Piep, piep, klingel "Hello",… that s me, no worries, I am letting you in…
Bydgoszcz, Zentralpolen. Im Stadtteil Fordon reiht sich ein Wohnblock an den anderen. In Haus Nummer 22 gibt es seit kurzem neue Mieter:
Hochparterre links öffnet sich die Tür. Jakub bittet in die kleine Zweizimmerwohnung. Er deutet auf eine blonde Vierjährige, die im Nebenzimmer auf einer Ausziehcouch hockt, umgeben von Spielsachen. Die Tochter seiner Lebensgefährtin:
"We are just sitting at home, because she is a little bit ill … a bit feverish, cough…"
Dieser Beitrag gehört zur fünfteiligen Reportagereihe "Polen: Geschichten vom Kommen, Gehen und Bleiben" in der Sendung "Gesichter Europas.
Mit Piano zurück in Polen
"Wir sind heut zu Hause, weil Cornelia ein bisschen krank ist", erzählt Jakub und geht ins Wohnzimmer. Die Rolläden sind heruntergelassen. Über einem riesigen Flachbildschirm flimmert tonlos eine polnische Koch-Show. Davor ein Eck-Sofa. Die Wände sind kahl, in der Ecke steht ein Kleiderschrank. Der untersetzte 33-Jährige in T-Shirt und Jogging-Hose deutet auf das E-Piano:
"Ich habe mein Piano, aber noch nicht meinen Stuhl", erzählt Jakub. Der Piano-Hocker steht noch verpackt in Großbritannien. Vor wenigen Wochen erst ist der 33-Jährige mit Freundin und Kind zurückgekehrt. Nach fünf Jahren in Mittelengland, zurück nach Polen. Genauer: Nach Bydgoszcz, obwohl er eigentlich aus Breslau stammt. Hier ist das Leben billiger.
"Ich habe hier alles, was ich brauche. Günstigere Unterkunft. Die Eltern meiner neuen Partnerin leben nur 40 Kilometer entfernt. Und sie haben Zeit auf die Kleine aufzupassen. Das Leben in Polen ist viel günstiger als in Großbritannien. Aber, wenn man vergleicht, was man hier für seine Arbeit bekommt: Es ist einfach lächerlich. Es hat sich in den fünf Jahren, in denen ich in Großbritannien war, nicht wirklich verändert. Man muss sein Geld zusammenhalten, wenn man überleben will."
Fünf Jahre schuften auf der Insel
In England hat Jakub fünf Jahre lang alle möglichen Jobs gemacht. Als Ungelernter hatte er keine große Wahl:
"Ich war Picker und Packer. Ich habe für einen Paketdienst gearbeitet. Oder als Lagerarbeiter im Kühlraum, bei minus 20 Grad. Das war keine schöne Erfahrung, aber ich musste jeden Job machen, den ich kriegen konnte. Zum Schluss habe ich im Büro einer Transportfirma gearbeitet, ein Jahr lang. Ich habe den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen, telefoniert, die Papiere für die Fahrer fertig gemacht. Das war ziemlich gut."
Trotzdem ist er zurück nach Polen. 2016, das Jahr der Brexit-Abstimmung, endete auch für Jakub mit einer Trennung. Seine polnische Frau verlässt ihn, nimmt den gemeinsamen Sohn mit, ohne Absprache. Seitdem kämpft der 33-Jährige vor britischen Gerichten um das Sorgerecht. Gestern erst ist er zurückgekommen aus England:
"Gestern sollte die finale Anhörung stattfinden, wie das elterliche Sorgerecht geteilt wird, aber das Gericht wusste nicht, dass ich wieder in Polen bin. Und meine Ex-Frau ist gar nicht erst erschienen. Es wird also eine weitere Anhörung geben, per Video-Übertragung aus Polen. Denn ich kann mir die Flugtickets auf Dauer nicht leisten."
Jakub greift nach seiner Zigaretten-Schachtel. Er muss jetzt eine rauchen, draußen, auf dem Balkon.
Er deutet auf das Mountainbike, das auf dem Balkon parkt, eines seiner Hobbys, genau wie das Pianospielen.
Er deutet auf das Mountainbike, das auf dem Balkon parkt, eines seiner Hobbys, genau wie das Pianospielen.
"Ich spiele Piano, um mich beim Singen zu begleiten," erzählt er und geht zurück ins kahle Wohnzimmer. 50 Bewerbungen hat er in den letzten Wochen geschrieben, auf der Suche nach einem Job, hier in Bydgoszcz.
Neuanfang in Polen
"Bei jedem Einstellungsgespräch sage ich: Ich möchte einen Neuanfang. Ich habe einige Erfahrungen – vielleicht habe ich zu viele Jobs in meinem Lebenslauf, dass sie denken, ich wechsle die Arbeit wie andere die Socken."
Seine Freundin hat gleich einen Job gefunden, in einer Boutique. Schließlich hat es auch bei Jakub geklappt. In ein paar Tagen fängt er als Kundenbetreuer bei einer Elektronik-Kette an, für umgerechnet 600 Euro netto im Monat. Seine Erfahrungen beschreibt er in einem Onlineforum für polnische Rückkehrer:
"Ich glaube, die meisten Leute kommen zurück, weil sie sich Sorgen machen wegen des Brexits und was danach passiert. Und sie sehen, dass die Löhne, die man vielleicht vor zehn Jahren in Großbritannien erzielen konnte, jetzt nicht mehr wirklich steigen. Aber es kommen immer noch mehr Leute, um dort zu arbeiten. Das heißt, es gibt weniger freie Arbeitsplätze und es ist einfach viel schwerer geworden, einen guten Job für gutes Geld zu ergattern."
Brexit und andere Sorgen
Derzeit ist Jakubs Hauptsorge, dass er den Kontakt zu seinem 9-jährigen Sohn in Großbritannien verliert.
"Und er wird mich in ein paar Jahren fragen: Warum hast du nicht um mich gekämpft? Warum wolltest du mich nicht sehen? Was werde ich dann sagen: Deine Mutter hat es nicht zugelassen? Ich kann nur die Anordnungen des Gerichts und meine Aussagen dazu aufbewahren. Damit er das später nachlesen kann. "
Jakub zuckt mit den Schultern, dann setzt er sich an sein E-Piano und greift in die Tasten.