"Welcome to the Live-Music Capital of the World" - mit diesem Schild wird man am Flughafen von Austin schon an der Gangway begrüßt. Bereits ab Mittag tönt es aus jeder Bar, an jeder Straßenecke steht jemand, der entdeckt werden will, so wie Keisuke Have mit seinen japanischen Popsongs.
Austin hat sich - nicht nur wegen der Mega-Messe "South By Southwest" - als Pop-Standort positioniert. Über 2000 Bands sind in diesem Jahr in die texanische Hauptstadt gekommen. Die allermeisten bekommen für ihre Auftritte keinen Cent. Flug und Übernachtung werden zusammengeschnorrt oder über Crowdfunding finanziert. Immer in der Hoffnung, von einer Plattenfirma, einer Konzertagentur entdeckt zu werden. Doch die Schlagzeilen machen erst mal die Großen und Etablierten:
“Welcome Lady Gaga”
Sie hat auch diesmal wieder alles sehr gut durchgerechnet. Für ihre Performance auf dem South By hat sich die “Kotzkünstlerin” Millie Brown auf Lady Gaga erbrochen.
“Millie und ich kennen uns seit Jahren und schätzen uns als Künstler, das war uns eine Performance wert” - so Gaga auf der Pressekonferenz am nächsten Tag. Also keine Message, dafür Schlagzeilen.
Längst ist die größte Livemusik Messe der Welt also nicht nur ein Schaufenster für die nächste Hype-Band, sondern vor allem die ganz großen sorgen für das Spektakel. Kanye und Jay Z sind da, Slash verbeugt sich bei einer Show vor Jimi Hendrix und Damon Albarn, Kopf von Blur und den Gorillaz, hat sich bei seinem Auftritt Snoop Dog auf die Bühne geholt.
Überhaupt: Comebacks, wo immer man sein Ohr hinhält. Urge Overkill sind wieder zusammengekommen, Soundgarden haben ihr legendäres Superunknown Album performt und selbst James Williamson von Iggy and The Stooges ist wieder "alive and kicking". Die einen brauchen scheinbar Geld, die anderen genießen die Aufmerksamkeit. Um die buhlen auch die großen Brands von Doc Martens bis iTunes – einige Künstler hier finden das nicht so förderlich.
"Als ich zum ersten Mal bei SXSW war, haben da vor allem unbekannte Bands gespielt. Die Musikindustrie war damals noch viel größer, und sie haben hier nach neuen Acts gesucht. Heute ist es eher ein Marketing Festival, auf dem sie die Bands, die sie schon unter Vertrag haben der Welt präsentieren. Oder auch für große Firmen, bei denen die Bands dann auf den Partys spielen. "
Jeff Klein, Sänger von My Jerusalem aus Austin, wo manche schon sagen „SXSW – Where Music Comes Last“. Trotzdem versuchen es alle: Auf der 6th Street, dem Indie-Ballermann von Austin campiert eine Musikerin mit einem Schild: "I won‘t move away till I‘m famous" - ich geh hier nicht weg, bis ich berühmt bin. Und auch Sänger Salty Salt aus L.A. singt dem deutschen Reporter gerne was ins Mikro – alles für den großen Traum.
Viel wird ihm das nicht bringen, der Aufmerksamkeitsmarkt ist hart umkämpft, gibt es sie also gar nicht mehr, die Erfolgsstorys hier in Austin, alles erdrückt vom Big Business? Eine Handvoll Bands hat es dann doch geschafft, mit ihrer Musik durchzukommen in der großen Kakofonie der 2000 größeren und kleineren Bands. Die Temples, Englands große neue Hoffnung, hat auch hier in Austin alle mit ihren Psychedelic Rock weggeblasen. Psychedelic Rock, super gespielt und total unverstaubt. Und Lucius, eine neue Band aus Brooklyn, hat sich hier in Austin nicht nur auf die Ranch von Country-Methusalem Willy Nelson spielen können - mit jedem ihrer insgesamt zwölf Gigs konnten sie mehr Fans für sich gewinnen. Charmant mit bis zu fünfstimmigem Gesang, aber mit einem urbanen, frischen Sound haben sie hier jede Bühne gerockt. Im April erscheint ihr Album “Wildewoman” und sie kommen nach Deutschland. Allerdings werden sie dann ihr erstes Konzert nicht schon um 8 Uhr morgens spielen, wie hier bei SXSW.
"Es war sehr früh, aber es war gut und total voll. Ich war echt überrascht, wie viele Leute um 8 Uhr früh da waren, um eine Band zu sehen."
"Es waren 1000 Leute da, aber es gab auch Tacos umsonst (lacht)"
"Klar, es ist anstrengend bei so vielen Bands haben die Leute irgendwann genug."
"Aber wenn man sein Ding macht, Spaß hat und ein paar neue Leute erreicht dann lohnt sich das schon. Und in New York, wo wir herkommen ist es jetzt bitterkalt und wir sind ganz dankbar, in der Sonne zu sein."