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Politologe zum Mueller-Bericht
"Dieser Kampf ist noch nicht ganz vorbei"

US-Präsident Donald Trump sieht sich durch den Bericht von Sonderermittler Robert Mueller zur Russland-Affäre voll entlastet. Doch vielleicht könnte dies voreilig geschehen sein, sagte der Politologe Jackson Janes im Dlf. Die Frage der Justizbehinderung werde noch zu Auseinandersetzungen im Kongress führen.

Jackson Janes im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
Sieht sich durch den Mueller-Bericht entlastet: US-Präsident Donald Trump
Sieht sich durch den Mueller-Bericht entlastet: US-Präsident Donald Trump (dpa/picture alliance/ZUMA Wire)
Tobias Armbrüster: Zwei Jahre lang hat Robert Mueller ermittelt. Hunderte von Zeugen hat sein Team vernommen. Alles, um Vorwürfen nachzugehen, Donald Trump habe russische Hilfe in Anspruch genommen bei der letzten Präsidentschaftswahl. Dieser Bericht von Robert Mueller ist nun fertig; er ist allerdings noch nicht öffentlich. Aber so viel scheint zumindest festzustehen: Die Vorwürfe gegen Donald Trump, die lassen sich so nicht erhärten. Ich habe darüber heute Morgen mit Jackson Janes, Politikwissenschaftler an der Johns Hopkins University in Washington. Ich habe ihn zunächst gefragt, ob das alles ein Grund zum Feiern ist für Donald Trump.
Jackson Janes: Ich glaube, die Sektflaschen waren sehr zahlreich heute Abend im Weißen Haus - vielleicht etwas voreilig. Aber immerhin hat er einen Siegestanz schon gezeigt heute Abend im Fernsehen, und ich glaube, das wird so weitergehen.
Armbrüster: Warum meinen Sie voreilig?
Janes: Das, was jetzt noch kommen muss, ist die komplette Ausführung des Berichts von Robert Mueller. Wir haben nur vier Seiten jetzt zur Verfügung, geschrieben vom Justizminister, und das Ganze ist noch nicht veröffentlicht beziehungsweise zugänglich gemacht worden. Es kann sein, dass das in den nächsten Tagen erscheint, und dann wird das grundlegend und intensiv ausgelegt, gerade von dem Demokraten im Haus und im Senat. Dieser Kampf, diese Auseinandersetzung ist noch nicht ganz vorbei.
Dr. Jackson Janes, Direktor des American Institute for Contemporary German Studies at Johns Hopkins University, in der ZDF-Sendung Maybritt Illner
Jackson Janes: Die Demokraten haben sich zuviel Hoffnung gemacht (picture alliance/ Eventpress Stauffenberg)
Nur vier Seiten zur Verfügung
Armbrüster: Aber fest scheint zumindest zu stehen, es gab keine Verstrickungen von Donald Trump in dieser sogenannten Russland-Connection, oder?
Janes: Das ist dann offensichtlich, was in dem Bericht steht, laut dieser vier Seiten, die wir zur Verfügung haben, und es wird wahrscheinlich nicht an der Stelle etwas gravierend wirken für die weitere Auslegung, sondern Justizbehinderungen. An diesem Thema konnte Robert Mueller keine Entscheidung treffen und von daher wird das weiterhin umstritten bleiben zwischen dem Justizminister, dem Weißen Haus und dem Kongress.
Armbrüster: Was könnte da genau zu Tage treten? Was könnte da noch schwierig werden für Donald Trump, wenn es um diesen Punkt geht, Behinderung der Justiz?
Janes: Die Auseinandersetzung findet statt in dem Sinne, wie weit er versucht, den Prozess von dem Mueller-Bericht ständig zu kritisieren. Das hat er sowieso öffentlich gemacht. Aber darüber hinaus, was man eventuell vorfindet mit gewissen Schwerpunkten, sagen wir mal, politisch gesehen: Was hat er mit James Comey besprochen. All diese Einflüsse, die er ausgeübt hat oder versucht hat auszuüben, um diesen Prozess zu verlangsamen, oder zumindest in den letzten zwei Jahren seine Stimme zu erheben, dies ist eigentlich ein sogenannter Witch-Hunt. Das kommt ja auch ans Tageslicht und ich glaube, wir müssen nicht vergessen, die andere Seite von diesen Untersuchungen liegt außerhalb des Mueller-Berichts. Es gibt eine ganze Menge Untersuchungen, die in der Rechtskanzlei in New York unternommen werden, und das läuft übrigens auch parallel dazu.
Armbrüster: Sie sprechen von einem Witch-Hunt, von einer Hexenjagd, und Sie haben James Comey erwähnt, den ehemaligen FBI-Chef. Wenn es jetzt um diesen Punkt geht, Behinderung der Justiz, warum ist es so, dass der Bericht von Robert Mueller da nicht zu einem eindeutigen Urteil kommt? Wovor schreckt er da zurück?
Janes. Das wissen wir auch nicht genau. Er hat nur gesagt, er wollte eigentlich das dem Justizminister und auch gleichzeitig wahrscheinlich dem Kongress überlassen. Warum er das gemacht hat und warum er keine Entscheidung getroffen hat in dem Bericht, steht noch in Unklarheiten, und ich glaube, das wird ein sehr wichtiger Gegenstand von der Untersuchung, die im House of Representatives stattfindet.
Demokraten haben zu viel reingepackt
Armbrüster: Können wir denn jetzt zumindest sagen, mit den wenigen Erkenntnissen, mit den wenigen Informationen, die wir haben: Trumps Gegner haben sich, was diesen Bericht angeht, völlig übertriebene Hoffnungen gemacht?
Janes: In gewisser Weise haben sie zu viel reingepackt und zum Teil auch dann die Hoffnung gehabt, dass das zu einem gewissen sogenannten Impeachment-Verfahren führt. Das war auch voreilig.
Armbrüster: Ein Amtsenthebungsverfahren. Das ist völlig vom Tisch?
Janes: Das ist, glaube ich, momentan nicht im Mittelpunkt, sagen wir mal so, und ich glaube, die Demokraten sind momentan ziemlich verwirrt, was sie machen wollen, in dem Sinne, sie können nicht einfach dann Herrn Mueller kritisieren, dass er nicht so weit gegangen ist, weil sie ihn ständig als Held aufgestellt haben in den letzten zwei Jahren. Gleichzeitig werden sie wahrscheinlich doch sagen, aber wir müssen doch mal unsere eigene Meinung haben zu dem Bericht, und das wird wohl auch dann zumindest ein Problem sein in den nächsten 20 Monaten. Im November 2020 stehen die Wahlen an und ich frage mich eigentlich, inwieweit die amerikanische Wählerschaft bis dahin dieses Thema noch bearbeiten will oder anhören will. Da müssen die Demokraten unheimlich aufpassen, dass sie nicht zu viel hier versuchen anzupacken. Sonst werden sie auch in einer ähnlichen Situation landen wie 2016.
Armbrüster: Das heißt, Sie haben ein bisschen den Eindruck, die Öffentlichkeit in den USA ist müde über diese Berichte, über diese Russland-Connection?
Janes: Ich glaube, eine ganze Menge Leute sind erschöpft von der Auseinandersetzung, und ich glaube, sowohl als auch. Die Leute, die zu Trump stehen, die sind natürlich entsetzt, dass es nach wie vor so weit gekommen ist. Aber auf der anderen Seite glaube ich, die Leute, die nicht Trump wählen wollen, wollen nicht nur über das Thema reden. Die wollen ja über ihre eigene Zukunft was hören. Insofern müssen die Demokraten noch sehr aufpassen, dass sie nicht diese Sache zu weit treiben.
Gemeinsamer Nenner für die nächsten 20 Monate
Armbrüster: Nun lässt diese Zusammenfassung ja auch die Schlussfolgerung zu, dass Russland bei den letzten Wahlen die Finger durchaus im Spiel hatte, auch wenn Donald Trump das nicht mit kontrolliert hat, dass Russland außerdem versucht, immer noch Einfluss zu nehmen. Wie ernst wird dieser russische Einfluss, wie ernst wird das in den USA genommen?
Janes: Ich glaube, das ist schon ein Punkt, wo man eigentlich am Ende sagt, hier ist eine Einigung zwischen den beiden Lagern, republikanisch und demokratisch, dass man sagen könnte, das was die Russen, die eindeutig versucht haben – diese Tatsachen sind in dem Bericht von Mueller -, in unsere Entscheidungsprozesse, in unser Wahlsystem hineinzuwirken, dass das wieder in 2018 sichtbar war, und es wird auf alle Fälle in 2020 versucht werden. Ich glaube, das könnte auch dann ein Punkt sein, wo man vielleicht oder eventuell einen gemeinsamen Nenner findet in den nächsten 20 Monaten, zu sagen, da müssen wir aufpassen, dass das nicht wieder passiert. Könnte sein – Prinzip Hoffnung.
Armbrüster: Jetzt wartet man in Washington darauf, dass dieser komplette Bericht veröffentlicht wird. Überrascht Sie das eigentlich, dass das Papier immer noch nicht auf dem Tisch liegt, sondern dass alle jetzt seit dem Wochenende mit diesen vier Seiten Zusammenfassung arbeiten?
Janes: Das ist auf der einen Seite bürokratisch und auf der anderen Seite gab es Tausende von Seiten und die müssen natürlich durchgegangen werden, welche sind sicherheitshalber auszustreichen, oder wo auch immer man sieht, wo jemand erwähnt wurde und öffentlich nicht erwähnt werden sollte. Es ist einfach eine Zeit, die Tage, wenn nicht ein paar Wochen dauert. Aber ich glaube schon, dass das innerhalb der nächsten Zeit, sagen wir mal, in den nächsten zwei Wochen auf alle Fälle erscheinen muss, weil wir dürfen nicht vergessen: Im House of Representatives hat fast die gesamte Mehrheit dafür plädiert, dass das Ganze veröffentlicht wird, und auch vom Präsidenten ist das gekommen. Insofern ist es nur eine Frage von Tagen, wenn nicht einer Woche.
Armbrüster: Hier bei uns in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk war das der amerikanische Politikwissenschaftler Jackson Janes. Vielen Dank, Herr Janes, für Ihre Zeit.
Janes: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.