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Polnische Bischofskonferenz
Patriotismus ja, Nationalismus nein

Die polnische Bischofskonferenz überrascht mit einer Erklärung: Sie warnt vor nationalistischer Überheblichkeit. Die PiS-Regierung kann sich der klerikalen Unterstützung weiterhin sicher sein. Aber rechtsextreme Gruppen, die mit vermeintlich christlichen Parolen durch die Straßen ziehen, sollten sich nicht mehr auf die Kirche berufen.

Von Florian Kellermann |
    "Ave Christus Rex" skandierten die national-radikalen Anhänger der ONR, die am 29. April 2017 anlässlich ihres 83. Jubiläums aufmarschierten. Die polnische Kirche möchte diese Parolen nun nicht mehr hören.
    "Ave Christus Rex" skandierten die national-radikalen Anhänger der ONR, die am 29. April 2017 anlässlich ihres 83. Jubiläums aufmarschierten. Die polnische Kirche möchte diese Parolen nun nicht mehr hören. (dpa / Jan A. Nicolas)
    "Die christliche Gestalt des Patriotismus", heißt der Text, den die polnische Bischofskonferenz veröffentlicht hat. Dem Nationalismus stellt er einen - aus Sicht der Geistlichen - begrüßenswerten Patriotismus entgegen. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz Stanislaw Gadecki:
    "Die Kirche in Polen war immer eine Stützte des Patriotismus, gerade in Krisenzeiten. Der Patriotismus hat dazu geführt, dass wir nach den 123 Jahren der polnischen Teilung die Freiheit zurückgewonnen haben. Zwischen Kirche und Patriotismus gibt es keinen Widerspruch"
    Nationalismus jedoch stelle die eigene Nation über andere, das sei nicht zulässig. Für polnische Gläubige ist klar, wer damit gemeint ist: rechtsextreme Organisationen, die in Polen immer präsenter werden. Bei ihren Demonstrationen verwenden sie auch angeblich christliche Losungen, so am vergangenen Wochenende.
    Das National-radikale Lager, kurz ONR, feierte den 83. Jahrestag seiner Gründung, mehrere Hundert schwarz gekleidete Anhänger marschierten durch Warschau. "Ave Christus Rex", skandierten sie und: "Radikaler Nationalismus". Genau dazu passt die Erklärung der Bischöfe: Es sei Götzendienerei, eine christliche Begründung dafür zu suchen, nationale Konflikte anzuheizen.
    Die Nationalisten fühlen sich angesprochen, so Krzysztof Bosak von der Partei "Volksbewegung":
    "Heidnischer Nationalismus ist uns fremd"
    "Ich bin enttäuscht über dieses Dokument. Es scheint, dass die Autoren Nationalismus mit einem heidnischen Nationalismus gleichsetzen, der die Nation an die Stelle von Gott setzt. Das aber ist uns fremd. Unser Nationalismus ist seit den 1920er Jahren katholisch. Dieses Dokument lässt auch viele Fragen offen, zum Beispiel die Immigration."
    Die polnischen Nationalisten sind nicht nur dagegen, Flüchtlinge aufzunehmen. Auch Gastarbeiter lehnen sie ab, vor allem Ukrainer. Diese waren gemeint, als die ONR-Anhänger am Wochenende in Warschau skandierten:
    "Arbeit in Polen für Polen". Immer häufiger werden Ukrainer Opfer von Straftaten. So Anfang der Woche in Bialystok: Drei junge Männer schlugen mit einem Nagelbrett auf einen ukrainischen Jugendlichen ein, die Polizei geht von einem fremdenfeindlichen Motiv aus.
    Auch zum Nebeneinander der Kulturen äußerte sich die Bischofskonferenz. Deren Sprecher Pawel Rytel-Andrianik:
    "Patriotismus ist dem vierten Gebot verbunden: Du sollst Vater und Mutter ehren. Denn so sollen wir auch das eigene Zuhause ehren. Und diese Achtung übertragen wir auf den Nächsten, auf andere Nationen, auf andere Kulturen. Deshalb sagen die Bischöfe: Verschiedene Konfessionen, verschiedene Traditionen derer, die in Polen leben, verbindet diese Idee des Patriotismus."
    Der Text der Bischöfe erwähnt, dass auch orthodoxe Christen, Protestanten, Juden und Moslems dem gemeinsamen Vaterland gut gedient hätten. Das gelte auch für Religionslose. Er ruft auch zur "solidarischen Zusammenarbeit mit anderen Nationen" auf.
    Rechtskonservative PiS bleibt unter dem Schutz der Kirche
    Kritiker der katholischen Kirche reagierten erleichtert auf den Text, so der Krakauer Philosophieprofessor Jan Hartmann:
    "Das ist ein sehr wichtiges Dokument. Auch unter den Geistlichen gibt es Nationalisten, sie werden jetzt wohl etwas vorsichtiger auftreten. Der Text drückt das aus, was kulturell gebildete Menschen seit 100 Jahren wiederholen, vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg."
    An der Unterstützung der katholischen Kirche für die rechtskonservative Regierungspartei PiS ändert der Text indes nichts. Im Gegenteil, er unterstreicht gleich zu Beginn, wörtlich:
    "Die Belebung patriotischer Haltungen, die wir in den Polen in den vergangenen Jahren beobachten, ist ein sehr positives Phänomen." Innerhalb des Episkopats könnte der Text umstritten gewesen sein. Mitglieder des Episkopats wie der Krakauer Erzbischof Marek schlagen in ihren Predigten durchaus nationalistische Töne an und warnen vor dem verderblichen Einfluss des Westens.
    Der Breslauer Erzbischof Jozef Kupny, Autor des Texts, forderte Gläubige dazu auf, weniger über seine Formulierungen zu sprechen als vielmehr die praktische Frage zu stellen: Jeder sollte sein eigenes Handeln hinterfragen, sagte er.