Ein bisschen chaotisch sieht es aus: Das Orchester sitzt zwischen Kisten - das Equipment noch nicht ausgepackt. Und mittendrin an seinem Flügel: er. Über Mikrofon erklärt er den Musikern, was sie spielen sollen.
"Die Noten gibt es noch nicht für euch. Die kommen noch …"
Das war fünf Tage vor der Premiere: Der Ablauf des Programms ist noch nicht ganz klar. Doch das ist bei Rainald Grebe fast immer so. Er schreibt seine Songs erst während der Proben.
"Die Premiere ist die erste Voraufführung: Ich mag das. Man springt raus, man hat geprobt und das ist jetzt unser Stand der Dinge. Da tritt man raus, und dann kann es explodieren."
Kleine Explosionen gibt es auch schon während der Proben - vor allem dann, wenn einige Testzuschauer im Publikum sitzen.
"Es ist wie auf der Betriebsweihnachtsfeier. Es ist eine Mitmachnummer. Ich sag immer: "Ich bin Multitasker" - und dann ruft ihr total erregt zurück: "Multitasker!" Das proben wir jetzt erst noch mal …"
… und es klappt bestens. Grebe und das Orchester der Versöhnung bringen, den Klub, in dem die Proben stattfinden, in kürzester Zeit zum Kochen.
"Ich fahr' mit dem Rolls Royce mit 200 Sachen, les' dabei James Joyce und kann Online Banking machen. Ich bin Multitasker - Multitasker!"
Stampfende Rhythmen und Texte, die zwischen Blödelei und Scharfsinn changieren – das ist Rainald Grebe, wie man ihn liebt. In seinem neuen Programm gelingen ihm völlig unangestrengt wunderbare Gesellschaftsanalysen.
"Die großen Themen - die sind ja auch da, im Privaten. Das kann man ja nicht trennen. Das interessiert mich - die Abwesenheit von Politik, die dann doch nicht abwesend ist."
Rainald Grebe singt über Multitasker, die sich selbst ausbeuten, die Künstler-Schickeria, die sich für den Nabel der Welt hält, und Wirtschaftsberater, die mit Worthülsen nur so um sich werfen.
"Ich bin der Malte. Ich consulte …"
Rainald Grebe bezeichnet sich gern als Umwälzpumpe. Er saugt die Realität, wie er sie wahrnimmt, auf und verarbeitet sie in seinen Texten. Da er während des Bundestagswahlkampfs anfing, über das neue Programm nachzudenken, hat er ein Lied zur Lage der Nation geschrieben – eine gesungene Statistik der Berliner Republik.
"Eine Million gehen täglich in den Puff. 74.000 sterben jährlich am Suff. Sieben Millionen sind im Fitnessclub …"
Ob diese Zahlen wirklich etwas aussagen, sei dahingestellt. Grebe nutzt sie, um die Informationsflut zu karikieren, mit der wir überrollt werden. Täglich gibt es neue Zahlen und Prognosen, mit denen politische Entscheidungen gerechtfertigt werden.
"Berliner Republik. Auf einer Skala von Eins bis Zehn möchte ich nicht stehen. Berliner Republik. Bin gar nicht da, also ich bin nicht zu sehen."
Auf eine politische Richtung lässt sich Rainald Grebe auch in diesem Programm nicht festlegen.
"Also, diese alten Gewissheiten, dass man sagt: Kabarett ist SPD oder links, das ist mir so fremd; das entspricht nicht meiner Realität, wenn man das so sagen darf."