Die Deutsche Wochenschau vom September 1944. Der Warschauer Aufstand geht zu Neige. Auf Befehl von Hitler wird die polnische Hauptstadt dem Erdboden gleichgemacht. Auf Befehl von Stalin greift die entlang der Weichsel stehende Rote Armee in die Kämpfe nicht ein. Die Bilanz: fast 200.000 Tote und mehr als eine halbe Million deportierte. Darunter etliche Kinder. Viele von ihnen werden ins nationalsozialistische Vernichtungslager von Auschwitz-Birkenau verschleppt. Nur wenige haben überlebt. Alle waren lange traumatisiert. Auch Bogdan Bartnikowski gehört dazu:
"Als ich nach jahrelangem Schweigen dazu fähig war, endlich darüber zu reden, begann ich meine Erinnerungen aufzuschreiben. Ende der 60er-Jahre konnte ich aber keinen Verlag überzeugen, meine Erzählungen über die Kinder in Auschwitz herauszugeben. Als Begründung für die Absagen habe ich erstaunliche Antworten verschiedener Art bekommen."
Die Überlebenden störten das Bild
So wie Bogdan Bartnikowski ging es vielen. Seine Existenz wollten die damals in Polen regierenden Kommunisten am liebsten verschwiegen. Ein polnisches Kind, das den Warschauer Aufstand überlebt hat, sollte es nicht geben. Zumal der heroische Kampf um die Hauptstadt für das Zentralkomitee der Arbeiterpartei als verpönt galt. Erwachsene, die während des Warschauer Aufstands den Nationalsozialisten entkamen, ließen die Kommunisten nach 1945 vielfach zum Tode verurteilen. Die konservative politische Einstellung der Untergrundkämpfer galt der Partei als Systemgefährdend. Und Kinder die Auschwitz überlebt haben, unterstreichen die Betroffenen, störten das Bild und sollten daher am besten schweigen.
"Erst unser Verband, der im Jahre 1989 gegründet wurde, hat sich für dieses Thema eingesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Existenz der Kinder vom Warschauer Aufstand im KZ Auschwitz eigentlich bestritten."
"Die älteren Häftlinge, die sich nach dem Krieg organisierten, waren außerdem der Meinung, dass wir als Kinder verhältnismäßig wenig erlebt hätten und uns an Vieles ohnehin nicht erinnern könnten. Wir waren einfach eine marginale Erscheinung, weil wir so wenige waren."
"Wir haben damals keine psychologische Hilfe bekommen. Das war eine schwere Bürde. Auch unsere Eltern wollten zu der Vergangenheit nicht zurückehren in der Hoffnung, dass die Erinnerungen verdrängt, vergessen, verwischt werden."
Zeitzeugen halten die Erinnerung wach
Auschwitzopfer ohne Lobby, ohne Unterstützung, sich selbst überlassen. Umso bewundernswerter ist das Engagement der ehemaligen Kinder-Häftlinge von Auschwitz heute. Als letzte Zeitzeugen besuchen sie regelmäßig Schulen in Polen und Deutschland damit die Erinnerung an deutsche und sowjetische Massenverbrechen, betont Roza Krzywoblocka nicht verloren gehe:
"Ich werde bei den Treffen immer wieder gefragt, wen ich bevorzuge, die Deutschen oder die Russen? Ich sage immer, dass ich im deutschen Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau war und die Russen mich befreit haben. Andererseits ist mein Vater als Reserveoffizier von den Russen in Katyn umgebracht worden. Ich habe also keinen Grund weder Deutsche noch Russen zu lieben. Ich habe zwar verziehen, aber vergessen werde ich nicht."