird am nächsten Mittwoch der Herr Schwarz seinen Hut nehmen müssen – ich hoffe, ohne Abfindung.

    Zagatta: Ist denn politische Verantwortung ein Begriff von vorgestern? Passt der da in diesem Umfeld nicht mehr?

    Danckert: Ich sage mal, politische Verantwortung ist ein sehr weiter Begriff, und ich würde zunächst mal sagen, dass die Tätigkeit eines Länderchefs sich auf viele Fragen erstreckt und dass eine einzelne Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender bei einem noch so wichtigen Projekt auch darunter subsumiert werden kann, aber, ich sage mal, nicht das Entscheidende ist.

    Zagatta: Herr Danckert, darf ich da mal nachfragen. Sie sind ja auch Mitglied im Haushaltsausschuss. Ich verstehe jetzt, dass Sie sich als Brandenburger nicht unbedingt zu Herrn Wowereit äußern wollen, aber können denn Politiker so mit öffentlichem Geld umgehen, wie das Wowereit da jetzt offensichtlich tut, und wirft das nicht auch ein ganz schlechtes Licht auf die SPD im Bundestagswahlkampf?

    Danckert: Also ich kann nicht beurteilen oder will nicht einschätzen, wie das sich auf den Bundestagswahlkampf ausübt. Ich möchte, ohne dass ich jetzt hier irgendwelche frommen Sprüche mache, sagen, dass das, was passiert ist, konkret in der Flughafengesellschaft, mit der Planung, mit der Verzögerung, mit den Fehlplanungen, dafür ist ja nun in der Tat der Aufsichtsratsvorsitzende nicht verantwortlich. Ich glaube, dass eine besondere Aufgabe darin besteht oder bestanden hätte, sich sehr viel gewissenhafter mit den Fragestellungen zu befassen. Wie weit das geht, das sollte man mal in aller Ruhe klären. Reicht es aus, dass Herr Wowereit sich mit Herrn Schwarz unterhält, oder dem früheren Technikchef, Herrn Körtgen, oder jetzt Herrn Amann, oder muss er in die zweite und dritte und vierte Reihe reingehen, um zu sehen, ob das, was man ihm sagt, auch wirklich zutreffend ist, ob das die Ursachen für die Verzögerung sind. Es ist ja nicht so, dass Herr Wowereit durch seine Entscheidung jetzt hier zu einer Kostenerhöhung von ein oder zwei Milliarden beigetragen hat. Er war sozusagen in dem Boot.

    Zagatta: Es soll aber um einige Millionen gehen, von hundert war vorhin sogar die Rede.

    Danckert: Ja. Ich sage mal, die Gesamtsumme ist sicherlich erheblich, ist mehr als ärgerlich, ich kann das gar nicht sagen, auch gerade als Haushälter, wenn ich weiß, dass wir im Haushaltsausschuss manchmal um 100.000 Euro ringen oder um Millionen, und wenn es wiederum für den Bund um mehrere Hundert Millionen geht und das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, dann muss jetzt dafür gesorgt werden, dass es eine präzise ungeschönte Bestandsaufnahme gibt, wo man nicht wieder so halb den Herrn Amann durch wen auch immer – ich glaube, dass der Herr Schwarz da auch eine unsägliche Rolle gespielt hat – unter Druck setzt, ihn zu öffentlichen Erklärungen veranlasst, sondern jetzt muss auch für den Bund und die Länder natürlich auch, weil die haben ja sogar einen größeren Anteil daran, klar sein, was sind die Ursachen. Da muss man ein bisschen nach hinten schauen, das bleibt nicht aus, und dann vor allen Dingen nach vorne schauen und muss sehen, wie regeln wir das jetzt. Ich meine, es ist ja eigentlich undenkbar, dass da am Ende des Tages nach zwei oder drei Jahren ein Projekt steht, in Schönefeld in meinem schönen Wahlkreis, und man jetzt das sozusagen versauern.

    Zagatta: Herr Danckert, sehen das Ihre Wähler auch so gelassen, dass die da sagen, na ja, jetzt läuft es seit zwei, drei Jahren, alles, was schief laufen kann, läuft schief? Was sagen die denn zu Wowereit? Die werden sich ja zu Wowereit äußern. Was hören Sie denn da von Ihren Wählern?

    Danckert: Die Wähler äußern sich zu der Frage der Flugrouten. Die davon betroffen sind, die sagen wunderbar, es dauert noch zwei, drei Jahre, bis das hier in Betrieb geht, wir sind bis dahin weitgehend vom Lärm verschont. Dann gibt es andere Wähler, die ihre berufliche Perspektive in der Entwicklung dieser Jobmaschine sehen, die dort Arbeitsplätze, Aufträge wittern. Und dann gibt es natürlich Leute, die von beidem nicht betroffen sind, und die sagen, was machen die da eigentlich, und je nachdem, wie sie zu diesem oder jenem stehen, sich dann so entsprechend äußern. Sie sehen ja auch: Die Umfragen haben dem einen bescheinigt, dass er im öffentlichen Ansehen schwer abgestürzt ist. Bei Matthias Platzeck ist das nicht so, der ist nach wie vor der mit weitem Abstand beliebteste Brandenburger Politiker.

    Zagatta: Schadet denn das dem Image Deutschlands? Wie erklären Sie das jetzt Ihren Wählern, wenn die Sie fragen? Da gibt es ja ziemlichen Spott über diesen Flughafen, wie er gebaut wird. Wie erklären Sie Ihren Wählern, dass das in Deutschland mit solchen Pannen verbunden ist, während wir gleichzeitig lesen, dass Chinesen einen solchen Flughafen in elf Monaten bauen, gleiche Größenordnung, und das funktioniert?

    Danckert: Ich will mal so sagen, dass dieses Desaster, diese Katastrophe um den Flughafen und seine Planung und seinen Bau natürlich weltweit wahrgenommen wird. Die New York Times hat heute darüber berichtet und, da mir nicht die gesamte Presse zugänglich ist, andere mit Sicherheit auch. Das ist ein ganz schlechtes Image, nicht nur für die Region hier Berlin-Brandenburg, sondern auch für Deutschland. Dass andere da, sagen wir mal, sehr viel flotter sind, das ist das eine. Dass wir das nicht hinkriegen, das ist leider auch nicht absehbar, aber das liegt natürlich auch nicht nur – ich würde sogar sagen, eher in geringem Ausmaß – an den beteiligten Politikern, sondern es liegt an der Geschäftsleitung, die dieses Thema runtergespielt hat ohne Ende. Ich habe am 15. Oktober 2010 unmittelbar nach der vorletzten Verschiebung gesagt, dieser Flughafen wird sehr viel teurer und sehr viel später erst eröffnet werden, aufgrund der Informationen, konkreten Informationen, die ich hatte, und dann hat der Pressesprecher in einer abfälligen Bemerkung gesagt, ich hätte keine Ahnung oder irgend so was blödes. Ich meine, Politiker müssen, auch ich muss Kritik vertragen, aber ich sage mal, ich kann mich heute gar nicht darüber freuen, dass ich in all diesen Einschätzungen Recht behalten habe. Ich finde das deprimierend, dass ich Recht behalten habe.

    Zagatta: Peter Danckert, der SPD-Bundestagsabgeordnete, in dessen Wahlkreis der Flughafen liegt. Herr Danckert, ich bedanke mich für das Gespräch und beende das Gespräch auch mit der Feststellung, dass es nicht nur beim Flughafen nicht ganz so rund läuft, sondern offenbar auch mit den Telefonleitungen nach Berlin. Für die Qualität wollen wir uns etwas entschuldigen.


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