Um es vorweg zu sagen: Das Format des Politischen Aschermittwoch hatte mal Potenzial – jawohl, ganz im demokratischen Sinne. Denn da wurde überspitzt, überzeichnet, provoziert – in Zeiten festgefahrener politischer Umgangsformen wirkte das belebend und fruchtbar.
Doch die Zeiten haben sich geändert: Sie sind aggressiver geworden. Der Bierzelt-Populismus der Marke Söder und Aiwanger wirkt angesichts der gefährlichen politischen Entwicklungen unserer Tage deplatziert. Wenn die AfD zum Angriff auf die Demokratie bläst und Bauernproteste zu eskalieren drohen, braucht es keine rhetorischen Brandsätze mehr. Da braucht es kein Gepolter, sondern Besonnenheit.
Bauern gegen die Grünen
Wohin das Anstacheln führen kann, wurde jetzt in Biberach deutlich: Da ließen Bauern die Aschermittwoch-Veranstaltung der Grünen platzen – aus Sicherheitsgründen musste sie abgesagt werden. Das hat mit Demokratie nichts mehr zu tun, da sollen politische Gegner mundtot gemacht werden. Das ist nicht Pluralismus. Das ist gefährliche Anmaßung.
Markus Söder hat diesen prekären Moment anscheinend noch nicht begriffen: Etwa wenn der CSU-Chef die Menge erst einmal anheizt, mit dem kernig vorgetragenen Spruch „Die Ampel muss weg“. Applaus dafür ist ihm zwar sicher, doch kennt man diesen Satz von den Bauerndemos.
Und schon dort haben viele ihn zu Recht als respektlos und undemokratisch bezeichnet, denn politische Gegner kann man ebenso wenig wie eine demokratische gewählte Regierung einfach „wegmachen“. Das politische Bashing – und zwar immer nur in eine Richtung – ist in diesem gesellschaftlichen Umfeld gefährlich geworden.
Über den Bauch, aber nicht in die Bauchgrube
Wie ein anderer Politischer Aschermittwoch funktionieren könnte? Gerne sehr wohl über den Bauch, nur eben nicht in die Bauchgrube. Da wären zum Beispiel Emotionen, die bei Konservativen und Rechten gerne als Schwäche ausgelegt werden, etwa wenn SPD-Chef Lars Klingbeil bei seiner Aschermittwochsrede aufrichtig sein Schutzversprechen gegen die AfD betont: Wir passen auf alle auf, die von ihnen angefeindet werden.
Bei den Grünen ließ Parteichef Omid Nouripour sein Stand-Up-Talent aufblitzen und erzählte selbstironisch Anekdoten aus dem Politikgeschäft: Ein bisschen Spott über Aiwanger und Söder - ja, über den eigenen Kanzler - ist da auch drin, aber vor allem das Eingeständnis: Hey, wir sind doch alle Menschen, die miteinander könnten, wenn wir wollten.
Wertschätzung und Interesse am Anderen
Das Menscheln in unserer Demokratie – es besteht nicht nur aus Lästern, es besteht auch aus Wertschätzung und Interesse am Anderen. Die Botschaft kann und sie muss es jetzt sein: Demokrat:innen müssen miteinander reden. Die festgefahrensten Rituale gehören hinterfragt, wenn sie aus der Zeit gefallen sind.