Juliane Reil: Black Metal gilt als ziemlich düstere Spielart des Rock und Heavy Metal. In den 90er Jahren hatte das Genre seine erste Hochphase und zwar vor allen Dingen in Norwegen, wo es mittlerweile – wenn nicht als Kulturgut, so doch als Exportschlager – gilt. Krächzender Gesang, LoFi-Ästhetik, hohe Gitarren und folkloristische Note. Die Bands von damals gibt es noch, und die Musik entwickelt sich weiter. Denn vor gar nicht so langer Zeit wurde Black Metal sogar als "Sound der Stunde" von Ulf Poschardt in der "Welt" bezeichnet. Jakob Schermann ist Musikwissenschaftler und hat das Buch "Analyzing Black Metal" mit herausgegeben. Herr Schermann, hallo zum Corsogespräch.
Jakob Schermann: Vielen Dank für die Einladung.
Reil: Sie hören Black Metal, nehme ich an. Passioniert?
Schermann: Ja, relativ passioniert. Also mein Zugang zu dem Thema ist einfach daraus entstanden, dass ich selber Fan bin, relativ aktiv war: Konzertgeher, Musikhörer auch zu Hause. Und dadurch hat es mich sehr gefreut, dass ich bei diesem Buchprojekt mitwirken durfte.
Reil: Was fasziniert Sie an dieser Musik?
Schermann: Ich persönlich finde im Black Metal einerseits eine relativ spannende Atmosphäre, die ich in anderer Musik so in dieser Form nicht unbedingt wieder finden würde. Und auch ästhetisch bildet Black Metal meiner Meinung nach sehr viele spannende Anknüpfungspunkte, gerade dann auch für weiterführende Reflexionen. Das liegt sicherlich auch daran, dass Black Metal - obwohl es natürlich als Subgenre des Heavy Metal entstanden ist - doch auch sehr viele Einflüsse aus anderen musikalischen, aber auch allgemein kulturellen Richtungen sich einverleibt.
"Manche Bands haben ihre Wurzeln auch in anderen Stilrichtungen"
Reil: "Black Metal erfindet sich neu", das kann man im ersten Satz in Ihrem Buch lesen. Wie erfindet sich Black Metal denn jetzt neu?
Schermann: Dass sich Black Metal neu erfindet, ist jetzt nicht unbedingt eine These unseres Buches. Wir haben sie vorangestellt, weil wir so im Musikjournalismus, im Feuilleton, beobachtet haben, dass sich vor allem ein größeres Interesse auch über die Musiksubkultur des Black Metal heraus Bands entwickelt hat, die allgemein dem Black Metal, aber auch dem Post-Black-Metal und neueren - sagen wir mal - moderneren Spielrichtungen des Genres zuzurechnen sind. Und wir haben das eben als Anlass genommen, um uns ein bisschen die musikgeschichtlichen und die ästhetischen Komponenten, die gemeinhin Black Metal, also auch schon vor den aktuellen Entwicklungen, irgendwie definieren oder ausmachen.
Reil: Genau. Aber diese Auseinandersetzung im Feuilleton mit Black Metal, einerseits erstaunlich, andererseits gibt es aber natürlich Grund, wenn es neue Entwicklungen gibt. Wie würden Sie diese neuen Entwicklung denn etwas konkreter beschreiben?
Schermann: Diese neueren Entwicklungen lassen sich vielleicht teilweise dadurch beschreiben, dass viele Bands im Entstehen sind, die nicht unbedingt aus der Musikultur des Black Metal heraus entstanden sind, sondern durchaus ihre Wurzeln vielleicht eher im Hardcore Punk oder in anderen Stilrichtungen haben, und die sich an das Phänomen Black Metal musikalisch auch annähern, teilweise Elemente übernehmen, teilweise wieder verwerfe, um so Black Metal in ihrer Spielweise und für ihre Musik in neuer Form fruchtbar zu machen.
Charakteristische Anfänge in den 1990ern
Reil: Aber die Tradition des Genres, die ist ganz stark mit Norwegen verbunden, wie ich auch vorhin schon sagte, in den 90er Jahren, da sind so große Bands entstanden, mittlerweile gibt es Black Metal Bands verstreut über die ganze Welt. Wie erklären Sie sich das, dass Black Metal jetzt gerade so in Skandinavien, eben Norwegen, so groß geworden ist?
Schermann: Ende der 80er, Anfang der 90er hat sich dort einfach ein Personenkreis an jungen Musikern etabliert, die ihre eigene, schnelle, extreme Musik einfach spielen wollten, aber mit einigen Strömungen da in der damaligen Metalkultur nicht unbedingt konform waren. Also es gab damals sehr starke Polemiken gegen schwedischen Death Metal dann später auch. Es lässt sich dann letztendlich schon festhalten - und das ist auch ein bisschen die Grundthese unseres Buches - dass spezielle musikalische und auch ästhetische Charakteristika, die wir heute vor allem mit Black Metal assoziieren, speziell in dieser Phase so um 1990 in Norwegen entstanden sind, und dass wir deswegen oft, wenn wir von Black Metal sprechen, auch implizit ein bisschen - oder vielleicht sogar ein bisschen mehr - von norwegischen Black Metal sprechen.
Reil: Aber das Interessante ist ja, dass ganz viel Norwegen oder Skandinavien eben in der Musik anklingt - ob das nun thematisch ist, Natur, Mystik, Wälder, Wiesen, also eben die Landschaft - und es hat irgendwie etwas mit Weltflucht zu tun, Fantasy - im weitesten Sinne auch Tolkiens "Herr der Ringe". Inwiefern hat das denn eigentlich dann auch noch einen Bezug zur Gegenwart, würden Sie sagen?
Schermann: Der Gegenwartsbezug des Black Metal, also, ich glaube, Poschardt macht das vor allem an modernen Bands fest wie Uada aus den USA und Mgła aus Polen, und er verortet die Aktualität dieser Bands im Kontext unserer Gegenwart, dadurch, dass einfach Dinge wie Terrorismus in der Medienlandschaft präsenter sind und daraus ein relatives Black-Metal-Abbild des ästhetisch bösen, und somit auch das politisch bösen, diese Dinge thematisiert, beziehungsweise sogar thematisiert hat, bevor sie überhaupt aufgekommen sind. Also, er schreibt da glaube ich auch davon, dass sich nicht Black Metal an die Realität angepasst hat, sondern vielmehr umgekehrt. Wäre natürlich ein Argument für den Gegenwartsbezug zu argumentieren.
"Ein gesellschaftlicher und ökonomischer Teil Norwegens"
Reil: Trotzdem ist es ja interessant, dass diese Musik - mittlerweile habe ich gehört - ja, tatsächlich auch Einzug in die norwegischen Botschaften tatsächlich findet, dass man dort ausgebildet wird als Diplomat, um ganz genau Bescheid zu wissen über die Geschichte des Black Metal. Ist das korrekt?
Schermann: Ich habe auch von diesen Dingen gehört, aber in der Tat ist Black Metal im Selbstbewusstsein Norwegens schon ein großer gesellschaftlicher und auch ökonomischer Teil geworden, würde ich sagen. Also auch bei den Spellemannprisen-Verleihungen in Norwegen werden auch immer wieder Metal Bands mit den Preisen für das beste Hardrock-/Metal-Album ausgezeichnet, was zumindest in Österreich wahrscheinlich eher eine ungewöhnliche Vorgehensweise wäre.
Reil: Jakob Schermann über das Musikphänomen Black Metal. Er ist Mitherausgeber des Buches "Analyzing Black Metal", im Transcript Verlag erschienen. Danke Ihnen für das Gespräch.
Schermann: Vielen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Sarah Chaker, Jakob Schermann, Nikolaus Urbanek: "Analyzing Black Metal – Transdisziplinäre Annäherungen an ein düsteres Phänomen der Musikkultur"
Transkript Verlag, Bielefeld 2017. 180 Seiten, 24,99 Euro
Transkript Verlag, Bielefeld 2017. 180 Seiten, 24,99 Euro