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Polizisten-Roulette
Warum moderne Sicherheitstechnik die Streifenbeamten vor Ort nicht erreicht

Von Peter Welchering |
    Manfred Kloiber: Genau diese Diskussionen wollen Sicherheitsforscher jetzt stärker führen. Es wird dazu auch mehrere Veranstaltungen in Amsterdam geben. Warum erreichen diese Einsatzkonzepte, diese Technologien die Politik nicht, Peter Welchering?
    Peter Welchering: Das ist in erster Linie das Argument der Polizeigewerkschaften. Die sagen: Die Technologien, die wir brauchen, die sind ja verfügbar, die gibt es am Markt zu kaufen. Aber sie werden nicht für uns beschafft, weil die Politik das nicht hinbekommt. Da wird immer ein wenig unterschlagen, das wir es hier mit einem unglaublichen komplexen Problem zu tun haben. Die föderale Beschaffungsstruktur in Deutschland ist sicherlich ein Hemmschuh. Da will kein Innenminister die Lufthoheit über die Polizei in seinem Beritt aufgeben. Aber ich widerspreche der Einschätzung, diese Konzepte seien nicht in der Politik angekommen. Sie sind angekommen, sie werden da nur sehr schräg diskutiert.
    Kloiber: Wie verhindert denn die politische Diskussion den Einsatz von vernünftigen Sicherheitstechnologien?
    Welchering: Nehmen wir mal die vernetzte Leitstelle. Da geht es darum, dass auf der einen Seite Big-Data-Analysen dem Polizeibeamten in seiner Entscheidung helfen, wie er mit einer bestimmten Lage umgeht, wohin er Kräfte schickt. Die Übertragungswege, LTE beispielsweise, die Endgeräte, Smartphones bei den Polizisten, Bodycams, um Bilder von der Lage vor Ort an die Leitstelle zu schicken – das ist ja alles verfügbar. Auch die Präsentationstechniken in der Leistelle, etwa, um aus den Bodycam-Bildern der Polizisten vor Ort ein einheitliches Lagebild zu visualisieren – das gibt es alles. Die politische Diskussion ging aber nicht in die Richtung: Wie kriegen wir das koordiniert beschafft? Und wie kriegen wir das – auch in unserer föderalen Struktur – möglichst einheitlich und standardisiert umgesetzt. Die Diskussion der Sicherheitspolitiker gingen eher so in die visionäre Ecke: Das ist das Problem.
    Kloiber: Diese visionäre Weiterung, die müssen wir mal an einem Beispiel diskutieren.
    Welchering: Big-Data-Analyse, Bodycam, LTE, Präsentationstechnik – vier Techniken für den Polizeialltag. Die kann man nehmen, ihre rechtsstaatlich saubere Umsetzung diskutieren und dann einsetzen. Passiert ist aber etwas anderes. Die Sicherheitspolitiker diskutierten die Frage: Das lässt sich noch mit Techniken der Virtuellen Realität weiterentwickeln, um einfach bessere Überwachung etwa von Bahnhöfen oder anderen Plätzen hinzukriegen. Das war zunächst in Großbritannien eine stark ausgeprägte Diskussion in Jahr 2014, die ist dann auch ein wenig nach Deutschland rübergeschwappt. Und diese visionäre Weiterung bestehender Technologien, die hat zu Ablehnung geführt. Denn da entstehen natürlich Ängste vor dem totalen Überwachungsstaat. Das scheint meines Erachtens das Grundübel hier zu sein: Statt einzelne Technologien und deren rechtsstaatlich saubere Anwendung zu diskutieren, schlagen Sicherheitspolitiker dann über die Stränge und wollen so einen großen Wurf. Das erzeugt Gegendruck. Das hilft der Polizei nicht. Das lässt uns in Sachen Sicherheitstechnik um Jahre der organisierten Kriminalität hinterhinken.
    Kloiber: Wird diese Diskussion auf die Sicherheitskonferenz in Amsterdam auswirken haben?
    Welchering: Aber ja. Schon im Vorfeld war jetzt deutlich zu sehen, dass die technische Diskussion weggeht von diesen visionären Entwürfen. Also statt Ganzkörperanzug für den Beamten in der Leitstelle, der mit VR einen Bahnhof überwacht, eher in die Richtung: Wie kriegen wir eine Fahndungs-App auf den Smartphones der Streifenbeamten so abgesichert, das niemand reinhackt. Wenn die Sicherheitspolitik diesen Ansatz nicht mitmacht, dann werden wir in Europa auch keine vernünftigen Sicherheitstechniken schnell genug umsetzen können. Und der Ruf nach neuen Sicherheitsgesetzen, der ist da auch völlig kontraproduktiv. Denn die Sicherheitstechnologien sollen ja den freiheitlichen Rechtsstaat absichern helfen und ihn nicht einschränken oder gar abschaffen.
    Kloiber: Peter Welchering über den vernetzten Polizisten, vielen dank!