"Die Pop-Art ist: Populär, kurzlebig, entbehrlich, billig, in Massenproduktion hergestellt, jung, witzig, sexy, vergagt, glamourös und Big Business", so schrieb Richard Hamilton im Januar 1957 in einem berühmt gewordenen Brief. Doch der Vater der britischen Pop-Art wollte sich nicht zum Popkünstler abstempeln lassen, obwohl er das erste Kunstwerk der Pop-Art schuf - Jahre vor Andy Warhol und Roy Lichtenstein: "Just What Is It That Makes Today's Homes So Different, So Appealing?" Von 1956 war sein Plakat für die Ausstellung "This is Tomorrow" in der Whitechapel Gallery: Eine witzige Collage, auf der der Optimismus der 50-er Jahre durchscheint, aber auch eine fast prophetische Kritik an der kommenden Konsumgesellschaft. Sein Ziel sei es, so sagte er, "das ganze Leben" in seinem Werk einzufangen.
Der weibliche Akt begleitete ihn sein ganzes Leben
Eine weitgehend chronologische Hängung bietet sich bei Hamilton an. Regelmäßig, man könnte sagen: Jede Dekade wandte er sich neuen Motiven zu, erforschte Neue Medien und Techniken. Seine Ende der 40-er Jahre entstandene Grafikserie "Reaper" zeigt exemplarisch, wie man mit den sparsamsten Mitteln heute Kupferstiche schaffen kann. Schon auf den Gemälden der 50-er Jahre untersuchte er Perspektive und Bewegung. Seine Porträts der 60-er Jahre sind ironische Statements, etwa der Politiker Hugh Gaitskell als Filmmonster. Interieurs faszinierten ihn, nach einer Postkarte malte er 1988 "Lobby", das Foyer eines anonymen Berliner Hotels, kalt und abweisend, dessen Spiegel es ihm ermöglichten, mehrere Fluchtpunkte zu verwenden. Und der weibliche Akt begleitete ihn sein Leben lang, etwa als "Verkündigung" von 2004, wo die nackte Madonna in einem klinisch weißen Raum per Telefon über die Unbefleckte Empfängnis informiert wird.
Seine Kunst wurde immer politischer
Dass Richard Hamiltons Kunst immer politischer wurde, nahmen ihm manche übel. Anfang der 80-er Jahre begann er sein Triptychon über die Unruhen in Nordirland, drei großformatige Gemälde, die man nicht so leicht vergisst: "Der Bürger" zeigt einen in eine Decke gehüllten Hungerstreikenden der IRA im Gefängnis, "Der Untertan" einen selbstgerecht dreinblickenden Protestanten mit den Insignien der 'Orangemen' und "Der Staat" einen britischen Soldaten auf Patrouille. Die Regierung von Margaret Thatcher bekam in der Installation "Treatment Room" ihr Fett ab: Ein leeres Krankenzimmer, auf einem Fernsehapparat über dem Bett läuft eine Rede der Premierministerin, doch der Ton ist abgedreht; den auf Thatcher folgenden Labour-Premierminister Tony Blair stellte er als schießwütigen Cowboy mit zwei Revolvern im Halfter dar.
Computeraffinität spiegelt sich in seiner Kunst
Richard Hamilton war auch einer der ersten Künstler, der die Möglichkeiten des Computers erkannte und voll ausschöpfte. Der Computer gab dem "eingefleischten Collagisten", wie er sich bezeichnete, totale Kontrolle über die Elemente der Collage. Je raffinierter die Software wurde, desto subtiler wurde seine Arbeit. Schön zu sehen auf dem späten Gemälde "Hotel du Rhone" von 2005. Er zeigte sein Bild der Lobby des Berliner Hotels von 1984 in der Rezeption des Genfer Hotels du Rhone. Das daraus resultierende Bild, Öl auf Inkjet-Druck, zeigt seine Meisterschaft: Die Rezeption ist mit Zentralperspektive gemalt, der Fluchtpunkt links, außerhalb des Raums. Die an der Wand hängende Lobby hat mehrere Fluchtpunkte. Das Aufeinanderprallen dieser beiden Perspektiven erzeugt eine fast beunruhigende Stimmung.
Der letzte Raum ist dann ein bewegender Tribut an einen alten Mann, der wie ein junger Kunst machte. Kurz vor seinem Tod im Alter von fast 90 Jahren konzipierte er eine Schau für die Londoner National Gallery, die mit seinem, wie er sagte, letzten Werk enden sollte. Er vollendete es am 11. September 2011, zwei Tage vor seinem Tod - Ein Triptychon nach der Novelle "Das Unbekannte Meisterwerk" von Honoré Balzac, über einen Künstler, der den perfekten weiblichen Akt malen möchte, aber nur wirre Linien und Flächen zustande bringt. Hamilton schuf drei Gemälde, die nicht das fertige Bild zeigen, sondern die schöne nackte Kurtisane auf dem Sofa, dahinter die drei Maler, die das Werk begutachten sollen: Tizian, Poussin und Courbet. Und die drei Gemälde sind gar keine Gemälde, sondern im Computer hergestellte Inkjet-Drucke - Hamilton als der Altmeister, der den Pinsel mit Computer und Drucker vertauscht hat.