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Polizeigewalt
Stuttgart-21-Einsatz war rechtswidrig

Mit dem harten Polizeieinsatz gegen eine Demonstration der Gegner des Bahnprojekts Stuttgart 21 im September 2010 hat das damals schwarz-gelb regierte Baden-Württemberg gegen das Grundgesetz verstoßen: Zu diesem Urteil kommt das Stuttgarter Verwaltungsgericht.

    Dietrich Wagner, heute nahezu erblindete, wurde damals von Wasserwerfer-Druckstößen am Kopf getroffen.
    Dietrich Wagner, heute nahezu erblindete, wurde damals von Wasserwerfer-Druckstößen am Kopf getroffen. (Imago / PPfotodesign)
    Vor fünf Jahren wurden durch den Einsatz von Wasserwerfern, Schlagstöcken und Tränengas durch die Polizei mehr als 100 Menschen verletzt. Für die Richter am Stuttgarter Verwaltungsgericht hat es sich bei dem Protest gegen die Baumrodungen im Schlossgarten rechtlich gesehen um eine vom Grundgesetz besonders geschützte Versammlung gehandelt. Für ein Vorgehen der Polizei gegen Versammlungen gebe es hohe Hürden. Zwar dürften die Beamten einzelne Straftaten verfolgen, nicht aber die gesamte Versammlung mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray beenden.
    Der heutige Innenminister Reinhold Gall (SPD) ließ mitteilen, dass das Land die Entscheidung "natürlich akzeptieren" werde. Auch äußerte er sein Bedauern über das "unverhältnismäßige Einschreiten der Polizei".
    Der heute nahezu erblindete Dietrich Wagner, der am 30. September 2010 bei einem Wasserwerfereinsatz gegen Stuttgart-21-Demonstranten an den Augen verletzt wurde, sitzt am 18.11.2015 in Stuttgart (Baden-Württemberg) zum Auftakt einer Verhandlung zur Rechtmäßigkeit des Polizeieinsatzes in einem Gerichtssaal des Verwaltungsgerichts, im Hintergrund sitzen Prozessbesucher.
    "Ein guter Tag für die Demokratie" (Picture Alliance / dpa / Marijan Murat)
    Zwei Untersuchungsausschüsse zur Rolle von Mappus
    Der Einsatz am 30. September 2010 – später erhielt er den Beinamen "Schwarzer Donnerstag" wurde noch verantwortet unter der Ägide der schwarz-gelben Regierung des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus. Tausende Demonstranten waren damals in den Schlossgarten geströmt, als dieser für die erste Phase des Umbaus am Hauptbahnhof geräumt werden sollte. Das Milliarden-Bahnprojekt "Stuttgart 21" sieht die Umwandlung des bisher überirdischen Kopfbahnhofs zu einer unterirdischen Durchgangsstation vor. Ob und wie sehr Mappus damals auf einen harten Einsatz drängte, verhandelt inzwischen ein zweiter Untersuchungsausschuss des Landtags.
    Geklagt hatten sieben damalige Demonstrationsteilnehmer. Unter den sechs Männern und einer Frau ist auch der heute nahezu erblindete Dietrich Wagner, der von Wasserwerfer-Druckstößen am Kopf getroffen worden war. Medial in Erinnerung blieb ein Foto des heute 70-Jährigen, das ihn damals mit blutenden Augen zeigte.
    Die Polizei beschießt Gegner des Bahnhofprojekts Stuttgart 21 am Donnerstag (30.09.10) im Schlosspark in Stuttgart mit Wasserwerfern. Die Polizei wollte damit Wege im Stuttgarter Schlossgarten räumen, den eine Gruppe von Demonstranten blockierte.
    Der Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlosspark am 30. September 2010 (AP)
    Anwalt von Dietrich Wagner zufrieden
    Mit der Entscheidung des Gerichts steigen nun die Chancen der Opfer von damals auf Schadenersatz. Wagners Anwalt Frank-Ulrich Mann zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung. Er hofft für seine Mandanten auf eine außergerichtliche Einigung. Man warte auf Signale vom Land. Andernfalls werde man erneute Gang vor Gericht ziehen. Für Wagner will der Anwalt eine Summe von 100.000 Euro ansetzen. Wagner selbst sprach der Nachrichtenagentur Dpa zufolge von einem "guten Tag für die Demokratie". Zugleich hoffe er auf eine "ehrliche Entschuldigung des Landes beim Volk".
    (tön/tgs)