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Politologe zu G20
"Trump hat immer die eigene Klientel im Fokus"

Im Handelskrieg zwischen China und den USA könnten die Europäer als Vermittler kaum etwas bewirken, sagte Politikwissenschaftler Stefan Fröhlich im Dlf. Das einzige mögliche Korrektiv für den US-Präsidenten sei Druck von innen, noch aber stehe Trumps Klientel unerschütterlich hinter ihm.

Stefan Fröhlich im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (l.) und US-Präsident Donald Trump im Gespräch beim G20-Gipfel in Osaka
US-Präsident Trump, beim G20-Gipfel in Osaka im Gespräch mit Frankreichs Präsident Macron, habe handelspolitisch immer die eigene Klientel im Blick, sagt Politologe Stefan Fröhlich (Brendan Smialowski / AFP)
Dirk-Oliver Heckmann: Unter hohem Sicherheitsaufwand hat im japanischen Osaka der G20-Gipfel begonnen. Zum Auftakt ist Bundeskanzlerin Merkel mit US-Präsident Trump zusammengekommen, der sie sozusagen als Kontrastprogramm zu seiner steten Kritik an der deutschen Politik erst mal mit Komplimenten überhäufte.
Mitgehört hat Professor Stefan Fröhlich, Politikwissenschaftler an der Universität Erlangen-Nürnberg. Schönen guten Tag, Herr Fröhlich.
Stefan Fröhlich: Schönen guten Tag, Herr Heckmann.
Heckmann: Sie beobachten das ja schon sehr lange. Welchen Wert haben Gipfel der G20?
Fröhlich: Ja, das Thema ist in der Tat nicht neu, und es ist in der Regel immer die Eingangsfrage, welchen Wert haben diese großen Gipfel. Sie haben schon ihren Wert, aber man sollte sie natürlich tatsächlich nicht überbewerten. Das liegt natürlich zunächst einmal daran, an der Nichtverbindlichkeit aller Aussagen, aller Abschluss-Kommuniqués, die am Ende eines solchen Gipfeltreffens stehen. Wir haben das in der Vergangenheit erlebt und wissen, wodurch die Welt im Moment oder auch die Welthandelsorganisation und der Freihandel herausgefordert wird. Insofern darf man von solchen Gipfeltreffen tatsächlich nicht zu viel erwarten. Im Moment sehr wahrscheinlich, wo der Bilateralismus und der bilaterale Handelsstreit zwischen den Vereinigten Staaten und China im Mittelpunkt steht, am allerwenigsten.
G20-Gipfel ohne Wert?
Heckmann: Was sollen diese Treffen dann bringen, wenn die Beschlüsse, die Kommuniqués nicht verbindlich sind?
Fröhlich: Na ja, die große Hoffnung kann natürlich nur darin liegen: Wofür gibt es solche Regime, wie wir sie nennen, oder internationale Organisationen, dass sie in irgendeiner Form - das ist die Hoffnung - verhaltenssteuernd wirken können. Wir haben im vergangenen Jahr gehört, da hieß es bei den Abschluss-Kommuniqués 19 gegen eins, 19 Staats- und Regierungschefs gegen Trump, ob es in der Klimafrage war, oder in der Frage des Freihandels …
Heckmann: Hat aber nichts gebracht!
Fröhlich: Hat nichts gebracht, genau. Die Hoffnung ist aber natürlich da, dass das in irgendeiner Form - und man sollte ja auch nicht unterschätzen, was hinter den Kulissen auch in der Vorbereitung solcher Gipfeltreffen geschieht -, dass in irgendeiner Form etwas zu bewegen ist. Ich gebe allerdings wirklich zu bedenken: Gerade in der augenblicklichen Situation ist es schwer vorstellbar, dass beispielsweise die Europäer, die immer prominent in diesem Zusammenhang ins Spiel gebracht werden als Vermittler, als Mediator zwischen China und USA, dass das in der jetzigen Phase etwas bewirken kann.
Bei Trump sehe ich eigentlich nur ein mögliches Korrektiv, oder zwei. Das eine ist zunächst einmal natürlich die innenpolitische Komponente. Erst wenn der Druck von innen wächst, glaube ich, wird dieser Präsident in irgendeiner Form einlenken. Und das zeichnet sich ab, zumal die amerikanische Wirtschaft kurz vor einer Rezession steht, wie viele meinen, Beobachter und Ökonomen meinen. Vielleicht ist es das, was am Ende etwas bewirken kann. Und dann natürlich die Frage der Europäer, wie sie selbst auf ihn zugehen und vielleicht auch ein Stück weit mit ihm gemeinsam China ins Visier nehmen. Da gibt es übrigens am Rande des G20-Gipfels durchaus oder gab es im Vorfeld beim Treffen der Handelsminister schon ein klares Signal. Da haben wir 19 gegen eins - im Sinne 19 Staats- und Regierungschefs gegen China.
Europa zwischen den Fronten im Handelskrieg
Heckmann: Sie denken, dass sich der Frontverlauf insofern verschieben könnte, dass die Europäer sich klar an die Seite Donald Trumps stellen, stellen sollten auch?
Fröhlich: Ich würde nicht sagen, klar an die Seite Donald Trumps gegen China - aber wir sollten beispielsweise daran erinnern, das ist auch wenig bekannt, dass im Rahmen der Welthandelsorganisation es derzeit eine Arbeitsgruppe gibt, schon seit längerem, die eingerichtet wurde, in der die Europäer mit den Amerikanern und mit dem Gastgeber des G20-Gipfels Japan bemüht sind, mit Blick auf China einfach strengere Regeln gegen Industriesubvention - das berührt natürlich das Thema Reform des Welthandelsregimes gegen Staatsbetriebe, Patentschutz etc., der berühmte erzwungene Technologietransfer -, da etwas gegen zu tun. Und das ist eigentlich auch klug, was nicht umgekehrt ausschließt, dass die Europäer natürlich alles daran setzen sollten, auch Trump in irgendeiner Form einzufangen, und das wird auch jetzt bei dem G20-Gipfel, egal wie dieses Abschluss-Kommuniqué aussieht, natürlich zwischen den Zeilen wieder herauszulesen sein.
Heckmann: Haben sie dazu die Macht, Herr Fröhlich, die Europäer?
Fröhlich: Die Europäer haben zumindest ein Instrument, und das ist: Sie können Trump einfangen, indem sie von sich aus etwas tun. Das dürfen wir nicht vergessen. Es geht nicht darum, dass wir nachgeben in diesem Zollstreit, aber es geht darum, dass wir dort, wo Forderungen berechtigt sind, auch einlenken, auf Trump zugehen, was mit Sicherheit unsere Vermittlungsbemühungen auch gegenüber China oder das Verhalten Trumps gegenüber China ein Stück weit, denke ich, entschärfen kann. Es gibt schon Möglichkeiten.
Heckmann: In welchen Punkten wäre das, Herr Fröhlich? Wo sollten die Europäer da einlenken? Die Europäer selber sagen ja, unser Verhalten ist absolut fair. Stimmt das nicht?
Fröhlich: Ihr Verhalten ist fair, aber natürlich ist es völlig richtig: Man kann darüber natürlich diskutieren, inwieweit die Kritik von Trump berechtigt ist. Aber wir sollten nicht unterschätzen, wenn Sie sich anschauen, wenn Sie den relativen, wie das unter Ökonomen so schön heißt, Öffnungsgrad sich der Volkswirtschaften anschauen, dann gilt bis heute - und das hat die Europäische Kommission selbst kleinmütig eingeräumt -, dass die amerikanischen Märkte oder der amerikanische Markt bis vor kurzem, bis Trump kam, relativ offener war als der der Europäer. Die Europäer sollten sehen, Stichwort Autozölle, Stahlzölle et cetera, wo man etwas bewegen kann, und das könnte man tun. Da sollte man zumindest ein Zeichen setzen - und das geschieht im Übrigen im Moment auch ein Stück weit im Hintergrund, von der Öffentlichkeit wenig beachtet in der Neuverhandlung einer Art, wie es so schön heißt TTIP, das Freihandelsabkommen, was ja gescheitert ist zunächst mal und auf Eis gelegt worden ist, was wieder verhandelt wird und wo die Europäer auch durchaus signalisiert haben, wo sie bereit sind einzulenken.
Wir haben keinen anderen Weg. Ob die Europäer damit Erfolg haben? Mit Sicherheit nicht so viel, wie es der Druck von innen vermag auf den Präsidenten. Entscheidend wird sein, dass dieser wächst, und wenn Trump Probleme bekommt - das ist genau das gleiche wie in der Iran-Frage - mit seiner eigenen Klientel, erst dann dürfen wir darauf hoffen, dass sich vielleicht irgendetwas bewegt.
Trumps Blick immer Richtung Washington
Heckmann: Trump hat ja angekündigt, im kommenden Jahr wieder als nächster Präsident zu kandidieren. Welche Rolle spielt der Wahlkampf in dieser ganzen Angelegenheit und welchen Einfluss hat das auf sein Verhalten?
Fröhlich: Ich würde sagen - und ich sage das seit Beginn seiner Amtszeit -, alles was Trump auch auf außenpolitischer Bühne tut, ist immer zunächst oder hat zunächst immer im Fokus, wie reagiert die eigene Klientel darauf. Das hat damit etwas zu tun, dass wir wissen, dass das Land im Moment sehr, sehr polarisiert ist. Trumps Lager und Klientel steht ganz offensichtlich unverändert unerschütterlich hinter diesem Präsidenten. Und das hat nur damit etwas zu tun, dass er in ihren Augen nicht in allen Fällen 100 Prozent liefert, aber zumindest seine Ankündigungen wahrnimmt oder wahrgemacht hat, dass er alles daran setzen wird, dass er seine Agenda durchsetzt, und das ist die Agenda natürlich auch seiner Wählerschaft. Insofern ist alles, was auf außenpolitischer Ebene passiert, ob das Verhandlungen mit Kim sind, ob das das Thema Iran ist, wo der Präsident im Moment in einem Dilemma steckt, wie weit kann er gehen bezüglich einer roten Linie - einen Krieg, hat er ja durchaus explizit gesagt, will er nicht. Das ist die Verlegenheit, das ist das Dilemma dieses Präsidenten. Und nochmals: Alles was er tut und sagt und was er verhandelt, hat immer auch den Blick in Richtung Washington.
Politik der Strafzölle in der Kritik
Heckmann: Er ist ja international großer Kritik ausgesetzt, Donald Trump, wegen seiner ständigen Drohungen, in verschiedenste Richtungen Strafzölle zu verhängen. Jetzt ist es aber so, dass Mexiko beispielsweise ja auf seine Drohungen reagiert hat und Soldaten und Polizisten, tausende davon, an die nördliche Grenze geschickt hat, um Migranten aufzuhalten. Muss man nicht sagen, das Konzept, andere Länder mit Strafzöllen zu überziehen und damit zu drohen, geht auf aus seiner Sicht?
Fröhlich: Das ist richtig und das reklamiert er natürlich auch für sich als einen entsprechenden Erfolg. Nun ist Mexiko nicht China, und Mexiko ist auch nicht die Europäische Union. Da reden wir von anderen Handelsvolumina, da reden wir ohnehin von einer weitestgehend asymmetrischen Handelsbeziehung der Gestalt, dass natürlich Mexikos Abhängigkeit von den USA weitaus größer ist als umgekehrt. Insofern lässt sich gegenüber kleineren und schwächeren Staaten natürlich, wobei das jetzt nicht heißen soll, Mexiko ist ein kleiner oder schwacher Staat, aber wir müssen einfach mal die Relationen zurechtrücken, die Anteile am Welt-Bruttosozialprodukt, am Welthandel et cetera, dann kriegen wir ein anderes Bild. Insofern lässt sich das mit China mit Sicherheit nicht in der Form so ohne weiteres umsetzen wie mit Blick auf Mexiko.
Aber es ist ein Signal. Und ich meine, wir sollten auch nicht unterschätzen: Ich gehe davon aus, dass China trotz allem bereit ist. Wenn es tatsächlich zu einer Art Burgfrieden kommen sollte, nicht am Rande dieses G20-Gipfels, damit rechne ich nicht, aber vielleicht doch noch rechtzeitig, dann wird das mit Konzessionen von chinesischer Seite verbunden sein. Denn der Druck wächst natürlich auf China insgesamt, nicht nur aus den Vereinigten Staaten, sondern mittlerweile auch aus Europa. Die Europäische Kommission hat sich klar und deutlich dazu geäußert. Hier werden die Stimmen, hierzulande werden die Stimmen lauter, die sagen, wir müssen China dort auch in die Schranken weisen - und das ist durchaus der Fall - wo es gegen Geist und Regeln der WTO auch regelmäßig verstößt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.