Wolfgang Welt entstammt einer Bochumer Bergarbeiter-Dynastie – also nicht gerade dem, was man ein literaturaffines Umfeld nennen könnte, auch wenn seine Eltern seinen literarischen Aktivitäten nie feindlich gegenüberstanden. Dennoch: Wie kam das, wie ist Welt zum Schreiben gekommen?
"Am ersten Schultag. Moni und Udo hieß mein Lesebuch. Das erste Wort, das ich geschrieben hab, hieß Moni."
Äh, wir meinten natürlich das professionelle Schreiben. Immerhin stammen zahlreiche Feuilletons und Romane aus seiner Feder ...
"Ich saß mit einer Bekannten in einem Bochumer Lokal und die zeigte auf zwei junge Leute, das waren die Verleger des Magazins "Marabo" und das kannte ich das Magazin, da wollte ich auch schon immer für schreiben, und dann hab ich die angehauen, die beiden, und die ham gesagt, okay."
Inzwischen ist Welt ein Kultautor. In schnörkelloser Sprache schilderte er das Revier und seine Erlebnisse als Musikkritiker. Immer aus dem Bauch raus, immer unverblümt und ehrlich. Dafür lieben ihn viele - auch sehr junge - Fans heiß und innig. Sie sehen in ihm den bedeutendsten Popautor Deutschlands. Einer dieser Fans ist Martin Willems, im Hauptberuf Mitarbeiter im Archiv des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Instituts. Er hat anlässlich des 60. Geburtstags von Wolfgang Welt einen Großteil der journalistischen Arbeiten Welts gesammelt und in einem Reader vereint. Wie stieß Willems, der gerade erst 28 Jahre alt ist, auf Wolfgang Welt, aus welchen Motiven wagte er sich an dieses Projekt?
"Die erste indirekte Begegnung mit Wolfgang Welt war 2007 mit dem Kauf und der Lektüre von "Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe", den gesammelten Werken im Suhrkamp Verlag, und das Projekt an sich begann im letzten Sommer, einfach aus dem Interesse: woraus bestehen die Musikkritiken, Literatur-, Filmkritiken, wie viel ist das überhaupt und welche Künstler wurden da abgebildet?"
Diese Arbeit stellte sich alles andere als leicht dar: Nichts scheint so vergänglich, wie eine Musik- oder Stadtzeitung, die nicht mehr aktuell ist. Die Ruhrgebietszeitschrift "Marabo", in der die meisten Kritiken Wolfgang Welts erschienen waren, ließ sich kaum mehr auftreiben. Erst in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund wurde Willems fündig. Dort waren alle "Marabo"-Hefte vorrätig und es fanden sich zahlreiche journalistische Texte Wolfgang Welts darin, ein Korpus, der über weitere Quellen noch ergänzt wurde:
"Also einmal in Dortmund, der Überblick war zum Glück in Düsseldorf überliefert. Wolfgang sind immer wieder Anthologien, Zeitungen eingefallen, wo Texte von ihm abgedruckt wurden und dann natürlich der Kontakt zu Weggefährten von Wolfgang, die dann auch hin und wieder Tipps hatten, nach dem Motto: schau mal in die Zeitschrift oder die, "Musikexpress", "Sounds", dann ergab sich das wie so eine Art Lawine und im Endeffekt sind über 300 Texte zusammengekommen."
180 Texte davon vereint der Band "Ich schrieb mich verrückt. Texte von Wolfgang Welt 1979-2011", der jetzt im Klartext Verlag erschienen ist. Neben anderen Sujets behandelt der Großteil dieser Texte Bands und Interpreten der 80er-Jahre, Musik also von vor 30 Jahren. Welches Interesse kann ein heutiger Leser daran haben?
"Na ja, im Prinzip ist der Herausgeber ja das perfekte Beispiel, dass auch jüngere Leute durch die Kritiken von Wolfgang Welt angesprochen werden. Grundsätzlich hat mich vor allen Dingen interessiert: Pop, der Bereich musikgeschichtliche Dinge, auch Buddy Holly ein wichtiger Punkt. Einfach zu sehen, wie hat sich das über die vergangenen Jahre entwickelt, wie hat jemand das rezipiert."
Welt schreibt immer autobiografisch, in seinen Romanen ebenso wie in seinen Kritiken, die von klaren Geschmacksurteilen geprägt sind, vehement subjektiv, oft auch biografische Elemente mit aufnehmen. Wie sieht Wolfgang Welt das Verhältnis zwischen belletristischem und journalistischem Schreiben?
"Die Plattenkritiken habe ich alle auf den letzten Drücker geschrieben, kurz vor Redaktionsschluss oder danach. Und für die Romane lass ich mir doch mehr Zeit."
Wobei "mehr Zeit" auch nur sechs Wochen meint: In einem solchen Zeitraum pflegt Wolfgang Welt, wie man aus gut unterrichteten Quellen weiß, einen Roman zu schreiben. Immer am Stück gerade durch. Und wirklich - keine Überarbeitungen? Überhaupt keine konkurrierenden Versionen?
"Überarbeitet kann man nicht sagen, aber nicht so schnell geschrieben."
Inhaltlich-stilistisch würde Welt aber keinen Unterschied machen zwischen der Gebrauchsform "Kritik" und seinen Romanen. Das ist insofern nachvollziehbar, als dass auch seine literarischen Texte bisher letztlich aus einer Fanhaltung für bestimmte Musik entstanden – Zeugnis dessen ist der erste belletristische Text, den Welt schrieb "Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe", ebenfalls enthalten in diesem Buch. Welts Romane sind so etwas wie narrative Fanzines, durcherzählte Erlebnisse mit und über Musik. Aber auch die Kritik sieht Welt als literarische Gattung an:
"Es gehört einiges dazu, eine Kritik zu schreiben. Das kann man sich nicht so aus dem Ärmel schütteln."
Nämlich was? Was gehört dazu?
"Handwerk. Man muss genau hingucken."
Was bedeutet ihm Musik heute noch?
"Also heute weniger als noch vor 30 Jahren, heute hört man sich kaum noch aktuelle Musik, ich hör gern Oldies, es gibt da eine Sendung, die ich gerne höre, nachts, wo viele Oldies gespielt werden. Ich mach ja Nachtschicht. Aber sonst, die aktuellen Sachen höre ich nicht mehr."
Und wie sah das früher aus, in seiner Jugend, in der Zeit seines Kritikerlebens?
"Da war ich auf dem Laufenden. Ich hab jeden Samstag die Top Twenty gehört, auf BFBS, und hab auch viel Radio gehört, auch Deutschlandfunk, da gab's auch Nachmittags immer ne schöne Sendung, Peter Puder, und ja, das war früher, da gefiel mir die Musik besser."
Dennoch glaubt Wolfgang Welt ebenso wie sein Herausgeber, dass auch heute Interesse an – gewissermaßen ja historischen - Musikkritiken besteht, aus einem sehr speziellen Grund:
"Ja, ich hab ein allgemeines Publikum im Auge, das sollt eigentlich jeden interessieren, zu sehen, wie es früher war, also nicht nur die Leute, die schon Bescheid wissen, sondern auch junge Leute, die vielleicht wissen wollen, was ihre Eltern gehört haben."
Ja, was haben die Eltern eigentlich gehört? Das ist natürlich ein interessanter Zugang. Eher kulturwissenschaftlich motivierte Leser erwartet in Welts Kritikensammlung ein Durchgang durch das musikalische Leben insbesondere der 80er-Jahre. Und das ist weit mehr als nur Musik und die inhaltliche Auseinandersetzung damit. Das ist auch Mentalitätsgeschichte, Zeitkolorit, Moden und Trends von damals. Die einen werden sich an Jugendzeiten erinnert fühlen. Anderen werden jene Tage in den Texten Wolfgang Welts überhaupt erst anschaulich werden.
Neben Musikkritiken enthält der Band – gerade aus der jüngeren Zeit - aber auch freie feuilletonistische Stücke, die ähnlich wie die Romane autobiografisch geprägt sind. Sie schildern die Welt Wolfgang Welts, welche Peter Handke in seinem Vorwort zum vorliegenden Band so treffend beschreibt. Es sind dies Kurzerzählungen oder Revierbetrachtungen, die in verschiedenen Tageszeitungen oder Kulturzeitschriften veröffentlicht wurden. Stets zeigt sich hier der Ruhrgebietsalltag in Reinkultur, verbunden mit jenem typischen Humor, für den man das Revier kennt und schätzt. Für Wolfgang-Welt-Addicts – und davon gibt es einige – ist dieser Band ein unbedingtes Muss.
"Am ersten Schultag. Moni und Udo hieß mein Lesebuch. Das erste Wort, das ich geschrieben hab, hieß Moni."
Äh, wir meinten natürlich das professionelle Schreiben. Immerhin stammen zahlreiche Feuilletons und Romane aus seiner Feder ...
"Ich saß mit einer Bekannten in einem Bochumer Lokal und die zeigte auf zwei junge Leute, das waren die Verleger des Magazins "Marabo" und das kannte ich das Magazin, da wollte ich auch schon immer für schreiben, und dann hab ich die angehauen, die beiden, und die ham gesagt, okay."
Inzwischen ist Welt ein Kultautor. In schnörkelloser Sprache schilderte er das Revier und seine Erlebnisse als Musikkritiker. Immer aus dem Bauch raus, immer unverblümt und ehrlich. Dafür lieben ihn viele - auch sehr junge - Fans heiß und innig. Sie sehen in ihm den bedeutendsten Popautor Deutschlands. Einer dieser Fans ist Martin Willems, im Hauptberuf Mitarbeiter im Archiv des Düsseldorfer Heinrich-Heine-Instituts. Er hat anlässlich des 60. Geburtstags von Wolfgang Welt einen Großteil der journalistischen Arbeiten Welts gesammelt und in einem Reader vereint. Wie stieß Willems, der gerade erst 28 Jahre alt ist, auf Wolfgang Welt, aus welchen Motiven wagte er sich an dieses Projekt?
"Die erste indirekte Begegnung mit Wolfgang Welt war 2007 mit dem Kauf und der Lektüre von "Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe", den gesammelten Werken im Suhrkamp Verlag, und das Projekt an sich begann im letzten Sommer, einfach aus dem Interesse: woraus bestehen die Musikkritiken, Literatur-, Filmkritiken, wie viel ist das überhaupt und welche Künstler wurden da abgebildet?"
Diese Arbeit stellte sich alles andere als leicht dar: Nichts scheint so vergänglich, wie eine Musik- oder Stadtzeitung, die nicht mehr aktuell ist. Die Ruhrgebietszeitschrift "Marabo", in der die meisten Kritiken Wolfgang Welts erschienen waren, ließ sich kaum mehr auftreiben. Erst in der Stadt- und Landesbibliothek Dortmund wurde Willems fündig. Dort waren alle "Marabo"-Hefte vorrätig und es fanden sich zahlreiche journalistische Texte Wolfgang Welts darin, ein Korpus, der über weitere Quellen noch ergänzt wurde:
"Also einmal in Dortmund, der Überblick war zum Glück in Düsseldorf überliefert. Wolfgang sind immer wieder Anthologien, Zeitungen eingefallen, wo Texte von ihm abgedruckt wurden und dann natürlich der Kontakt zu Weggefährten von Wolfgang, die dann auch hin und wieder Tipps hatten, nach dem Motto: schau mal in die Zeitschrift oder die, "Musikexpress", "Sounds", dann ergab sich das wie so eine Art Lawine und im Endeffekt sind über 300 Texte zusammengekommen."
180 Texte davon vereint der Band "Ich schrieb mich verrückt. Texte von Wolfgang Welt 1979-2011", der jetzt im Klartext Verlag erschienen ist. Neben anderen Sujets behandelt der Großteil dieser Texte Bands und Interpreten der 80er-Jahre, Musik also von vor 30 Jahren. Welches Interesse kann ein heutiger Leser daran haben?
"Na ja, im Prinzip ist der Herausgeber ja das perfekte Beispiel, dass auch jüngere Leute durch die Kritiken von Wolfgang Welt angesprochen werden. Grundsätzlich hat mich vor allen Dingen interessiert: Pop, der Bereich musikgeschichtliche Dinge, auch Buddy Holly ein wichtiger Punkt. Einfach zu sehen, wie hat sich das über die vergangenen Jahre entwickelt, wie hat jemand das rezipiert."
Welt schreibt immer autobiografisch, in seinen Romanen ebenso wie in seinen Kritiken, die von klaren Geschmacksurteilen geprägt sind, vehement subjektiv, oft auch biografische Elemente mit aufnehmen. Wie sieht Wolfgang Welt das Verhältnis zwischen belletristischem und journalistischem Schreiben?
"Die Plattenkritiken habe ich alle auf den letzten Drücker geschrieben, kurz vor Redaktionsschluss oder danach. Und für die Romane lass ich mir doch mehr Zeit."
Wobei "mehr Zeit" auch nur sechs Wochen meint: In einem solchen Zeitraum pflegt Wolfgang Welt, wie man aus gut unterrichteten Quellen weiß, einen Roman zu schreiben. Immer am Stück gerade durch. Und wirklich - keine Überarbeitungen? Überhaupt keine konkurrierenden Versionen?
"Überarbeitet kann man nicht sagen, aber nicht so schnell geschrieben."
Inhaltlich-stilistisch würde Welt aber keinen Unterschied machen zwischen der Gebrauchsform "Kritik" und seinen Romanen. Das ist insofern nachvollziehbar, als dass auch seine literarischen Texte bisher letztlich aus einer Fanhaltung für bestimmte Musik entstanden – Zeugnis dessen ist der erste belletristische Text, den Welt schrieb "Buddy Holly auf der Wilhelmshöhe", ebenfalls enthalten in diesem Buch. Welts Romane sind so etwas wie narrative Fanzines, durcherzählte Erlebnisse mit und über Musik. Aber auch die Kritik sieht Welt als literarische Gattung an:
"Es gehört einiges dazu, eine Kritik zu schreiben. Das kann man sich nicht so aus dem Ärmel schütteln."
Nämlich was? Was gehört dazu?
"Handwerk. Man muss genau hingucken."
Was bedeutet ihm Musik heute noch?
"Also heute weniger als noch vor 30 Jahren, heute hört man sich kaum noch aktuelle Musik, ich hör gern Oldies, es gibt da eine Sendung, die ich gerne höre, nachts, wo viele Oldies gespielt werden. Ich mach ja Nachtschicht. Aber sonst, die aktuellen Sachen höre ich nicht mehr."
Und wie sah das früher aus, in seiner Jugend, in der Zeit seines Kritikerlebens?
"Da war ich auf dem Laufenden. Ich hab jeden Samstag die Top Twenty gehört, auf BFBS, und hab auch viel Radio gehört, auch Deutschlandfunk, da gab's auch Nachmittags immer ne schöne Sendung, Peter Puder, und ja, das war früher, da gefiel mir die Musik besser."
Dennoch glaubt Wolfgang Welt ebenso wie sein Herausgeber, dass auch heute Interesse an – gewissermaßen ja historischen - Musikkritiken besteht, aus einem sehr speziellen Grund:
"Ja, ich hab ein allgemeines Publikum im Auge, das sollt eigentlich jeden interessieren, zu sehen, wie es früher war, also nicht nur die Leute, die schon Bescheid wissen, sondern auch junge Leute, die vielleicht wissen wollen, was ihre Eltern gehört haben."
Ja, was haben die Eltern eigentlich gehört? Das ist natürlich ein interessanter Zugang. Eher kulturwissenschaftlich motivierte Leser erwartet in Welts Kritikensammlung ein Durchgang durch das musikalische Leben insbesondere der 80er-Jahre. Und das ist weit mehr als nur Musik und die inhaltliche Auseinandersetzung damit. Das ist auch Mentalitätsgeschichte, Zeitkolorit, Moden und Trends von damals. Die einen werden sich an Jugendzeiten erinnert fühlen. Anderen werden jene Tage in den Texten Wolfgang Welts überhaupt erst anschaulich werden.
Neben Musikkritiken enthält der Band – gerade aus der jüngeren Zeit - aber auch freie feuilletonistische Stücke, die ähnlich wie die Romane autobiografisch geprägt sind. Sie schildern die Welt Wolfgang Welts, welche Peter Handke in seinem Vorwort zum vorliegenden Band so treffend beschreibt. Es sind dies Kurzerzählungen oder Revierbetrachtungen, die in verschiedenen Tageszeitungen oder Kulturzeitschriften veröffentlicht wurden. Stets zeigt sich hier der Ruhrgebietsalltag in Reinkultur, verbunden mit jenem typischen Humor, für den man das Revier kennt und schätzt. Für Wolfgang-Welt-Addicts – und davon gibt es einige – ist dieser Band ein unbedingtes Muss.
Martin Willems (Hrsg.): "Ich schrieb mich verrückt. Texte von Wolfgang Welt"
Klartext-Verlagsgesellschaft, Essen 2012,
358 Seiten, 19,95 Euro.
Klartext-Verlagsgesellschaft, Essen 2012,
358 Seiten, 19,95 Euro.