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Politologe zum US-Wahlkampf
"Trump wird sich weiter mausern"

Donald Trump und Hillary Clinton stehen als US-Präsidentschaftskandidaten so gut wie fest. Binnen neun Monaten sei Trump von der Lachnummer zur Nummer eins in seiner Partei aufgestiegen, sagte der Politikwissenschaftler Christian Hacke im DLF. Der Republikaner habe das Potenzial, Clinton zu schlagen, denn die Demokratin habe entscheidende Schwächen.

Christian Hacke im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Donald Trump bei seiner Rede nach dem Sieg in den Vorwahlen im US-Bundesstaat New York am 19.04.2016.
    Paradox: Immobilienmilliardär Donald Trump gewinnt mit seinem Underdog-Image die Sympathien der Menschen (afp / Jewel Samad)
    Jochen Spengler: Wir sind nun telefonisch verbunden mit Professor Christian Hacke, der sich als Politikwissenschaftler gut auskennt mit den amerikanischen Verhältnissen. Guten Tag, Herr Hacke.
    Christian Hacke: Seien Sie gegrüßt, Herr Spengler!
    Spengler: Der Außenseiter Trump hat es tatsächlich geschafft. Er steht so gut wie fest als republikanischer Präsidentschaftskandidat, womit ja all die Auguren und Meinungsforscher unrecht hatten. Jetzt sagen die, er hat keine Chance gegen Hillary Clinton. Könnten die sich nicht wieder irren?
    Von der Lachnummer zur Nummer eins der Republikaner
    Hacke: Das könnten sie gut, denn im Grunde genommen haben sich ja jetzt zehn Monate lang die Auguren, die über ihn gerätselt haben, aber natürlich auch die amerikanische Bevölkerung geirrt. Die Amerikaner haben ihn lange für eine Lachnummer gehalten. Und jetzt müssen Sie sich mal überlegen: Binnen neun Monaten ist er von der Lachnummer zur Nummer eins der Republikaner aufgestiegen.
    Das ist eine solche Sensation, wie es ja auch in dem Porträt und dem Bericht von Ihnen auch anklang. Das ist unglaublich. Er hat sich als ein ganz ausgefuchster Wahlkämpfer gezeigt. Und nun kommt natürlich die Nagelprobe. Jetzt müssen wir abwarten und sehen, wie er dann vermutlich als Präsidentschaftskandidat der Republikaner sich gegenüber Hillary Clinton behauptet.
    Spengler: Nun gilt die ja als erfahrener, als vernünftiger. Sie führt auch in den Umfragen. Sie hat angeblich die Frauen, die Latinos und die Afroamerikaner auf ihrer Seite. Da müsste man doch sagen, da hat er keine Chance.
    Hillary Clinton repräsentiert das Establishment
    Hacke: So einfach ist das nicht, Herr Spengler. So einfach ist das nicht. Wir haben einen Wahlkampf von zwei Persönlichkeiten, die eigentlich beide ziemlich unpopulär sind. Bei Donald Trump haben wir das ja gesehen, das brauchen wir nicht zu vertiefen. Aber Hillary Clinton hat so einen Makel als kühl, unnahbar, natürlich auch dynastisch, und sie repräsentiert das Establishment. Und wenn es einen Faktor gegeben hat, der die Entwicklung der letzten neun Monate gedreht hat, dann ist es die Stimmung im Volk, in dem amerikanischen Volk, dass die Mehrheit der Amerikaner sagt, irgendwas läuft in unserem Land nicht mehr richtig, wir sind auf falschem Kurs.
    Und dieses Establishment mit seiner Political Correctness, mit seinen Formeln, die nichts gebracht haben, die wollen wir nicht mehr, und dazu gehört Hillary Clinton. Und ich würde sagen, sie ist geradezu die Personifizierung dieses Establishments, und das ist eine große Hypothek für sie. Und ob sie dann nur mit den Frauen durchkommt, das ist abzuwarten. Jetzt sind sie schon fast gleichauf in den Meinungsumfragen. Und vergessen Sie eins nicht: Es gibt auch so eine innere Dynamik und diese Dynamik spricht bisher über die letzten Monate für Trump und er wird jetzt natürlich umschalten beim Wahlkampf gegen die Clinton und da wird sie einiges zu knacken haben.
    Amerika ist seit 15 Jahren im Anti-Terror-Krieg
    Spengler: Lassen Sie uns einen Moment bei einer Bemerkung bleiben, die Sie gerade gemacht haben, dass die Leute die Nase voll haben, die bewegt, irgendwas läuft schief in unserem Land. Was bewegt denn die Leute? Was läuft denn schief in Amerika in den Augen so vieler?
    Hacke: Na ja, das ist vieles. Die Menschen sind frustriert, weil insgesamt das Land vom Kurs abgekommen ist. So ist das Gefühl. Und in vielerlei Hinsicht, vergessen Sie nicht: Seit 15 Jahren ungefähr ist Amerika in dem Anti-Terror-Kampf oder Anti-Terror-Krieg, wie es ja auch zum Teil gesagt wird, was enorme Summen kostet, was einen quasi militärischen geheimdienstlichen Komplex im Land hat aufbauen lassen. Das ist unamerikanisch. Dann sind die Arbeitsplätze weggefallen. Die weiße Klasse ist dann im Zuge - das haben wir gesehen - der finanz- und Wirtschaftskrise zu kurz gekommen.
    Die Leute haben das Gefühl, dass nur die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer. Und das ist das Entscheidende und das verbindet übrigens auch das amerikanische Schicksal mit dem der Europäer. Wir haben eine Veränderung einer ehemals demokratisch-bürgerlichen Gesellschaft hin zu immer mehr Reichtum und immer mehr Armut und die Mittelschicht wird immer dünner, und das wird auch gesehen und das ist natürlich auch eines der Momente, wo dann einer populistisch wie Trump und mit Witz und mit Anti-Establishment- und mit Underdog-Mentalität, was die Amerikaner besonders gern mögen, dort reinhaut.
    Paradox, dass ein Immobilienmilliardär den einfachen Mann repräsentiert
    Spengler: Und da stört es auch nicht, dass ausgerechnet er ein Milliardär ist?
    Hacke: Das ist ja gerade das Raffinierte und zum Teil für uns auch Unerklärliche, dass ein Mann, reicher wie alle anderen 16 republikanischen Bewerber, jetzt praktisch zum Kandidaten vermutlich gekürt wird und gleichzeitig das Image mitbringt, dass er den einfachen Mann sozusagen repräsentiert. Das ist schon sehr paradox, sehr bizarr, aber es wird so wahrgenommen.
    Spengler: Wenn Sie jetzt der Wahlkampfberater von Hillary Clinton wären, was würden Sie ihr denn raten? Als Teil des Establishments ist sie mit verantwortlich für das, was Sie gerade alles beschrieben haben, Arbeitslosigkeit, Krieg gegen den Terror etc. Sie gilt ja auch als eine toughe, als eine harte Frau in dieser Richtung. Wie müsste ihre Strategie gegen Trump lauten?
    Hacke: Vielleicht ist es verkehrt, was ich sage, aber vielleicht sagen auch manche Berater ihr intern: Gute Frau, warum tust du dir das jetzt alles noch an. Ich meine, das muss man auch mal sehen.
    Hilary Clinton zuwenig volksnah, zu kühl
    Spengler: Sie würden Ihr raten, aufzugeben?
    Hacke: Ich will Ihnen sagen: Die Sache ist erstens lange nicht gelaufen. Zweitens glaube ich, dass der Underdog Trump sich jetzt auch als Präsidentschaftskandidat weiter mausern wird. Er hat bisher das Anti-Establishment, die Schwachen, die zu kurz gekommenen Weißen bedient. Er wird jetzt sich wandeln. Er wird präsidentieller auftreten. Und ich glaube, es wäre nicht auszuschließen, dass er kaum noch zu stoppen ist. Eine Frau wie die Clinton, die nicht volksnah ist, die nicht das hat, was er hat - er ist volksnah, das muss man sagen -, sie hat nicht das, was ihr Mann hatte, sozusagen dieses auf die Leute zugehen.
    Spengler: Dieses ständige Umarmen!
    Hacke: Dieses ständige Umarmen. - Sie ist nicht populär in dem Sinne. Sie ist kühl und ob sie das alleine von der Vernunft schaffen wird, gegen eine emotionale Welle, die im Land in eine andere Richtung geht, wage ich sehr zu bezweifeln. Das ist für uns Europäer schwer zu verstehen. Ich finde wirklich nur den kleinsten Teil von Trump gut, hätte ich beinahe gesagt. Es gibt weniges, was man da gut finden kann, wenn man vom Kopf die Dinge durchspielt. Aber er hat halt die Versäumnisse der herrschenden Klasse geschickt aufgegriffen und ich würde mich nicht wundern, wenn er damit auch unter Umständen noch durchmarschieren kann.
    Eliten der westlichen Welt sind unfähig, den Niedergang aufzuhalten
    Spengler: Ihre Skepsis ist deutlich zu hören, Herr Professor Hacke. - Müssen wir denn, muss die Welt Angst haben vor Donald Trump?
    Hacke: Also Herr Spengler, ich will Ihnen sagen: Vieles wird heiß gekocht, aber dann, wenn es gegessen wird, dann ist es natürlich auch schon alles kühler geworden. Das sieht alles nicht so schlimm aus. Ich glaube nicht, dass wir Angst haben müssen, sondern worüber wir uns Gedanken machen müssen ist, dass ein Mann wie er auch bei uns auftauchen kann. Und dann muss man sagen: Die AfD ist bisher oder rechtspopulistische Kräfte in Europa sind bisher noch nicht so stark gewesen, weil ihnen das fehlt, was Trump hat: ein gewisser Humor, ein gewisser Witz, natürlich auch eine gewisse Frechheit, nicht immer ganz schön.
    Aber wenn noch jemand hier aufgestellt wird, der das Anti-Establishment, gegen die Parteien, die Political Correctness noch geschickter, noch witziger aufmischt, dann kann bei uns auch einiges passieren. Und es ist nicht nur zum Schaden, denn die etablierten Parteien, sei es bei uns in Europa oder auch in Amerika, haben das, was wir umfassend sehen als nämlich den Niedergang der westlichen Welt der letzten 10, 15 Jahre. Da führt kein Weg dran vorbei! Da zeigen sie keine Fähigkeit, das Ruder herumzureißen, auch nicht die nötige Selbstkritik, und deshalb sind die Leute wie in Amerika und, ich würde sagen, zum Teil auch in Europa unzufrieden mit den herrschenden Parteien. Es wird aufgemischt, es sind unruhige Zeiten und warten wir ab.
    Mehr Protektionismus ist keine Lösung der Probleme des 21. Jahrhunderts
    Spengler: Dann will ich die Frage anders stellen. Ist er vielleicht in der Lage, um es positiv zu wenden, das Ruder herumzureißen, wie Sie sagen? Hätte er eine Chance, so wie einst Ronald Reagan, zu einem zumindest in Amerika anerkannten großen Präsidenten zu werden?
    Hacke: Man kann nichts ausschließen. Aber Ronald Reagan ritt in die 50er-Jahre zurück und hat die Amerikaner noch mal wirklich in Schwung gebracht und hatte enormen Instinkt. Instinkt hat hier der Trump auch. Aber ich fürchte, er wird uns mehr in die 30er-Jahre zurückreiten, und da sind natürlich - - Ich sehe überhaupt nicht, dass er mit seinen Mitteln, mit mehr Protektionismus und vielem anderen mehr, dass das die Lösung für die Probleme des 21. Jahrhunderts ist. Ganz im Gegenteil!
    Aber er wird Amerika stärker positionieren und er wird, was Amerika immer originell stark gemacht hat, die Wirtschaftskraft, die Wirtschaftsmacht auch durch das, was er psychologisch leisten kann, wahrscheinlich in Schwung bringen. Es wird auch mehr Protektionismus geben. Die transatlantischen Beziehungen werden härter werden. Aber er wird Amerika selbstbewusst in der internationalen Politik positionieren, auch gegenüber Russland. Aber die Europäer werden sich nicht nur mit Blick auf TTIP wärmer anziehen müssen, denn er hat deutlich gemacht, dass die Verbündeten sich mehr um sich selbst kümmern müssen, mehr Eigenleistung bringen müssen, militärisch vieles mehr. Er ist kein Militarist, er will sich eher zurückziehen, und das ist das Hauptproblem.
    Spengler: Professor Christian Hacke war das. Ich danke Ihnen sehr für Ihre Zeit heute mittag und für die Ansichten über Donald Trump.
    Hacke: Ich danke Ihnen auch, Herr Spengler.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.