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Politologe Hacke zu US-Wahlen
"Nicht nur Gutes am Horizont"

Der gewählte amerikanische Präsident Joe Biden verspricht Heilung und Versöhnung in den USA. Doch er müsse auch politisch liefern, sagte der Politologe Christian Hacke im Dlf. Biden müsse die Coronakrise lösen und die Wirtschaft in Fahrt bringen. Ob er die Spaltung überwinden könne, sei längst nicht klar.

Christian Hacke im Gespräch mit Michael Köhler |
Eine Frau mit Mund-Nasen-Schutz hält ein Schild hoch, worauf steht: "United again", im Hintergrund eine amerikanische Fahne
Viele Amerikaner feiern den Wahlsieg von Joe Biden in den USA und hoffen auf ein Ende der Spaltung ihres Landes (picture alliance / Xinhua News Agency/Zeng Hui)
Nicht dämonisieren, sondern vereinigen, heilen - und Amerika ein Stück bunter machen. Das hat der gewählte amerikanische Präsident Joe Biden angekündigt und versprochen. Ob damit der "Trumpismus" aus den USA verschwinde, sei aber nicht entschieden, sagt Christian Hacke. Er ist Professor für Politikwissenschaft und langjähriger Kenner des transatlantischen Verhältnisses. "Auf jeden Fall herrscht große Erleichterung, dass wieder ein Mann der Würde, des Ausgleichs und der guten Sitten im Weißen Haus regiert." Es werde sich einiges ändern, das Weiße Haus werde zum Beispiel nicht mehr als Parteizentrale degradiert.
Elmar Brok (CDU) - "Biden kann ein Stück Heilung ins Land bringen"
Mit Joe Biden würde ein Mann das Amt übernehmen, der über die Parteigrenzen hinaus im Senat Brücken bauen könne, sagte CDU-Europapolitiker Elmar Brok im Dlf. Auch Biden werde amerikanische Interessen nach vorne stellen, aber er werde dies im partnerschaftlichen Sinne machen.
Die Frage sei, ob ein Heilungsprozess zu erreichen sei. Biden stehe für Wiederkehr der Normalität, der Ruhe, des Ausgleichs, so Hacke. Trump sei dagegen "der Unruheherd, der das Chaos geführt hat, der die Krise sucht, der sich da drin fast suhlt, der sie brauchte, um seine Anhänger eben aufzuputschen."
Trump könnte zudem eine neue Dolchstoßlegende kreieren - in Wahlen unbesiegt. "Das werden seine Anhänger aufgreifen, gierig aufgreifen, und die große Frage ist, ob sie von ihm abfallen. Und ich fürchte, nein. Und wenn wir uns dann in Erinnerung rufen, dass dies kein strahlender Sieg war der Demokraten, keine ostentative Abwahl und Bestrafungen dieser Politik von Donald Trump, dann können wir uns darauf gefasst machen, dass nach einer Zeit der Heilung, die jetzt notwendig ist, natürlich die alten Konflikte wieder auftauchen. Und da ist nicht nur Gutes am Horizont."
Kann Biden radikale Rechte von ihrem Tun abbringen?
Das Bedrückende bei der Wahl sei, dass Trump nicht abgestraft worden sei. "Wenn die Coronakrise nicht gewesen wäre, muss man nüchtern festhalten, wäre er wiedergewählt worden", sagte der Politologe. Die paranoiden Züge seiner Politik seien verstärkt und unterstützt worden durch die Hälfte der Amerikaner. "Das bedeutet: Diese chronisch mentale, verzerrte Wahrnehmung, diese extreme Aggressivität, dieser Verfolgungswahn, der nicht nur bei ihm, sondern bei seinen Anhängern deutlich wird, und diese apokalyptischen Verschwörungstheorien - das ist nicht vorbei."
Donald Trump mit erhobenem Zeigefinger vor einem großen Bild von ihm selbst
Kommentar: Trump ist Geschichte - und das ist auch gut so
Donald Trump wird als der schlechteste US-Präsident in die Annalen eingehen: ahnungslos, ungebildet, rücksichtslos, kommentiert Marcus Pindur. Joe Biden müsse nun so regieren, wie er Wahlkampf betrieben habe: als Versöhner und als politischer Zentrist.
Nun stelle sich die Schlüsselfrage: "Kann Biden Amerika erfolgreich und durch politische Erfolge einen? Und vor allem: Kann er diese radikale Rechte von ihrem Tun abbringen?" Hier sei die Entscheidung noch lange nicht gefallen. Biden müsse nach der Heilung auch politisch liefern. "Er muss die Coronakrise lösen. Er muss die Wirtschaft in Fahrt bringen. Das sind die beiden entscheidenden Punkte."
Bidens "Schönwetterpolitik"
Biden werde zunächst auf "Schönwetterpolitik" setzen, vermutet der Politik-Wissenschaftler: "Er wird auf eine globale Entschuldigungs- und Reparatur-Tour gehen." Unter Biden würden die Bündnispartner wieder aufgewertet. Dennoch werde es vermutlich jenseits des Stils substanziell mehr Kontinuität geben, als man es sich heute vorstellen könne, etwa im Kampf um die ökonomische Vorherrschaft mit China. "Es wird in den transatlantischen Beziehungen nicht wieder auf einmal alles heiter und schön."