Die Wut in Iran ist groß nach der Ermordung des Atomwissenschaftlers Mohsen Fakhrizadeh. Der Richtungsstreit im Land über die zukünftige Atompolitik hat sich verschärft, der Machtkampf wurde neu entfacht. Für den Anschlag macht Teheran den israelischen Geheimdienst Mossad verantwortlich. Das iranische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet - in erster Lesung - das einen höheren Anreicherungsgrad von Uran erlauben soll. Wenn dieses Gesetz in Kraft treten sollte, dann verhindert es eine Rückkehr zum Atomabkommen von 2015. Über die Auswirkungen des Parlamentsbeschlusses und die Chancen auf eine Annäherung zwischen Washington und Teheran äusserte sich die Nahost-Expertin Azadeh Zamirirad von der Stiftung Wissenschaft und Politik im Dlf.
Entscheidungen fallen nur beim Revolutionsführer
Laut Zamirirad stünden sich derzeit die Regierung, die von Pragmatisten geführt wird, und das deutlich konservativere Parlament gegenüber. Mit dem neuen Gesetz solle die Regierung verpflichtet werden, der Internationalen Atomenergieorganisation unter anderem den Zugang zu Nuklearanlagen im Land zu verweigern und die Urananreicherung auch wieder auf 20 Prozent zu erhöhen, wenn es nicht innerhalb von zwei Monaten zu Sanktionserleichterungen kommt. Kritiker von möglichen Neuverhandlungen mit Washington gebe es aber in allen politischen Fraktionen, letztlich werde aber weder in der Regierung noch im Parlament entschieden, sondern im Büro des Revolutionsführers.
Das Parlament fordere, dass Sanktionen im Öl- und Finanzssektor, die nach dem Rückzug der USA aus der Atomvereinbarung im Mai 2018 verhängt worden sind, innerhalb von acht Wochen gelockert werden.
Druckmittel für die Rohani-Regierung
"Der Vorwurf, dass Washington sich einseitig aus der Vereinbarung zurückgezogen hat, obwohl Teheran sich damals ja nachweislich an seinen Teil der Vereinbarung gehalten hat, ist ja nicht von der Hand zu weisen. Und für alles, was daraus erwachsen ist, machen Kritiker eben auch die iranische Regierung verantwortlich. Es geht hier einmal also um ganz gewöhnliche machtpolitische Auseinandersetzungen, aber gleichzeitig geht es auch darum, dass man sich davon durchaus eine bessere Ausgangsposition für die eigenen Verhandlungsführer verspricht. Die Rohani-Regierung kann ja nach außen treten und danach auf den innenpolitischen Druck im Innern des Landes hinweisen und so dann womöglich auch eine größere Dringlichkeit erzeugen", sagte Zamirirad.
Es sei positiv, dass der künftige US-Präsident Joe Biden verkündet habe, zu der Atomvereinbarung zurückkehren zu wollen. Er habe aber auch deutlich gemacht, dass die USA dann Folgevereinbarungen mit Iran treffen will, bei denen es beispielsweise um Irans Regionalpolitik oder das ballistische Raketenprogramm gehen soll - das werde schwierig zu erreichen sein. Voraussetzung sei aber ohnehin, dass man überhaupt erst einmal zu einem Atomkompromiss zurückfinden will, dieser müsse aber auch nachhaltiger sein als der vorherige. Zamirirad betonte, eine diplomatische Lösung sei nach wie vor möglich, doch sei Eile geboten:
"Es ist auch ein bisschen so ein Rennen gegen die Zeit. Biden muss möglichst schnell konkrete Schritte für eine Rückkehr in das Abkommen unternehmen und dann auch erste Sanktionen aussetzen, sonst laufen wir tatsächlich Gefahr, dass die Atomdebatte in Iran endgültig zugunsten von Hardline-Kräften kippt", so Zamirirad.
Das vollständige Interview können Sie in der Mediathek nachhören.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.