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Polnische Abgeordnete im EU-Parlament
Gespannte Kollegialität

Im Streit zwischen der polnischen Regierung und der Opposition ist etwas Ruhe eingekehrt, seit die Gegner der allein regierenden PiS nicht länger das Parlament besetzen. Anspannung herrscht aber trotzdem und nicht nur dort: Im Europaparlament lässt es sich nicht vermeiden, dass Politiker beider Lager aufeinandertreffen.

Von Paul Vorreiter |
    Belgien: Europäisches Parlaments in Brüssel, gesehen vom Luxemburg Platz.
    51 polnische Europa-Abgeordnete laufen sich in Brüssel über den Weg. (dpa / picture-alliance / Daniel Kalker)
    Redebedarf gab es kürzlich zum Thema Polen im Plenum des Europa-Parlaments. Was von der Politik der nationalkonservativen Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu halten sei – der Umgang mit Medien, Frauenrechten, der Streit um das Verfassungsgericht - in all diesen Fragen ist das Land gespalten. Die 51 polnischen Europa-Abgeordneten setzen die heimische Diskussion in Straßburg fort.
    "Und erzählt mir nicht, dass es euch hier um Freiheit und Rechte geht, denn darum geht es euch am wenigsten", sagt der PiS-Abgeordnete Ryszard Antoni Legutko im Plenum. Die Abgeordnete der oppositionellen Bürgerplattform (PO), Barbara Kudrycka, versucht in einer Minute Redezeit dagegen zu halten: "Die Regierung sagt, wir werden die Opposition zur Ordnung rufen. Das kennen wir bereits aus der Geschichte. Ist das nicht gefährlich?"
    Der Streit zwischen PiS und Opposition über die aktuellen Entwicklungen in Polen kommt einem Kulturkampf gleich: Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, wie verantwortungsvoll mit demokratischen Mehrheiten umgehen? – das interpretieren die Beteiligten grundverschieden. In Polen ging der Riss so weit, dass die Opposition knapp einen Monat lang den Plenarsaal des Sejms blockiert hatte. So weit ist es im Europarlament noch lange nicht, aber: "Ich persönlich arbeite nicht mit ihnen zusammen, weil sie bringen auch nichts Kreatives", sagt die deutschsprachige PO-Abgeordnete Róza Gräfin von Thun und Hohenstein über ihre nationalkonservativen Landsleute und Kollegen.
    "Sie wollen in der Öffentlichkeit nicht ihre dreckige Wäsche waschen"
    Die Parlamentarierin, Mitglied im Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz, begründet ihre individuelle Kontaktsperre mit europapolitischen Differenzen. Während sie sich für eine Harmonisierung von nationalen Gesetzen etwa beim Online-Handel einsetze, strebe die PiS nach starken Mitgliedsländern und starken nationalen Gesetzgebungen. Aber auch von Thun und Hohenstein findet, dass sich die Seiten irgendwann bewegen müssen: "Wir müssen das lösen. Das geht nicht so. So kann man nicht leben, ganz ehrlich gesagt. Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union verlangt von uns Befolgung der demokratischen Regeln und wir wollen in der EU bleiben."
    Doch wie löst man das Problem? Und können von den EU-Parlamentariern selbst positive Impulse ausgehen? Ja, meint Doru Frantescu von der Nicht-Regierungsorganisation "votewatchEurope", die das Abstimmungsverhalten der Euro-Abgeordneten analysiert. Parlamentarier in Brüssel und Straßburg gingen oft zurückhaltender miteinander um, hat er beobachtet:
    "Sie wollen hier in der Öffentlichkeit nicht ihre dreckige Wäsche waschen, deshalb äußern sie sich vorsichtig, denn sie wollen nicht das Image des Landes als Ganzes beschädigen. Wir hatten Ähnliches auch schon mit den ungarischen, italienischen und griechischen Abgeordneten erlebt. Ich glaube, die polnischen EU-Parlamentarier werden auf jeden Fall versuchen, den Dialog zwischen den Lagern aufrecht zu erhalten, auch wenn es schwierig wird, weil sie nur einen kleinen Teil ihrer nationalen Elite ausmachen."
    Rauchen verbindet die polnischen Abgeordneten
    Ein Dialog könnte durchaus auch über inhaltliche Schnittmengen befördert werden. PiS wie auch PO sind NATO-freundlich, fürchten beide einen größeren Einfluss Russlands in Osteuropa, befürworten eine Annäherung der Ukraine an die EU und verteidigen die polnische Energiepolitik, die auf Kohle setzt. Und: Es gibt noch andere Brücken.
    Hier im Foyer des Altiero-Spinelli-Abgeordnetengebäudes in Brüssel laufen sich die insgesamt 751 Europa-Abgeordneten und ihre Mitarbeiter täglich über den Weg. Sie trinken zusammen Café, plaudern. Das erlebt auch die sozialdemokratische Abgeordnete Krystyna Łybacka. Sie nennt derlei Kontakte das "mäßigende Syndrom" der Auslandspolen. Sie würde nur drei ihrer 50 polnischen Kollegen unterstellen, sich demonstrativ feindlich zueinander zu verhalten, aber sonst:
    "Wissen Sie, wir treffen uns auf den gleichen Flughäfen und während man auf die Maschine nach Polen wartet, reden wir miteinander, wir fragen die einen, warum sie so handeln, wie sie handeln, und die anderen antworten, wir hätten ja keine Ahnung, doch das ist kein Streit. Und wie Sie sehen: Ich habe ein Laster und in der Raucherkabine treffe ich Kollegen anderer Parteien, völlig anders denkender Parteien, aber erstens: Rauchen verbindet und zweitens bei Gesprächen von Angesicht zu Angesicht äußert jemand auch schon mal Kritik an der eigenen Partei, sagt, er wisse auch nicht, was dieser Wahnsinn soll. Das ist ehrlich. Und manchmal höre ich dann: Aber bitte sagen Sie das nicht weiter".