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Polizei testet Analyse-Software
Mit dem Tablet auf Einbrecherjagd

Auswertungen ergeben: Wo schon einmal eingebrochen wurde, ist der nächste Einbruch oft nicht weit. Im niedersächsischen Salzgitter geht die Polizei deshalb versuchsweise mit einer Analyse-App auf Streife. Auf Basis bisheriger Fälle soll sie vorhersagen, wo weitere Taten wahrscheinlich sind.

Von Dietrich Mohaupt |
    Die Illustration zeigt einen Einbrecher, der eine Tür öffnet.
    Wie Einbrecher denken, liegt gar nicht so im Dunkeln. Sogar Computer können das mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorhersagen, wenn sie genug Daten haben. (picture alliance / dpa / Nicolas Armer)
    Seit Februar ist das Routine für Polizeihauptkommissar Frank Datko: Noch während der Streifenwagen vom Gelände der Polizeiinspektion in Salzgitter-Lebenstedt rollt, schaltet er sein Tablet ein und startet "PreMap", ein Programm, das die Polizisten bei ihrer täglichen Arbeit unterstützen soll. Ein kurzer Blick auf die angezeigte Übersichtskarte – schnell ist ein Zielgebiet für die Fahrt ausgesucht.
    "Ja, Roland, ich würde mal sagen, wir fahren mal die Kattowitzer Richtung Norden, Richtung Sterntaler – das ist hier entsprechend ausgewiesen – und gucken mal da nach dem Rechten!"
    Verstärkte Streife in Risikogebieten
    Auf dem Bildschirm ist ein ganzer Flickenteppich farblich markierter Bereiche zu sehen. Die Farben reichen von blau über orange bis rot – sie geben Auskunft darüber, in welchen Stadtteilen Salzgitters wie oft eingebrochen wurde. Regelmäßig erhält das System online dazu die neuesten Daten.
    "Die Straftaten, die unmittelbar gestern passiert sind, sind in Rot dargestellt, das geht dann über Straftaten der letzten Woche, die in Orange dargestellt sind, über die letzten zwei Wochen in Grün bis zu vier Wochen, die dann in Blau dargestellt sind … und die bilden dann quasi diese Risikogebiete ab."
    Programm simuliert simple Täterlogik
    In diesen Risikogebieten können die Beamten dann ganz gezielt verstärkt Streife fahren – das soll potentielle Einbrecher abschrecken. Unter anderem in Salzgitter soll die Polizei das in einem Modellprojekt noch bis zum Herbst testen. Das System nutzt kriminologische Erkenntnisse aus den USA über ein Phänomen, das man auch in Niedersachsen nachgewiesen habe, erklärt einer der Projektleiter von "PreMap", Alexander Gluba vom Landeskriminalamt in Hannover. Einfach gesagt: Statistisch belegbar ist, dass nach einem Wohnungseinbruch vermutlich kurz darauf ganz in der Nähe noch einmal eingebrochen wird. Dahinter steckt simple Täterlogik.
    "Stellen Sie sich vor, in einem Gebäude gibt es viel zu holen – dann ist das nebenan auch nicht unüblich. Stellen Sie sich Reihenhaussiedlungen vor, da ist das Layout der Häuser sehr gleich, da weiß ich als Täter, ich komme hier durch den Keller gut rein, werde nicht gesehen, die Türen sind nicht gut gesichert – dann ist das nebenan mit aller Wahrscheinlichkeit auch so."
    Software berechnet einen Risikoscore
    Aus solchen Informationen und bestimmten Tatmerkmalen – wie gehen die Täter vor, was für Werkzeuge verwenden sie, auf welche Beute sind sie aus – haben die Experten des LKA ein detailliertes Bewertungssystem für Wohnungseinbrüche entwickelt.
    "Wir haben da 65.000 Taten uns angeschaut und genau solche Merkmale identifiziert. Und aus diesen Merkmalen berechnen wir dann Scores. Vereinfacht gesagt: Je höher dieser Score, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass so eine Tat, so ein Near Repeat, passiert."
    LKA setzt auf Eigenentwicklung
    Wie diese Wahrscheinlichkeiten berechnet werden – das ist Betriebsgeheimnis der Experten vom LKA. Nur so viel dazu: Man habe sich nicht einfach eine fertige Softwarelösung aus dem Ausland – den USA z.B. – besorgt, auch aus Datenschutzgründen, betont Alexander Gluba.
    "Im Ausland werden personenbezogene Daten mit einbezogen, da werden Prognosen für das kriminelle Verhalten von Personen angestellt – das ist in Deutschland alles so nicht erlaubt. Wir haben etwas Eigenes entwickelt, weil wir einfach technisch sehr, sehr weit waren, das schnell umsetzen konnten – wir wollten auch die Hoheit über unsere Daten behalten. Wir haben natürlich eine Marktsichtung betrieben, aber waren dann guter Dinge, das doch auch selbst für kleineres Geld realisieren zu können."
    Kosten der App: 100.000 Euro
    Rund 100.000 € hat die Entwicklung von "PreMap" gekostet – herausgekommen ist dabei eine Software, die aber nicht ohne den Faktor Mensch auskomme, betont Alexander Gluba. So müsse z.B. grundsätzlich jeder Dienststellenleiter alle von "PreMap" gelieferten Informationen über Risikogebiete in seinem Verantwortungsbereich noch einmal bewerten, bevor sie für die Tablets in den Streifenwagen freigeschaltet werden:
    "Also – der Mensch spielt da eine entscheidende Rolle – nicht nur auf Grund der Überlegungen des Datenschutzes, der einfach voraussetzt, dass noch einmal der Mensch drauf schaut – die wollen kein Durchsteuern einer maschinellen Prognose. Aber … wir folgen dieser Vorgabe gerne, weil wir auch sagen, es geht gar nicht ohne Menschen. Inwieweit sie dann unseren … ich sag mal maschinellen Hinweisen gefolgt sind oder nicht, werden wir auch am Ende auswerten, aber wir unterstellen, dass dort der Kopf angeschaltet wird und der kriminalistische Kopf ist uns da sehr, sehr wichtig!"
    Der Patrouillenerfolg bleibt unsichtbar
    Einer dieser kriminalistischen Köpfe – Polizeihauptmeister Frank Datko – ist inzwischen wieder auf dem Weg zurück zur Dienststelle in Salzgitter-Lebenstedt. Während der Streifenwagen auf den Hof rollt zieht er eine kurze Zwischenbilanz. Ein Modellprojekt, meint er ganz pragmatisch – ob die elektronische Verbrechensvorhersage wirklich funktioniert, wird sich erst später zeigen.
    "Ob wir einen Täter vertrieben haben, wissen wir nicht – gefangen haben wir leider keinen, das ist immer so die Idealvorstellung. Insofern kann man erst messen, was diese Streifenfahrt gebracht hat, wenn wir Zahlen haben, ob die Taten in einem bestimmten Zeitraum in dem Bereich zurückgegangen sind oder eben auch nicht."