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Popkultur-Forschung
Hype in Serie

Serien sind ein topaktuelles Phänomen und zugleich schon sehr alt. Bereits vor rund 200 Jahren steigerten Fortsetzungsromane die Auflagen von Zeitungen. Das Erfolgsrezept hat sich auch im Internetzeitalter kaum verändert, zeigen Forscher in Siegen.

Von Christian Röther | 14.11.2017
    Eine Filmszene aus der beliebten Tierfilmserie "Flipper".
    Serielles Erzählen ist nicht erst neuerdings ein Erfolgsrezept wie die beliebte Tierfilmserie "Flipper" zeigt. (picture-alliance / dpa / Fischer)
    Serielles Erzählen ist schon lange ein Erfolgsrezept der Kulturproduktion. Vor dem Mittelalterepos "Game of Thrones" und der Krimi-Groteske "Breaking Bad" waren das mysteriöse "Lost", der Straßenfeger "Dallas", oder der Western-Hit "Bonanza".
    Und natürlich tierische Helden wie "Lassie", "Fury" oder "Flipper". Offenbar niemals enden werden die "Simpsons" oder die "Lindenstraße". Vor dem Fernsehen gab es Serien im Radio und davor in Zeitungen und Büchern, erklärt der Literaturwissenschaftler Niels Penke, Koordinator der Forschungsstelle Populäre Kulturen an der Universität Siegen.
    "Der Buchdruck, der sich Ende des 18. Jahrhunderts gewaltig verbessert, vereinfacht, beschleunigt und verbilligt hat, hat über diese seriellen Formate die ersten großen Erfolge."
    Auch gedruckt ist das Serielle noch populär
    Etwa mit dem "Graf von Monte Christo" und den "Drei Musketieren" von Alexandre Dumas. Sie sind heute noch deutlich bekannter als deutsche Pendants wie die Bauerntochter Mimili oder der Ritter Schnapphahnski. Der Feuilleton-Roman also als Vorläufer von Vorabend-Serie und Sitcom. Im Fernsehen starten die ersten Serienformate nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber auch gedruckt ist das Serielle nach wie vor populär. Etwa in diversen Krimis wie Mankells Wallander oder Larssons Millenium-Reihe. Und natürlich den sieben Bänden von Harry Potter. Ein Grund, warum serielle Erzählungen medienübergreifend so gut ankommen, ist, laut Literaturwissenschaftler Niels Penke:
    "Die nicht abgeschlossene Erzählung. Das ist ja etwas, was vielleicht schon so eine anthropologische Konstante ist. Also wenn wir Geschichten hören: Wir möchten wissen, wie es weitergeht. Wir möchten auch wissen, wie es ausgeht."
    Dieses menschliche Bedürfnis triggern die Serienmacher mit den Mitteln des Cliffhangers oder der epischen Vorausdeutung. So ködern sie die Zuschauer - oft bis zum suchtartigen Hintereinander-Weggucken, dem Binge-Watching.
    Serien sorgen für Gesprächsstoff
    Ein weiterer Grund für den Erfolg: Serien sorgen für Gesprächsstoff, fördern die Kommunikation.
    "Ob es das Tatort-Gespräch am Montagmorgen ist oder der Austausch mit Hobby-Philologen bei YouTube über die neueste 'Game of Thrones'-Serie. Das sind Alltagskommunikationen, die im Bereich des Films so nicht zu haben sind und vor allen Dingen nicht mit der Nachhaltigkeit über mehrere Wochen und Monate, um dann nach kurzer Unterbrechung zur nächsten Staffel wieder einzusetzen."
    Wer mitreden will, muss sich also auskennen. Ein Problem dabei: Es gibt viel mehr angesagte Serien, als die meisten Menschen in ihrem Alltag unterbringen können. Um Zeit zu sparen, schauen manche Nerds Serien deshalb mit erhöhter Abspielgeschwindigkeit.
    Das Überangebot ist das Problem
    Da rauscht so manche Information dann vermutlich an einem vorbei. Was sie nicht mitbekommen haben, können Serien-Junkies aber im Netz nachrecherchieren: in diversen Foren und Blogs, in denen neue Episoden sofort akribisch analysiert werden. Das birgt natürlich die Gefahr, von anderen gespoilert zu werden. Das Netz ist für den Serien-Junkie also wohl Fluch und Segen zugleich.
    "Wenn wir uns an frühere Jahrzehnte zurückerinnern: Wenn wir den Anfang einer Serie verpasst haben, dann haben wir in den meisten Fällen Pech gehabt. Dann mussten wir darauf hoffen, dass wiederholt wird, dass uns Leute vielleicht erzählen, wie die Vorgeschichte verlaufen ist, oder dass es später dann Video- oder DVD-Editionen gibt, auf denen wir das nachgucken können."
    Das Internet löst dieses Problem mit diversen legalen und illegalen Angeboten - schafft aber zugleich ein neues Problem: das Überangebot. Könnte es dem Genre Serie zum Verhängnis werden?
    "Ich glaube nicht. Und gerade auch nicht aufgrund der Qualität dieser Serien. Also das ist ja etwas, was man benennen muss: Im Unterschied zu den früheren Fernsehserien haben wir heute eine riesengroße qualitativ hochwertige Auswahl in verschiedenen Genres. Also auch insofern glaube ich nicht, dass es jetzt auf Rezipientenseite allzu schnell nachlassen wird."