Radikalisierung bei AfD-Jugendorganisation JA
Politologe Johannes Varwick warnt vor "Ticket in den Bürgerkrieg" in Deutschland

Der Politikwissenschaftler Johannes Varwick befürchtet gravierende Folgen der radikalen Vorstellungen im Umfeld der AfD und ihrer Jugendorganisation "Junge Alternative für Deutschland" (JA). Wenn man Millionen Menschen die Legitimität abspreche, hier zu leben, auch wenn sie einen deutschen Pass hätten, wenn man also darüber fabuliere, massenhaft "remigrieren" zu wollen, sei das "ein Ticket in den Bürgerkrieg", sagte der Professor der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg im Sender RTL.

    Von dem Mann sieht man nur die Sandalen am unteren Bildrand. Auf dem blauen Plakat Das Logo besteht aus einem Häkchen und einem roten A in einem blauen Kreis, daneben steht der Vereinsname mit einer Abbildung einer Deutschlandflagge.
    Im Umfeld der AfD-Jugendorganisation wird einem Medienbericht zufolge von der Wiederrichtung von Ghettos und Tribunalen zur Hinrichtung von Menschen gesprochen. (Jens Kalaene / zb / dpa )
    Ein "völkischer Nationalsozialist" wie Björn Höcke habe die Macht in der Partei übernommen. Davor könne man nicht mehr die Augen verschließen, mahnte Varwick.

    Für Ghettos Freiwillige suchen, "die auch zur Not bereit sind, auf Frauen und Kinder zu schießen"

    RTL zufolge sprachen Teilnehmer einer JA-Veranstaltung in Bautzen vom Aufbau eines Wohn- und Arbeits-Ghettos, in dem Menschen mit einem Migrationshintergrund gebracht werden sollten mit dem Ziel, "dass sie es dann so überhaben, dass sie irgendwann von selbst zurückgehen in das Land ihrer Vorfahren." Um möglichen aggressiven Reaktionen in so einem Ghetto zu begegnen, müsse es eine gewisse Gewaltbereitschaft geben. "Als Staat würde ich Freiwillige suchen, die auch zur Not bereit sind, auf Frauen und Kinder zu schießen." Weiter hieß es dem Bericht zufolge, auch "die Lösung mit den Juden wäre, denen eine Gegend zuzuweisen, wo die alle hinkommen".
    Teilnehmer der JA-Veranstaltung forderten laut RTL zudem, dass deutsche Ehepaare mindestens vier Kinder bekommen müssten, und dass man Tribunale mit Laienrichter schaffen solle, um nach einem Umsturz in Deutschland ,"Verbrecher", die sich am Eigentum des Volkes vergangen hätten, zu verurteilen und hinzurichten - zum Beispiel Bundeskanzler Scholz. RTL-Reporter hatten nach eigenen Angaben Undercover an der Veranstaltung der JA teilgenommen.

    "Natürlich wusste die AfD, welcher Ton in JA herrscht"

    Auf Nachfrage von RTL haben sich JA und AfD von verfassungsfeindlichen und menschenverachtenden Aussagen distanziert. Zudem verwiesen sie demzufolge auf das bekannte Narrativ, wonach eingeschleuste V-Leute des Verfassungsschutzes solche Aussagen absichtlich getätigt hätten. Belege wurden nicht vorgelegt.
    Das ehemalige JA-Mitglied Nicolai Boudaghi sagte dem Sender, ganz allgemein wisse die AfD "natürlich", welcher Ton in der JA herrsche. Die Partei sei vollständig informiert gewesen, habe aber nichts dagegen getan. Laut Boudaghi gab es Bundesvorstandssitzungen mit der AfD zusammen, wo Aussagen aus JA-Gruppen Thema gewesen seien.

    Verbot von JA und AfD wird diskutiert

    Anfang der Woche hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die "Junge Alternative" weiterhin als "gesichert extremistische Bestrebung" einstufen darf. Laut dem Gericht vertritt sie Positionen, die gegen die Menschenwürde verstoßen. Dazu zähle das Festhalten an einem "völkisch-abstammungsmäßigen Volksbegriff". Hinzu komme eine "massive ausländer-, islam- und muslimfeindliche Agitation".
    Aus der Politik kamen zuletzt mehrfach Forderungen, die JA, die als Verein organisiert ist, zu verbieten. Auch über ein Parteiverbot der AfD wird seit den Enthüllungen des Medienhauses Correctiv über Vertreibungsfantasien in Bezug auf Ausländer und Deutsche verstärkt debattiert. Unter anderem Varwick und andere Professoren warben zuletzt dafür, ein Parteienverbot zu prüfen. Gegner warnen indes, so ein Verbot sei schwer umzusetzen und könnte im Fall eines Scheiterns der AfD nützen.

    Bundestagsabgeordnete fordern Abberufung von JA-Chef Gnauck aus Verteidigungsausschuss

    Der JA-Vorsitzende Gnauck ist Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Verteidigungsausschuss. Dessen Vorsitzende Strack-Zimmermann (FDP) sagte der "Rheinischen Post", sie sehe die Sicherheit des Landes gefährdet, weil der Vorsitzende einer extremistischen Organisation Zugang zu eingestuften Informationen erhalte. Der stellvertretende Ausschussvorsitzende Otte (CDU) forderte, die Personalie Gnauck müsse im Ältestenrat des Bundestages geprüft werden. Ähnlich äußerten sich andere Ausschussmitglieder.
    Diese Nachricht wurde am 08.02.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.