PopCamp – die professionelle Förderung von ausgesuchten Bands, Musikerinnen und Musikern in zwei einwöchigen Arbeitsphasen mit abschließendem Konzert in Berlin. Ein Projekt des Deutschen Musikrats, unterstützt durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.
"Ich glaube, die wirklich wichtigste Sache, die ein Künstler oder eine Künstlerin mitbringen sollte, ist Originalität. Weil: In der Masse der Musikveröffentlichungen stechen die Dinge heraus, die originell sind und die auch authentisch dargeboten werden."
"Das Feuer und die Liebe, aber gleichermaßen auch Disziplin. So viel Liebe wie wir reinstecken, so viel Disziplin ist es auch. Es unglaublich ernst zu nehmen und immer noch so viel Spaß dabei zu haben."
"Das bedeutet aber auch Durchhaltevermögen, das bedeutet aber auch ein bisschen sich selber ein Netzwerk aufbauen. Natürlich geht es auch darum, einfach sein Handwerkszeug zusammen zu haben und sich dieses Know-how aufzubauen."
"Das Feuer und die Liebe, aber gleichermaßen auch Disziplin. So viel Liebe wie wir reinstecken, so viel Disziplin ist es auch. Es unglaublich ernst zu nehmen und immer noch so viel Spaß dabei zu haben."
"Das bedeutet aber auch Durchhaltevermögen, das bedeutet aber auch ein bisschen sich selber ein Netzwerk aufbauen. Natürlich geht es auch darum, einfach sein Handwerkszeug zusammen zu haben und sich dieses Know-how aufzubauen."
Jeremias
"Auch wenn es nach außen manchmal so nicht wirkt, sind wir ’ne ganz schöne Streber-Band, die ziemlich viel macht, irgendwie sich wirklich Gedanken macht und wahrscheinlich sogar manchmal ein bisschen zu verkopft. Aber wir arbeiten so lange, bis alles für uns perfekt ist."
Sagt Jonas, Schlagzeuger bei Jeremias aus Hannover. Die vier Musiker befinden sich in ihrem Proberaum in der Landesmusikakademie Wolfenbüttel, wo sie die zweite PopCamp-Arbeitswoche verbringen.
Die Jungs zwischen 18 und 21 sind schon gut aufgestellt – haben allerdings auch den Vorteil, dass sie noch zu Hause wohnen und auch von den Eltern unterstützt werden. Trotzdem ist schon einiges vorbereitet, um vielleicht tatsächlich mit der Band Fuß zu fassen: Es gibt ein Management, eine EP wurde aufgenommen und seit der November-Arbeitsphase im PopCamp haben sie sogar eine Booking-Agentur.
"Aber tatsächlich durch PopCamp. Die war an der Jurysitzung beteiligt und hat uns dann das erste Mal gehört. Aber sie hat auch dafür gesorgt, dass wir hier reinkommen und uns weiterverfolgt und im Prinzip, als die Zeit reif war, hat sie dann über unser Management uns kontaktiert und wir fanden das alle sehr schön."
Die Band als Fußballteam
Ein Tag zuvor - Dienstagabend im PopCamp: Die Produzenten Zebo Adams aus Wien - unter anderem Bilderbuch und Francis International Airport - und Sven Ludwig aus Köln - OK Kid oder Liam X - coachen die Jungs von Jeremias. Und dabei werden auch mal Fußball-Allegorien gebraucht, um die Rollen der einzelnen Spieler beziehungsweise des Teams klarzumachen.
"Das heißt man muss vom Mittelfeldspielen auf einmal in die Verteidigung gehen - und damit meine ich nicht passiv, sondern einfach im Kopf haben: Sobald gesungen wird, ist eure Aufgabe nicht, das gegnerische Tor zu erobern, sondern in Wirklichkeit nur dem Sänger die Möglichkeit zu geben, dass der strahlen kann."
Worte von Produzent Zebo Adams, die scheinbar Eindruck hinterlassen haben.
"Das Geilste was Zebo gesagt hat, was mir hängengeblieben ist, dieses: Man sollte nicht versuchen, selber dadurch zu strahlen was man spielt, sondern man sollte sich selber spielerisch immer zurücknehmen, das irgendwie so in einen Kontext setzen mit den Leuten, mit denen man zusammen Musik macht. Dadurch scheint die Musik mehr oder strahlt die Musik mehr und das strahlt dann auf dich als Musiker in der Band."
"Sagst du das generell, um uns das noch mal in die Köpfe zu rufen oder weil es ein akutes Problem gibt?" / "Ich sage das vor allem generell, weil ich auch überlegt habe: Es ist sehr einfach zu sagen, es soll kein 'Jam' werden. Aber was ist der Gegenvorschlag? Der Gegenvorschlag ist meines Erachtens ein kontrolliertes System, deswegen auch die Fußballallegorien. Weil ich an FC Barcelona denke, denen Spielfreude und Spielwitz ganz wichtig ist. Und ihr seid eine Mannschaft."
"Wir saßen gestern zwei Stunden mit den beiden Produzenten Zebo Adam und Sven Ludwig zusammen und da ging es ganz viel: Hey, was hat dieser Part jetzt für einen Sinn? Also wieso musste er hierhin oder wieso muss da noch mal ein kleiner Auftakt zu einem Lick und so weiter. So einfach das Verspielte ein bisschen rauszunehmen, um dadurch einfach durch Platz viel mehr Magie zu schaffen für die Musik."
Haion
Das Thema "Raum schaffen" für das wirklich Wichtige trifft in gewisser Weise auch auf die Formation Haion aus Osnabrück zu: Zumindest geht es bei den zwei Musikerinnen und drei Musikern der sehr elektronisch geprägten Band in der letzten Arbeitsphase auch um Reduktion. Spaß an musikalischer und klanglicher Vielfalt, den aber nicht zu übertreiben und einen sogenannten "Signature Sound" herzustellen. Gitarrist Alex von Haion:
"In jeglicher Hinsicht reduziert. Gerade am Anfang, als wir zum PopCamp gekommen sind, wurde uns gesagt: Ihr habt einen großen Blumenstrauß an Sounds und an Möglichkeiten; und jetzt reduziert das doch einmal so ein bisschen auf Haion."
Allerdings: Im PopCamp geht es nicht nur um die Musik, sondern um alles, was zu einem überzeugenden Pop-Act dazugehört. Ein Teil davon ist auch die Performance. Das beinhaltet nicht nur Tanzchoreografien und Lichteffekte auf der Bühne, sondern auch die schlichte Frage: Wo stehen die Musikerinnen und Musiker? Wie positionieren sie sich, wie lange stehen sie bei einem langsamen Intro still, wann blicken sie auf, wohin blicken sie, wie halten sie auch in ihren Bewegungen die Energie der Musik? Für diese Fragen zuständig: Bettina Habekost, Tänzerin und Choreografin, Dozentin an der Mannheimer Popakademie und von Beginn an Teil des PopCamps. Hier bei ihrer engagierten, energetischen und empathischen Arbeit mit Haion:
"Als allererstes: Die Stille. Ihr habt viel zu lang - das waren nur Sekunden, aber die sind zu lang - gebraucht, bis ihr alle still wart." / "Im Intro, ne?" / "Genau. Das heißt: Erst die Stille und dann beginnt die Musik. Nicht: die Musik beginnt und ihr müsst euch langsam eingrooven, wo es eigentlich hingeht. Weil ihr kreiert die Magie! Also, Intimität ist das Zauberwort."
Quo vadis?
Haions Besonderheit, elektronische Musik live zu performen und sie mit Stimme und akustischen Instrumenten auszugestalten, ist gleichzeitig eine Herausforderung: Ein Thema, das sich beim PopCamp herauskristallisiert hat, ist auch die Frage: Für welches Publikum spielen wir, wo wollen wir in Zukunft auftreten?
"Wir wissen, wir wollen auf Festivals. Wir passen da auch sehr gut hin, sind aber gleichzeitig auch eine konzertante Band. Wir können auch ein Konzert spielen, dass Leute das genießen können, wir könnten im Moment aber genauso gut ein Clubset machen. Das heißt: Es ist genau diese Fragestellung, die wir jetzt mitnehmen nach Hause und sagen: Gut, wir gucken jetzt gerade für die nächste Saison vorrangig nach Festivals, da passen wir auf jeden Fall hin. Aber wollen wir uns eher Richtung Clubs orientieren und dann nachts spielen und wirklich die Leute zum Tanzen bringen, von vorne bis hinten in einem durch. Oder sehen wir uns eher als konzertante Band tatsächlich, mit der wir Konzerte spielen und Leute ein Ticket kaufen, um uns als Band zu sehen in diesem Konzert. Das ist die Fragestellung, die wir auf jeden Fall auch noch mitnehmen werden."
Die Band will sich nach Abschluss der zweiten Arbeitsphase etwas Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, in welche Richtung sie mit ihrer Musik gehen wollen: eher Clubnächte durchspielen und zum Tanzen animieren oder konzertant auftreten.
Kleingedrucktes und harte Verhandlungen
Ein guter Schritt, denn ein stimmiges Konzept und bewusstes Herangehen an die nächsten Schritte sind wichtig für die Entwicklung junger Bands. Michael Teilkemeier:
"Ich glaube, eine große Gefahr liegt tatsächlich darin, dass Musiker scheitern in ihrem ersten Schritt in die Professionalität, dass sie entweder Schritte zu schnell oder Entscheidungen zu schnell treffen und Dinge auch vielleicht nicht wirklich abwägen. Es gab ja früher auch bei den Major-Labels in Deutschland gab es einen Artist Development, den es gar nicht mehr gibt heutzutage. Da bekamen Künstler tatsächlich über Vorschüsse und ähnliches erst mal eine Zeit, sich zu entwickeln und kriegten auch Fachleute, quasi erfahrene Leute wie bei uns die Dozenten, an die Hand, wo sie erst einmal Ruhe hatten, Informationen einzuholen und auch Dinge abwägen zu können und dann Entscheidungen zu treffen."
Dazu gehören neben natürlich auch rechtliche und wirtschaftliche Fragen zur GEMA und GVL, digitalen Vertriebsmöglichkeiten, Booking-Agenturen, Labels und Verlagen. Letzteres haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses Jahr auch mithilfe von Rollenspielen erarbeitet, indem sie eine Verhandlungssituation zwischen Label und Band hergestellt haben. Henning Rümenapp, dem mit seiner Band Guano Apes schon früh einen Vertrag angeboten wurde, hätte sich im Nachhinein selbst etwas mehr Wissen und Besonnenheit gewünscht.
"Ja, wir haben zum Beispiel mit unserer Band auch recht früh einen Vertrag abgeschlossen, weil das im jugendlichen Leichtsinn so ist wie ´wenn wir jetzt nichts machen dann passiert halt nichts. Und da müssen wir jetzt mal ran!`. Und da macht man natürlich den Fehler, vielleicht Verträge nicht richtig zu lesen oder sich auch gar nicht so richtig im Klaren darüber zu sein, was man da jetzt für Verbindungen eingeht oder dadurch, dass man einfach kein Netzwerk und keine Erfahrung hat, verbündet man sich mit Partnern, die gar nicht so wirklich weiterhelfen können."
Planschemalöör
Einen hoffentlich guten Vertrag hat die folgende Band schon abgeschlossen:
"Wir sind Planschemalöör und bestehen aus Juri, Pierre, Alex und Mattis, der jetzt gerade nicht da ist, der gehört aber eigentlich auch dazu."
Planschemalöör machen Surf-Pop auf Kölsch und sind auch insofern besonders, als sie ursprünglich unter dem Namen Juri beim PopCamp gestartet sind und damals noch melancholischen Indie Rock spielten. Da sich aber immer wieder auch fröhliche Songs in ihr Repertoire gedrängt haben und sie ihre Liebe zur kölschen Sprache entdeckten, gingen sie auf einmal in eine andere Richtung.
Urlaub im PopCamp
Sie schickten Demos an diverse Leute der kölschen Musik-Szene und gingen bald darauf auf Tour als Special Guest der angesagten Kölner Band Cat Ballou. Und plötzlich nahmen die Dinge ihren Lauf: Auftritt bei der Gamescom, Plattenvertrag beim Label Pavement Records, diverse Gigs und auch Fernsehaufnahmen am berühmt-berüchtigen 11.11. - dem Auftakt der Kölner Karnevals-Session. Kurz danach kommen die vier Jungs, sichtlich erschöpft, zur zweiten Arbeitsphase beim PopCamp.
"Gerade der Elfte oder auch die Tage davor, wo die Aufzeichnungen sind, das war natürlich heftig für uns alle. Einerseits vom Aufwand, von der Vorbereitung, aber andererseits auch einfach von einem Moment auf der Bühne, wenn da wirklich 4000 Leute stehen und dir zujubeln oder mitsingen, das ist natürlich berührend. Und wir sind hier ins PopCamp gekommen, ich sage mal, wir haben ganz schön Federn gelassen die Tage davor. Und wir sind jetzt dabei, uns ein bisschen zu regenerieren, schon fast ein bisschen Urlaub, auch wenn sehr intensiv ist, hat es trotzdem so ein bisschen Urlaubs-Charakter."
Die Songs von Planschemalöör sind schon ziemlich ausgereift, es wird nur noch an Details gefeilt wie Tempo, Arrangements für neue Stücke oder der Frage: Machen wir vor dem dritten Refrain ein kurzes Break als Überraschungsmoment oder nicht. Dabei hilft unter anderem Produzent Sven Ludwig, der die Jungs schon als Indie-Rock-Band Juri kannte.
"Wir haben hier natürlich auch super Workshops im Sinne von Performance Coaching, was gerade bei uns ja in diesem Genre unglaublich wichtig ist, da auf den Punkt zu sein. Und da hat man hier extrem gute und auch erfahrene Dozenten, Sven Ludwig beispielsweise, der ja eigentlich so ein bisschen aus dem Hip-Hop Bereich kommt, der uns dann natürlich was Beats angeht und Tightness und so angeht, uns unglaublich weiterhelfen kann."
Kommunikation heißt "Aufdecken" von Struktur
Der Aspekt "Kommunikation in der Band" ist immer wichtig – möglicherweise besonders dann, wenn die Musiker gerade einen Karriereschub erleben und mit der neuen positiven, aber auch anstrengenden Stresssituation umgehen müssen. Planschemalöör hat die ersten Tage der letzten Arbeitsphase auch damit verbracht, über bisher unausgesprochene Dinge zu reden:
"Weil wir alles irgendwie Typen sind, die das dann eher so ein bisschen in sich reinfressen, sag ich mal, den Frust. Das jetzt vielleicht nicht direkt irgendwie offen ansprechen und das klären, sondern man nimmt das so ein bisschen mit und da sammelt sich natürlich auch mal schnell was an. Zuerst haben wir mal zu viert wirklich darüber gesprochen, über ein paar Themen die sich jetzt die letzten Wochen angestaut hatten, und dann auch nochmal mit Sandra als externer Person auch nochmal dieses Thema besprochen. Und es hat uns total viel gebracht - weil als Band verbringst du ja unfassbar viel Zeit miteinander."
Kommunikations- und Mediencoach Sandra Kloska, die einen sehr wichtigen Job im PopCamp hat.
"Man merkt es in der Kommunikation, vielleicht in der Band Probe, und denkt sich: Warum sind immer alle so schroff? Und alle merken, irgendwie ist eine angestrengte Stimmung, und letztlich kommt es auf den Tisch: 'Du redest mich immer so an'. Aber letztlich geht es vielleicht auch gar nicht um das Anreden, vielleicht geht es darum, dass man eh schon immer sauer ist, dass man immer derjenige ist, um das zu erledigen - und eigentlich möchte man das gerne abgeben. Und da geht es eigentlich auch ein bisschen um 'Aufdecken' letztlich, woran liegt es. Und auch wieder eine Strukturierung reinzubringen. Könnt ihr euch vorstellen dafür eine Lösung zu finden oder eine andere Aufgabenverteilung zu finden. Also ganz pragmatisch auch."
Nico Laska
"Mein Name ist Nico Laska, Singer-Songwriter, 22 Jahre und ich mache englische Popmusik."
Ein Musiker aus Frankfurt am Main, der schon früh seine eigenen Songs geschrieben hat und als Solo-Musiker losgezogen ist - auch eine längere Tour durch England gehörte dazu. Nach Erfahrungen als Teilnehmer an der TV-Talentshow "The Voice" 2016, nach diversen eigenen Clubkonzerten, Support-Shows, unter anderem für Ezra Furman, und einer 2018 veröffentlichten EP ist Nico Laska, der nebenbei auch als Backliner und Guitar-Tech für Bands arbeitet, einer der fünf Acts im PopCamp.
"Also erstens ist das PopCamp so ein Mutterbauch quasi, in dem man sich ganz, ganz wohlfühlt und erst mal abgeschottet von der Welt ausprobieren kann und machen kann. Und niemand verurteilt einen für egal was, und wenn man Fehler macht, dann ist es voll okay."
Den eigenen Songs gerecht werden
Und Nico Laska hatte ein großes Projekt in der zweiten PopCamp-Phase: Er wollte die Songs, die er für seine EP im Bandkontext gespielt hat, als Solo-Stücke umarrangieren. Und zwar mit live gespielten Loops plus Keyboard und Gitarre. Eine Aufgabe, an der er gemeinsam mit einem befreundeten Musiker und Produzenten arbeitet.
"Es ist so, dass meine erste EP im Bandrahmen stattgefunden hat und auch die zweite EP im Bandrahmen stattfinden wird. Und ich toure sehr viel alleine - gerade als Support, als Vorgruppe von anderen Künstlern, hat man nicht immer die Möglichkeit, eine Band mitzunehmen, zu zahlen oder Übernachtung für alle zu garantieren. Und deshalb ist das so, dass ich mehr allein unterwegs bin. Ich hatte aber das Gefühl, dass ich den Platten nicht gerecht werde, denn die sind sehr gut produziert. Und dann stehe ich mit Akustikgitarre da, obwohl in den Songs gar keine Akustikgitarre mehr vorkommt. Deswegen sind wir jetzt dran, mit dem Karan, einer meiner besten Freunde, der auch die erste Platte mitproduziert hat, der sich mit diesem ganzen Elektronikkram unfassbar gut auskennt, die Songs so zu arrangieren, dass ich sie live alleine spielen kann. Und das ohne ein Übermaß von Playbacks, sondern mit live gespielten Loops."
Bei der Umsetzung erhält Nico Laska natürlich auch Unterstützung durch die Dozenten. In diesem Fall saß Henning Rümenapp immer mal wieder in seinem PopCamp-Proberaum. Und er hat es geschafft: Bis zum Freitag, dem 17. November, dem Tag des Abschlusskonzerts, hatte er die Songs und die neuen Arrangements stehen. Und das, obwohl es noch bei der Pre-Show am Abend vorher komplett in die Hose gegangen ist, wie er beim Konzert erzählt:
"Und zwar ging das alles, was hier gerade passiert, gestern unfassbar in die Hose. Wir hatten eine Generalprobe – und 'Scheiße' wäre untertrieben. Ich mache das alles, ich baue hier so Loops und dann feuer ich die ab und das Ganze geht über einen Laptop – und der Laptop, der wollte gestern einfach nicht. Wir haben gestern im Rahmen des PopCamps so ein Pre-Show Konzert gemacht, um zu zeigen, was wir gemacht haben die letzte Woche. Und es hat einfach nicht geklappt. Und jetzt komm ich hierher und es funktioniert. Und das freut mich mega!"
"Die Aufgaben sind teilweise wirklich überfordernd"
Max Prosa, Alin Coen, Cyminology, OK Kid, Auletta oder Jupiter Jones – all dies ehemalige Teilnehmerinnen und Teilnehmer des PopCamps. Laut Projektleiter Michael Teilkemeier schafft es etwa die Hälfte der Absolventen, im weitesten Sinne von der Musik zu leben. Sei es als Band, als Instrumentallehrer, als Studiomusikerin, Produzentin oder Songschreiber.
"Ich glaube, dass viele durchaus gute und talentierte Musiker daran scheitern, dass sie zu schnell Entscheidungen treffen und dass sie sich vielleicht sogar verheizen lassen dadurch; und nicht genug auf diese ganzen rechtlichen Geschichten achten, Prozente-Verteilung und Ähnliches. Da sind ja viele Prominente große Künstler schon im ersten Anlauf gescheitert."
Auch Henning Rümenapp, der mit seiner Band Guano Apes schon Mitte der 1990er durchstartete, beneidet die jungen Musikerinnen und Musiker nicht:
"Die Aufgaben, die die Musikbranche so auf die Bands projiziert, sind teilweise wirklich überfordernd: Du musst schon am besten deine eigenen Veröffentlichungen haben, du musst schon deine eigene Tour gebucht haben, du sollst schon am besten einen eigenen Verlag haben, du solltest am besten schon sehr erfolgreich deine Social Media-Seiten, am besten drei oder vier verschiedene Portale, pflegen. Du sollst am besten von allem Ahnung haben und das ist so viel Administratives und so viel Business Affairs, dass wir oft feststellen, dass es die Bands wirklich überfordert."
In den zwei PopCamp-Arbeitswochen hatte jede Band unterschiedliche Schwerpunkte: Die einen haben neue Stücke komponiert, das meist in der ersten Arbeitsphase, andere haben vorhandene Songs arrangiert. Alle haben den Kontakt zu den anwesenden Produzenten gesucht, um mit ihnen an musikalischen Grundfragen und Details zu arbeiten. Sie haben ihre Performance entwickelt oder verändert, Gesangsunterricht bekommen – wichtig auch, um die Stimme bei häufigen Auftritten nicht überzustrapazieren -, Fragen zur Lichttechnik ihrer Show geklärt, Kommunikations- und Interviewtrainings genossen und sich über rechtliche und wirtschaftliche Aspekte aufklären lassen.
Madanii
Das Duo Madanii aus Berlin wiederum sah man zwischendurch auch bei der Entwicklung ihres "immensen Masterplans" - so haben sie es an eine Tafel geschrieben und darunter aufgelistet, welche Kontakte sie in der Musikbranche haben und wie sie diese noch erweitern können. Das nächste Ziel des Duos, bestehend aus Sängerin Dena und Produzent Lucas: eine Booking-Agentur.
"Es ist sehr, sehr klar nachvollziehbar: Wenn du mit einem Booker zusammenarbeitest und dieser Booker zieht die Gigs an Land, dann beteiligst du den Booker auch prozentual an deinen Einnahmen, die du dann hoffentlich hast. Bei Label und Verlag ist das alles ein bisschen anders, da beteiligst du Leute und weißt dabei im Endeffekt gar nicht, ob sie jetzt überhaupt etwas für dich tun oder nicht. Und das macht dann halt eben mehr oder weniger Sinn, je nachdem wo man sich da bewegt. Genau, aber deswegen ist Booking für uns auf jeden Fall ein Thema, was eine Rolle spielt, wo wir gerne weiter uns aufstellen, wo wir Partner haben möchten, um einfach da andere Kontakte zu haben und mehr spielen zu können. Weil: Wir wollen auf jeden Fall mehr spielen."
Und das PopCamp bietet hierfür eine gute Ausgangsbasis. Zum einen durch die anwesenden Dozenten, die wiederum auch Booking-Agenturen, Labels und Managements kennen. Zum anderen aber auch durch die anderen PopCamp-Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Michael Teilkemeier:
"Dieses Netzwerk und dieses Kontakten untereinander und dieses Austauschen. Das ist eigentlich ein Ding, was Bands so in der freien Wildbahn nicht haben. Man kann zwar irgendwo Kurse buchen, aber diese zweimal eine Woche, die die Bands hier unter einem Dach mit einem Haufen Dozenten verbringen, das verbindet unglaublich. Da sind Freundschaften entstanden relativ schnell, und da sind auch haltbare Ergebnisse quasi. Und das ist der große Vorteil, den das PopCamp bietet."
Innere Fenster auf Kipp stellen
Das Duo Madanii jedenfalls - benannt nach dem iranischen Mädchennamen von Denas Mutter - will mehr spielen. Und zwar seinen beatlastigen, elektronischen R'n'B-Pop, meist auf Englisch gesungen, zuweilen auch mit persischen Texten. Die Musik und die sehr tänzerische Performance der Sängerin sitzen bereits zu Beginn der zweiten Arbeitsphase, gefeilt wird letztlich nur an Kleinigkeiten. In der ersten Phase hatten die beiden auch musikalische Tipps und Hinweise der Dozenten erhalten - und teilweise angenommen.
"Was bei uns sehr oft war: dass man doch auch mal ein bisschen Harmonie zum Beispiel mit reinbringen sollte. Also Dinge, die eigentlich auf der Hand liegen, aber wo wir einfach immer ein bisschen Angst vor hatten, weil wir einfach das, was uns irgendwie speziell macht, beibehalten wollten. Aber dann auch selber gemerkt haben, dass da eine ganz andere Emotionalität für uns selber auch drin liegt, wenn man dann auf einmal auch schöne Harmonien drin hat und uns dann selber zugestehen können, dass es völlig okay ist, dann halt doch einfach sich ein bisschen zu öffnen. In dem Maße, wie es unserer Musik guttut. Wir haben da niemanden uns großartig reinreden lassen, aber der Anstoß zu sagen 'Hey, macht mal ein bisschen das Fenster auf, wenigstens auf Kipp irgendwie, und guckt mal, was dabei rauskommt', das war auf jeden Fall ein Ansatz, der uns sehr, sehr viel weitergebracht hat."
Abschlusskonzert PopCamp 2018 (Gesamtmitschnitt) (115:09)
Weitere Informationen: www.popcamp.de