Fabian Elsäßer: Das ist mal ein solider Rhythmus 2013, 2015, 2017 - alle zwei Jahre ist bisher ein neues Album des Pop-Duos Gloria erschienen, das jüngste an diesem Freitag - schlicht mit "Da" betitelt. Gloria, richtig, das sind das TV-Enfant terrible Klaas Heufer-Umlauf und der frühere "Wir sind Helden"-Bassist Mark Tavassol. Sie machen gerade ein bisschen Promo für diese neun neuen Songs und sind deshalb auch bei uns im Studio. Willkommen!
Gloria: Hallo!
Elsäßer: Im Vergleich zum vorigen Album "Geister" zieht das Tempo hier und da ein bisschen an, scheint mir. Bewusst?
Mark Tavassol: Nicht richtig geplant, aber doch mit Freude auch selber wahrgenommen. Wir sind natürlich nicht unbeeindruckt oder unbeeinflusst durch unsere Konzerte, die wir spielen und wir haben auch im Laufe unserer Band-Historie immer mehr Konzerte gespielt, hatten schöne Festivals und da kann es natürlich auch eine Auswirkung auf das Song-Writing haben.
Es gab aber auch viel mehr Songs als die, die jetzt auf der Platte gelandet sind. Am Ende ist dann eine Auswahl getroffen worden - von uns natürlich selber - die das Tempo vielleicht im Durchschnitt ein bisschen angezogen hat auf der Platte.
"Es gibt vorher eine SMS, dass man gefrühstückt anzutreten hat"
Elsäßer: Ein Duo, würde ich jetzt mal sagen, ist ja so die innigste Form des Musiker-Verbands. Triffst das bei Ihnen auch zu, was den Schreibprozess betrifft, also ein bisschen romantisch vorgestellt: Zwei Jungs ziehen sich in eine einsame Hütte am See zurück, grillen zwei Wochen lang Fische am offenen Feuer und dabei schreiben sie traurig-nachdenkliche Lieder. Klaas Heufer-Umlauf?
Klaas Heufer-Umlauf: Ja, so funktioniert das nicht. Wir haben A nicht die Gelegenheit, aber ich glaube auch nicht die Befindlichkeiten, die dafür notwendig wären, um im Mondschein da zu sitzen, wenn der Wolf heult und darauf zu warten, dass die eine Sekunde passiert und dann kriegt man so eine gottgegebene Blitzidee und die wird dann zu dem einen Hit. Weder vertrauen wir auf dieses Prinzip noch können wir überhaupt so arbeiten.
Wir müssen uns erstmal - sehr unromantisch - alles sehr stark organisieren, wie wir überhaupt zusammenkommen und wenn das erstmal geschehen ist, dann ist es innerhalb dieser Zeiten, die wir uns dann herausgeschnitten haben aus dem jeweiligen Terminplan des anderen, dann ist es genau so, dann macht es total Spaß und wir können aber auch in vielen verschiedenen Varianten zusammenarbeiten. Also entweder sehr sehr eng oder auch mal jeder für sich oder ich bring mal irgendwas mit oder Mark ist mal vier Tage nicht zu erreichen und sagt: Fertig. Und ich sag: Was? Ach so, hab ich gar nicht erzählt. Und wir sind halt so Arbeitsmenschen und wenn wir um zehn Uhr anfangen, dann gibt es auch vorher noch eine SMS, dass man bitte gefrühstückt anzutreten hat.
Elsäßer: Das klingt streng. Herr Tavassol, die Texte von Gloria haben für mich immer etwas stark bildhaftes, man kann auch sagen: Sie bleiben immmer etwas im Ungefähren, sogar Stolpersteine vom "Geister"-Album, wo es ja um eine ganz konkrete Sache ging, nämlich um die Gedenksteine in den Straßen. Diesmal heißt es in den Texten: Ich baue ein Hochhaus und ziehe ganz nach oben, da ist genug Platz für mich und meine Krone. Halten Sie es möglichst offen?
Tavassol: Also ich finde das jetzt gar nicht so offen. Wer da oben wohnt, ist nicht der, der am wenigsten bezahlt hat und wenn er es vor allem selber baut erst recht nochmal nicht.
"Wir sind schon ein bisschen Metaphern-verliebt"
Elsäßer: Aber offen im Sinn von "das ist immer möglich" - also da könnte man jetzt sagen: oh, das ist sozialkritisch, man kann aber auch sagen: oh, das ist ein romantischer Weltenflüchter.
Tavassol: Das ist natürlich in dem Moment, wo er sozusagen - er oder sie - verbrennt, vor allem sieht, wie sich die Welt ohne sich selber weiterdrehen kann, ist es eigentlich beantwortet. Es ist eigentlich die Frage: Stößt man auf den Schlüssel oder nicht. Klar, da sind wir schon ein bisschen Metaphern-verliebt, verklausulierter als andere Songwriter. Beim Lied Stolpersteine zum Beispiel, hätten wir den Titel nicht so genannt, dann wäre das noch wesentlich schwieriger zu verstehen gewesen als zum Beispiel beim Lied Hochhaus.
Stolpersteine war uns wiederum so wichtig als Titel, dass wir diesen Schlüssel, worum es geht, in den Titel gelegt haben, weil das Wort, wie gesagt, nicht auftaucht. Bei Hochhaus oder überhaupt bei der ganzen Platte ist es schon deutlicher oder besser zu verstehen als bei den Platten davor.
Elsäßer: Aber man hat es wirklich auch nicht leicht als deutscher Texter, weil man ganz schnell entweder als platt oder als pathetisch angegriffen wird, also mir fällt da ein die Deutschpop-Parodie von Jan Böhmermann "Menschen Leben Tanzen Welt". Kennen Sie die, wie fanden Sie die?
Heufer-Umlauf: Na klar kennen wir das. Ist natürlich total treffend. Es gibt so bestimmte Songs, wo man merkt, da wird so ein gesellschaftlich hochgejazztes Thema aufgegriffen, dann aber in einer Ungenauigkeit abgebildet, die vermuten lässt, dass man dann doch seine fünf Wörter unterbringen möchte oder aber doch etwas aneinander reiht, dass es vielleicht am Ende auch nur noch bei der Behauptung bleibt: Da hat man sich was bei gedacht.
Ich glaube, da würden wir uns sehr unwohl fühlen und wir würden uns auch damit unwohl fühlen, wenn wir merken, es verkaufen sich gerade Bücher zum Thema "Regretting motherhood" ganz gut und machen dann einen Song raus, dass man einfach tanzen soll und dann geht das schon wieder mit dem Muttersein und dann sind da diese hochkomplexen, psychologischen Problemchen, die man mit Liebe auf der einen, schlechtem Gewissen auf der anderen Seite mit sich auszumachen hat, die sind dann weg, wenn man tanzt, an irgendeiner Klippe.
Das ist natürlich einigermaßen doof. Und deswegen probieren wir eben, dann doch mit dem richtigen Schlüssel erkennbar zu bleiben und diese Songs dann doch so präzise zu machen, wie das dann vielleicht eine künstlerische Ausdrucksform, die man dann trotzdem zu eigen hat als eine Band, zulässt.
Tavassol: Da ist ja Max Giesinger ist ja tatsächlich sozusagen der, den sich Jan Böhmermann stellvertretend vorgeknöpft hat. Es ist natürlich auch hart, wenn es einen trifft. Was Jan Böhmermann kritisiert, ist, dass sozusagen diese Professionalisierung: es gibt einen Musiker, es gibt Leute, die schreiben für ihn, der eine wird dann so der rockige Typ, der andere wird dann so der Gothic-Typ gewesen sein, der hat sich dann natürlich drüber lustig gemacht, dass es jetzt so Songwriter-Figuren gibt, die Songwriter simulieren und dann die Songwriter im Verborgenen halten, die echten Songwriter.
"Kann man unter Geschmacksache abheften"
Elsäßer: Trotzdem hat der Musikexpress in der Besprechung ihres aktuellen Albums exakt in diese Ecke da hingerückt und ihnen bittere zwei Sterne gegeben. Hat Sie das verletzt?
Tavassol: Das haben wir schon auf jeden Fall zur Kenntnis genommen. Also wir haben das bei jeder Platte, dass wir von fünf zu einem Stern alles erlebt haben. Diesmal ist der Musikexpress uns nicht so freundlich gesinnt gewesen, aber man muss auch sagen: Es ist der eine Redakteur, es kann auch sein, dass das der andere Redakteur das vielleicht noch schlechter ... das weiß man nicht.
Elsäßer: Man muss es aushalten.
Tavassol: Man muss es auf jeden Fall aushalten. Es ist auch so, Texte sind auch immer Wahrnehmungsfrage, es ist - glaub ich - so, dass man sich bei Texten teilweise auch als Interpretierender verhauen kann. Das kennen wir auch und das gehört eigentlich wirklich dazu.
Heufer-Umlauf: Ich glaube, das würde einen noch mehr treffen, wenn man das Gefühl hätte: Oh, da hat uns einer dabei erwischt, dass wir nur so Krimskrams aneinander reihen, aber wenn einem der Vorwurf entgegenkommt von einer Sache, die man de facto ja nicht gemacht hat, dann kann man das recht gut abhaken und das dann unter Geschmacksache abheften. Das war eine gute Gelegenheit einem einmal eins drüberzuhauen.
"Niemand braucht eine witzige Ballermann-Deutschpop-Scheibe"
Elsäßer: Apropos Geschmacksache, Herr Heufer-Umlauf, wo bleibt denn eigentlich die Spaßkomponente und die Lust am Grenzüberschreiten in ihrem Projekt Gloria, die wir ja sonst aus ihren Fernsehauftritten kennen? Ist Gloria vielleicht ein Vehikel für Ihre Enrsthaftigkeit, die sie woanders nicht -
Heufer-Umlauf: Oh Gott, furchtbar -
Elsäßer: Kann ja sein.
Heufer-Umlauf: Ja, kann sein, fänd ich aber furchtbar, wenn ich so aus therapeutischen Gründen oder so aus einem Komplex heraus, dass ich ja nur Unterhaltung mache, Hape-Kerkeling-mäßig in die Literatur einsteige. Also diesen Komplex habe ich überhaupt nicht, ich denke überhaupt nicht, dass das eine mehr oder das andere weniger wert ist. Ich finde es eher ungewöhnlich, wenn einer nur das oder nur dies wäre, so als Mensch.
Vor den Leuten habe ich mehr Angst als vor den Leuten, die das gar nicht merkwürdig finden, dass man offensichtlich auch sowohl diese als auch jene Gedanken hat. Aber es ist auch klar, niemand braucht eine melancholische Samstagabend-Show und niemand braucht, wie ich finde, eine witzige Ballermann-Deutschpop-Scheibe. Da gibt's auch genug von, aber ich finde nicht, dass die Welt das verdient hat und das miteinander zu vermischen, würde sich dann neutralisieren.
Elsäßer: Sie haben gerade das schöne Stichwort Therapie gesagt. Herr Tavassol, Sie sind ja ausgebildeter und auch lange Zeit praktizierender Arzt. Wenn dieses neue Gloria-Album ein Medikament wäre, was für eins wäre das? Ich vermute, soviel möchte ich vorgeben, rein pflanzlich und rezeptfrei.
Tavassol: Das ist ja nun wirklich eine sehr, sehr schwierige Frage, weil Medikament ja immer impliziert, dass es einen Bedarf gab.
Heufer-Umlauf: Ich würde sagen ... Globoli, wenn man dran glaubt, dann hilft das auch.
Tavassol: Thai-Ginseng, zum Nachdenken.
Elsäßer: Ich sage jetzt einfach mal, das ist etwas, was nicht weh tut und keine schlimmen Nebenwirkungen hat. Aber was würde als Werbespruch draufstehen? Gut gegen Weltschmerz?
Tavassol: Vielleicht gut zum Drübernachdenken.
Heufer-Umlauf: Ja, vielleicht so ein bisschen Ritalin. Lässt einen sich konzentrieren auf die Dinge.
Elsäßer: Und das kann man auch mit Ihnen zusammen machen, auf Tour, nämlich vom 29.11 bis zum 15.12 und dann nach einer kurzen Weihnachtspause wieder ab Ende Januar. Heute zu Besuch bei Corso: Klaas Heufer-Umlauf und Mark Tavassol, 100% des Duos Gloria.
Tavassol: Herzlichen Dank, dass wir hier sein durften.
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