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Pomp auf der Bühne, Sparkurs in der Realität

Christian von Treskow Carlo Goldonis "Trilogie der Sommerfrische" als ein lustiges und opulentes Schauspielerfest. Währenddessen das Ensemble für die nächste Spielzeit reduziert wurde und von Treskow als Intendant gekündigt wurde.

Von Dorothea Marcus |
    Livorno ist eine verkommene Stadt, doch die Upperclass kümmert das nicht. In einem grau angelaufenen Beton-Amphitheater bereitet die örtliche High-Society die Sommerfrische vor, koste es, was es wolle. Es ist eine Gesellschaft auf Pump, in der Liebes- stets Geschäftsbeziehungen sind und nur die Fassade zählt. Und deshalb gehört die Sommerfrische zu den wichtigsten Ereignissen – genauso wie das neueste Kleid. Da ahnt man schon, dass die Liebesbeziehung des armen Leonardo und der verwöhnten Giacinta keine großen Chancen hat.

    "Wäre es etwa ein so großes Übel, wenn Sie ein Jahr lang nicht in die Sommerfrische fahren würden? - EIN JAHR NICHT IN DIE SOMMERFRISCHE? Um sich lächerlich zu machen, ist das genau der richtige Weg! - Gut! Dann fahren Sie und amüsieren Sie sich!"

    Wie Knallchargen rasen die Schauspieler durch die Komödie, Leonardos Schwester Vittoria und Giacinta liefern sich einen keifenden Zickenkrieg. Sie verhaken sich im barocken Damen-Wrestling, bis sie sich später – Supergau! – im gleichen Kleid gegenüberstehen. Und dann ist da natürlich noch der selbstzufriedene Gewinnertyp Guglielmo, der zwar Vittoria die Liebe vorspielt, aber in Giacinta verliebt ist. Verhindert wird diese Liebe vom Geschäftsmann Fulgenzio, ein spitznäsiger, dämonischer Graf Zahl, der jeden, den er anfasst, in eine Rauchwolke hüllt.

    Die Kostümbildnerin hat im Wuppertaler Opernhaus ganze Arbeit geleistet: In pompösen, verspielten Rokoko-Minikleidern, mit turmhohen Frisuren und hochhackigen Goldschuhen agieren die Schauspieler im ersten Teil wie aufgedrehte Porzellanpuppen. Sie machen Luftsprünge, kalauern durch die Gegend, wedeln mit Fächern, weichen umständlich den zu niedrigen Türen aus. Worum geht’s eigentlich? Dass diejenigen, die pleite sind, eine vorteilhafte Heirat machen – und dann doch alles ganz anders kommt. Im Laufe der dreieinhalb Stunden wird das Theater immer mehr gefleddert: Am Anfang ein opulenter Kostümreigen wird die Kulisse später zur Sperrholz-Pappmaschee-Wand. Und am Schluss stehen alle in Katerstimmung ohne Perücken da, bewundern die Zwangsverheirateten das einzig glückliche Paar des Abends.

    Und während Giacinta noch zum ungeliebten Ehemann weggetragen wird, dankt sie der Sparkasse Wuppertal für die Unterstützung, welche die städtischen Kürzungen mit 1,2 Millionen jährlich abmildert. Was auch nicht reichen wird. Der gekündigte Intendant Christian von Treskow:

    "Das ist ja schon ein einmaliger Vorgang in der Theaterlandschaft, dass ein städtisches Finanzinstitut wie die Sparkasse da so einen hohen Betrag zusagt, insofern verdient das auch Achtung. Nur: Uns ist damit nicht geholfen. Wir haben ja 800.000 Euro, die wir sozusagen an eigenen Mitteln einsparen müssen. Plus die nicht ausgeglichenen Tarife. Das, was an Lohnsteigerungen im öffentlichen Dienst ansteht, das ist ein Punkt, der tödlich ist für ein Theater. Manchmal denke ich so in meinen schwachen Stunden, ich bin froh, dass ich das nicht verantworten muss."

    Christian von Treskow inszeniert ein lustiges und opulentes Schauspielerfest, als gäbe es kein Morgen. Gibt es ja auch nicht, denn ein Stück mit 15 Darstellern wird beim auf zehn Leute reduzierten Ensemble kaum mehr möglich sein. Doch ein Kampf ums Theater, wie er noch 2010 in Wuppertal mobilisiert wurde, ist nicht wiederholbar. Am gefährlichsten dabei ist noch die Schließung des Schauspielhauses. Zwar soll ein neuer Spielort, eine Kleinbühne in einer Lagerhalle, errichtet werden, doch was passiert dann mit der Immobilie mitten in der Stadt? Noch ein toter Bau in einem Stadtzentrum wäre für NRW katastrophal. Auch der Leiter des Deutschen Bühnenvereins Rolf Bolwin zeigt sich besorgt:

    "Wir können nur wieder appellieren an die Stadt Wuppertal, einerseits das wunderbare Theatergebäude seinem Zweck zuzuführen. Ich finde immer noch, dass man das schaffen muss, denn Wuppertal ist ein wichtiger Theaterstandort. Und ich bin dann schon erstaunt zu hören, dass man den Vertrag mit dem Schauspielintendanten von Treskow nicht verlängert, und ihm auch vorwirft, dass er vielleicht für Wuppertal nicht das richtige Programm gemacht hat. Ich finde, dass die Politik nicht eine Sparte fast zerreden kann in der Stadt und damit natürlich auch keinen Beitrag dazu leistet, das Schauspiel interessant zu machen für die Stadt. Und dann im Nachhinein zu sagen: Der Intendant hat den Erwartungen nicht entsprochen! Ich finde von Treskow hat für dieses Haus gekämpft, er hat sich unglaublich für dieses Haus eingesetzt, und verdient unsere Hochachtung."