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Politologe zu Strache-Video
"Glaubwürdigkeit ist nicht die große Stärke der Rechtspopulisten"

Bei vielen rechtspopulistischen Parteien in Europa könne man erkennen, dass deren Mitglieder wiederholt zu nicht ganz legalen Mitteln griffen, sagte der Politologe Uwe Jun im Dlf. Aber deren Wähler schrecke das nicht ab. Sie würden die Parteien ohnehin nicht wegen ihrer Glaubwürdigkeit wählen.

Uwe Jun im Gespräch mit Christine Heuer |
Die gedruckten Titel der "Süddeutschen Zeitung" und des "Spiegel" zur Strache-Affäre liegen nebeneinander auf dem Tisch
Süddeutsche und Spiegel haben den Skandal um Strache ins Rollen gebracht (picture-alliance / dpa / Keystone / APA / Hans Punz)
Christine Heuer: Ein Video, vor zwei Jahren in einer Finka auf Ibiza gedreht, stellt Österreichs Politik komplett auf den Kopf. Der FPÖ-Chef Strache, bis Samstag Vizekanzler der Regierung, bietet darin einer angeblichen russischen Oligarchen-Nichte lukrative staatliche Bauaufträge an. Bedingung: Die Russin soll die größte österreichische Zeitung, die Krone kaufen und dort für positive FPÖ-Berichterstattung sorgen und der Partei gerne auch geheim, also illegal Geld spenden. Strache trat am Tag nach der Veröffentlichung zurück; im September soll es Neuwahlen geben. Aber wie will Bundeskanzler Sebastian Kurz von der ÖVP bis dahin weiterregieren? Eine Frage, auf die es heute Antworten gibt oder geben wird.
Am Telefon ist der Politologe Uwe Jun. Er lehrt an der Uni Trier. Guten Tag, Herr Jun!
Uwe Jun: Guten Tag, Frau Heuer!
Heuer: Zeigt die Rechte jetzt ihr wahres Gesicht?
Jun: Na ja. Man kann sagen, dass die Rechtspopulisten in bestimmten Fragen ja schon immer so gedacht haben, wie es Strache jetzt nur sehr pointiert in diesem Video zum Ausdruck bringt, nämlich eine gewisse Skepsis gegenüber Medien allenthalben und eine gewisse Form der Zusammenarbeit mit Menschen, die den Rechtspopulisten helfen, weil sie von vielen anderen gesellschaftlichen Gruppen keinerlei Hilfe erwarten.
Heuer: Ist das ein Einzelfall, wie jetzt viele populistische Parteien außerhalb von Österreich es sagen? Oder sind die einfach so, die Rechten in Europa?
Jun: Man kann sagen, dass viele rechts- und nationalpopulistische Parteien wie gesagt ein sehr kritisches Verhältnis zu Medien haben, dadurch sich in ihrem Einfluss bedroht sehen, und zum anderen, dass die eine oder andere, nicht ganz legale Form oder zumindest umstrittene Form des Suchens des eigenen Vorteils sehr bekannt ist. Bei Herrn Trump haben wir das in ähnlicher Form gesehen. Auch die AfD hat ja Parteispenden-Skandale nun schon gerade noch nicht mal hinter sich, sondern befindet sich in diesen. Und auch in Frankreich beim Rassemblement National von Frau Le Pen sahen wir Ähnliches, wo auch die Finanzierung völlig unklar war von einzelnen Geldern.
Kein Vertrauen in andere Parteien
Heuer: Die Medien, die Finanzen und auch eine gewisse Nähe zu Russland kann man ja immer wieder beobachten, bei rechten Parteien in Europa auch. Müsste das die Wähler nicht eigentlich abschrecken?
Jun: Es ist so, dass die meisten Wähler von rechtspopulistischen Parteien diese nicht per se wegen der Rechtspopulisten wählen, sondern weil sie den anderen Parteien nicht mehr so richtig vertrauen. Glaubwürdigkeit ist nicht die große Stärke der Rechtspopulisten. Die wird ihnen auch von den Wählern in der Regel nicht besonders stark zugeschrieben. Trump genießt etwa auch keine große Glaubwürdigkeit. Auch die Wähler der AfD oder der Lega in Italien sagen nicht, dass diese Partei besonders glaubwürdig ist, sondern sie lehnen es ab, deren Wähler, das, was man die etablierte Politik nennt. Sie haben Skepsis, Kritik gegenüber der Globalisierung, gegenüber der Europäischen Union, gegenüber Einwanderern, und das ist etwas, was sie am Ende zusammenführt, nicht die Glaubwürdigkeit der eigenen Politik.
Heuer: Im Video wird ja glasklar, die FPÖ—Führung will die Medien auf Linie bringen, sie ist bereit, für ihre Machtergreifung den eigenen Staat gegen illegale Spenden an Russen zu verkaufen. Was für ein Staatsmodell vertritt diese Partei denn?
Jun: Na ja, man kann schon sagen, es geht hier um den eigenen Vorteil. Das, was sie eigentlich kritisch den politischen Eliten gegenüber anmerken, nämlich nur den eigenen Vorteil zu suchen und nicht die Interessen der Bevölkerung zu vertreten, das verkehrt sich jetzt gegen sie, kann man sagen, denn sie verhalten sich ähnlich. Das Verhalten zumindest von Herrn Strache hier ist ähnlich zu klassifizieren.
Heuer: Ähnlich wie die Vorwürfe.
Jun: Ähnlich wie die Vorwürfe. Natürlich, genau. Das, was sie quasi den etablierten Parteien vorhalten, so verhalten sie sich jetzt genau. Man versucht, den eigenen Vorteil zu nutzen, um im Parteienwettbewerb daraus Profit zu schlagen.
"Außerhalb Österreichs sehe ich da keine gravierenden Verschiebungen"
Heuer: Und zwar mit fast allen Mitteln, wie es den Anschein hat. Hat das noch viel mit Demokratie zu tun, Herr Jun?
Jun: Das wäre es natürlich nicht. Es hat auf jeden Fall nichts mit Rechtsstaatlichkeit zu tun. Rechtsstaatlichkeit ist ein wesentlicher Bestandteil eines demokratischen Gemeinwesens, und dagegen verstößt es eindeutig.
Heuer: Glauben Sie, das wird Folgen haben bei den Wählern in Österreich?
Jun: Das wird in Österreich der Fall sein, ja. Ich kann mir schon vorstellen, dass in Österreich jetzt das Nachdenken darüber beginnt, auch bei vielen Wählern, die die FPÖ gewählt haben. Aber außerhalb Österreichs sehe ich da keine gravierenden Verschiebungen.
Heuer: Warum nicht?
Jun: Das liegt einfach daran, dass viele ihrer Wähler, der Wähler rechtspopulistischer Parteien, das sehr schnell als österreichische Besonderheit, Eigenheit darstellen werden, so wie wir es ja auch schon hören, und dass die verschiedenen sozialen Gruppen mittlerweile recht weit voneinander abgekoppelt sind. Sehen Sie: Wenn ich als Rechtspopulist sage, die anderen sind unglaubwürdig, dann kann ich selbst mich der Unglaubwürdigkeit entziehen und kann wieder behaupten – und das macht ja auch Trump oder machen viele andere -, das, was dort behauptet wird, ist wiederum nicht glaubwürdig, und die verschiedenen sozialen Gruppen schotten sich ab, glauben nur das, was jeweils aus ihrer Richtung interpretiert wird und ihnen an Informationen gegeben wird.
Heuer: Die Rechten, die Populisten können behaupten, was sie wollen; ihre Wählerschaft glaubt das.
Jun: Sie können sich immunisieren, weil sie immer sagen – und es ist ja auch hier wieder "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung" -, das sind die etablierten Medien, die ohnehin gegen uns sind, die haben uns in eine Falle gelockt. So stellt es ja auch Herr Strache dar und viele ihrer Wähler werden das glauben, weil hier wie gesagt es lange vorbereitet ist, dass man den etablierten Medien und der etablierten Politik keinen Glauben mehr schenkt. Das hört man ja tagtäglich aus deren Mund, aus dem Mund der Rechts- und Nationalpopulisten.
Heuer: Die Kritik an den Medien, die illegale Spendenpraxis – wir haben über die Ähnlichkeiten von Rechtspopulisten in Europa schon gesprochen -, das nimmt ja die AfD auch nicht aus. Wie ähnlich ist die AfD der FPÖ?
Jun: Es bestehen da Gemeinsamkeiten, aber auch Differenzen. Man darf nicht vergessen, dass Herr Gauland bis vor kurzem und, ich glaube, noch bis vor wenigen Tagen die FPÖ als Vorbild charakterisiert hat. Insofern muss es da ja erhebliche Gemeinsamkeiten geben. Die FPÖ hat auch, man kann sagen, ein ähnliches Programm, ähnliche politische Vorstellungen. Ich will jetzt der AfD aber nicht unterstellen, dass ihre Parteiführung zu ähnlichen Schritten greifen würde.
"Es könnte eine Gegenmobilisierung noch mal stärker hervortreten"
Heuer: Aber es gibt Ähnlichkeiten. Trotzdem sagen Sie, Herr Jun, im Rest Europas, also auch in Deutschland wird es keine Folgen für in diesem Fall dann die AfD haben bei der anstehenden Europawahl.
Heuer: Ja. Wie gesagt, ich denke keine gravierenden Folgen. Es kann natürlich sein – und das wäre dann eine indirekte Folge -, dass insbesondere diejenigen, die sich ohnehin schon eher abgestoßen fühlen von den rechtspopulistischen, nationalpopulistischen Positionen, dass die jetzt noch mal stärker zur Wahl gehen, weil sie hier noch mal sehen, mit welchen unlauteren Methoden gearbeitet wird, und sich davon abgestoßen fühlen. Es könnte eine Gegenmobilisierung noch mal stärker hervortreten.
Heuer: Reagieren die demokratischen Parteien in Deutschland eigentlich angemessen auf die AfD? Oder ist das eher eine etwas hilflose Performance, die wir da beobachten?
Jun: Ich sehe schon, dass die deutschen Parteien hier eine klare Linie verfolgen, nämlich die Linie, keinerlei Kooperation, keinerlei Zusammenarbeit, die Ausgrenzungsstrategie verfolgen. Das sehen wir ja so in der Form nur selten. In Schweden haben wir es noch ähnlich, aber ansonsten haben wir auch in vielen anderen Staaten die Kooperationsform, zumindest die partielle Kooperationsform, und insofern ist da schon eine klare Strategie gegenüber der AfD erkennbar, nämlich die der Ausgrenzung.
Heuer: Aber das wird ja auch nicht durchgängig praktiziert. Ich sage nur die CSU, die Viktor Orbán über Jahre immer wieder empfangen hat, auch um Angela Merkel eins mitzugeben auf die Art und Weise. Das ist das Gegenteil von Ausgrenzung.
Jun: Sie haben recht. Für die CSU gilt das nicht zu 100 Prozent, im Gegensatz zur CDU, zu ihrer Schwesterpartei, was ja auch beide Parteien getrennt hat in letzter Zeit und zu erheblichen Disharmonien zwischen CDU und CSU geführt hat.
"Auf jeden Fall ist diese Koalition am Ende"
Heuer: Sebastian Kurz von der ÖVP hat ja in Wien sogar die FPÖ in die Regierung geholt. Ist der jetzt eigentlich mehr Opfer oder mehr Täter, Herr Jun?
Jun: Na ja. Es kann natürlich so sein, dass man ihn nicht völlig freisprechen kann, weil er wusste, mit wem er sich da einlässt. Insofern ist er natürlich nicht nur Opfer. Aber ich denke schon, man kann ihn jetzt nicht als Täter bezeichnen, weil die Verhaltensweisen von Herrn Strache, die hier in dem Video offenbar wurden, und auch von Mitstreitern von Herrn Strache konnte er natürlich nicht vorhersehen.
Heuer: Wie geht es jetzt weiter in Österreich?
Jun: Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Regierungskoalition nicht mehr fortgeführt werden kann, ist sehr hoch. Neuwahlen sind ja schon anberaumt und da muss man sehen, wie man die Übergangszeit bis zu diesen Neuwahlen ausgestaltet. Man könnte auch mit einer Minderheitsregierung kurz, glaube ich, leben in Österreich und dann im September die Neuwahlen durchführen. Vielleicht kann man aber auch die Neuwahlen dann doch noch vorziehen. Auf jeden Fall ist diese Koalition doch scheinbar oder ganz sicher am Ende.
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