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Popkultur und Religion
Neuer Hype um alte Götter

Die alten nordischen Götter feiern derzeit eine Renaissance - in kleinen heidnischen Vereinen, vor allem aber auf der großen Leinwand. Aktive deutsche Heidinnen und Heiden sehen das als Chance: Sie hoffen, dass Odin, Thor und Co. mittels Popkultur ihr braunes Image verlieren.

Von Markus Dichmann |
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Ian McShane als moderner Odin in der TV-Serie "American Gods" (Amazon / Starz Entertainment)
Einst waren sich die Menschen einer einfachen Wahrheit bewusst. Dass sie nicht allein sind in diesem Weltall. Von einigen der anderen Welten dachten sie, sie seien die Heimat unserer Götter. (Filmausschnitt aus "American Gods")
Und sie? Glauben Sie? Kennen Sie mich? Wissen Sie, was ich bin? Wollen Sie meinen Namen wissen? Ich habe so viele Namen wie es Winde gibt, so viele Titel wie Möglichkeiten zu sterben. (Filmausschnitt aus "Thor")
Gregor Butscher: "Wotan, weiter nördlich kennt man den ja als Odin. Das ist der Gott, der laut der Mythologie die Runen, also Schrift, und auch die Magie erfunden hat. Und als Informatiker ist der für mich der absolut richtige Ansprechpartner."
Thor, Odinsohn. Mein Erbe. Mein Erstgeborener. So lange schon der Hüter des mächtigen Hammers Mjölnir. (Filmausschnitt aus "Thor")
Eira: "Was ich tatsächlich regelmäßig mache, ist, dass ich Zuhause dann wirklich Thor anrufe. 'Ich bitte dich um eine gute Reise, und ich bitte dich, schütze meine Wohnung.'"
Die Menschen glauben Dinge, was bedeutet, sie sind da. Was wiederum heißt: Wir wissen, dass sie existieren. Also was war zuerst da: Götter oder die Menschen, die an sie glauben? (Filmausschnitt aus "Thor")
Daniel: "Dass man vielleicht auch eine kleine Opferschale, oder einen Ahnenteller macht, ne? Also für Verstorbene tatsächlich den Tisch zum Beispiel mitzudecken, zu gewissen Anlässen."
"Die Götter haben mich gerufen"
Gitarre, Gesang und Lagerfeuer – unterm Sternenhimmel ziemlich weit draußen auf dem Land. Ein Feriendorf in Hessen.
Die Leute lassen das Met-Horn kreisen – und kippen immer wieder mal einen Schluck ins Feuer. Ab und zu wird auch ein Gummibärchen in die Flammen geschnipst – als Opfergabe. Dazu singen sie das Alphabet der Runen.
Eira: "Das ist ein Chant, den man sehr gut singen kann, der sehr viel Spaß macht. Und es ist die beste Möglichkeit, sich das Runenalphabet einzuprägen."
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Die Mitglieder des Eldaring e.V. beim "Eldathing" 2019 in Hessen (Deutschlandradio / Markus Dichmann)
Getragen wird das Lied von Eiras Stimme. Eigentlich heißt sie Daniela, aber hier trägt sie den Namen Eira, nach der Göttin der Heilung. Denn Eira glaubt an die alten nordischen Götter:
"Die beste Beschreibung, die ich jemals gehört habe, war: Die Götter haben mich gerufen."
"Nicht nur ein männlicher Gott"
Eira trägt einen kleinen, hölzernen Miniatur-Mjölnir am Hals – den Hammer Thors im Schmuckformat. Thor schützt sie auf Reisen, die Göttin Freya ist hingegen ihre Vertraute in anderen Lebenslagen:
"Als Göttin der Liebe auf jeden Fall. Als Frau auf jeden Fall! Das ist für mich auch ein ganz, ganz wichtiger Punkt am Polytheismus an sich, nicht nur im Asatru. Dass man nicht nur einen männlichen Gott hat, der dann für alles zuständig ist. Sondern ich kann mit Frauenproblemen tatsächlich auch zu den Frauen gehen. Und dort mal nachfragen, oder um Hilfe bitten."
Asatru: Eine dänisch-schwedische Wortneuschöpfung, die Eira eben verwendet hat. Mit der sie und Gleichgesinnte sich selbst bezeichnen. Die Asatru sind die den "Asen-treuen". Und die Asen sind das größte und mächtigste Göttergeschlecht in der nordischen Mythologie.
Thor ist ihr großer Krieger – Sohn des Allvaters Odin, auch Wotan genannt. Der soll die Magie erfunden haben – das gefällt dem Informatiker Gregor Butscher besonders gut:
"Wenn es etwas gibt, das der mythischen Magie am ehesten noch nahe kommt, dann ist das einfach Informatik. Man tippt ein paar geheimnisvolle Zeichen in die Tastatur ein, drückt Enter, und dann schaltet sich ein Atomkraftwerk ab."
"Ich bin kein Germane"
Gregor Butscher ist 31 Jahre alt, seit sechs Jahren dabei. Er, seine Frau und ihre zwei Kinder gehören zum Nachwuchs der Asatru. Die Kids spielen mit Treckern, Förmchen, Schaufeln und Thors Mjölnir, einem Spielzeug-Hammer.
Gregor und Eira gehören zu etwa 100 Asatru, die an diesem Wochenende auf dem hessischen Feriendorf zusammengekommen sind. Sie singen gemeinsam am Lagerfeuer, sie machen Tanzkurse, Waldspaziergänge und Yoga, es gibt Vorträge über das heidnische Priestertum und Bärenkulte, oder sie erzählen sich Crossover-Satire aus Science-Fiction und Mythologie – vor allem aber wollen sie gemeinsam ihre Rituale feiern. Ihre Rituale, denn von den Altvorderen kann man da wenig erwarten.
Gregor Butscher: "Die Quellenlage ist ja teilweise sehr spärlich. Das liegt daran, dass die halt nicht viel von Bibliotheken und so gehalten haben. Es wurde viel mündlich weitergegeben und auf irgendwelchen Holzästen irgendwelche Runen eingeritzt. Ist natürlich alles verlorengegangen. Aber es hat auch Vorteile. Man ist halt nicht an irgendwelche Sachen gebunden. Und das ist auch eigentlich gar nicht das, was ich wollen würde. Weil ich bin kein Germane im vorchristlichen Europa oder keine Ahnung, irgendein Kelte oder so. Ich lebe in der modernen Welt, in der jetzigen Zeit. Und versuche da auch nicht irgendwie was anderes darzustellen.
"Warum berühren uns alte Geschichten?"
Gregor trägt kurzes, schwarzes Haar, Wollpullover und Jeans. Einige der Asatru bevorzugen mittelalterliche Gewänder, flechten ihre Bärte oder tragen Runenschmuck, aber der Großteil sieht aus, als wäre er übers Wochenende auf eine Kirchenfreizeit gefahren - auch Petra Bolte. Helle, orangefarbene Strickjacke, passender bunter Schal:
"Ich hatte im Buchhandel das ein oder andere gesehen, was es da so gibt. Die Edda und solche Geschichten, in teils eigenartiger Sprache, aber die Bilder, die in diesen alten Mythen verwendet werden, das klang alles in mir nach, ohne, dass ich verstanden hätte, warum eigentlich. Warum berühren uns alte Geschichten, warum berührt uns so was wie die Nibelungen-Saga? Was macht das mit uns? Warum hat das überhaupt eine Bedeutung? Warum faszinieren uns Wikinger?"
Unter dem Schal schaut übrigens doch auch ein kleines Lederhalsband hervor, an dem der Hammer Mjölnir hängt.
Petra Bolte: "Ich bin studierte Ethnologin, habe auch Feldforschung gemacht bei einem Ureinwohnervolk in Indien, im östlichen Indien, und habe dort erlebt, wie eine Stammesgesellschaft tatsächlich noch in einer ungebrochenen heidnischen und auch schamanischen Tradition die dortigen tradierten Götter verehrt. Und da war ich als junger Mensch, lange bevor ich zum germanischen Heidentum fand, war ich dort, habe das dort miterlebt, als Forscherin, und habe gedacht: Verflixt, das haben wir verloren."
"Wer das glaubt, macht sich was vor"
Heute ist Petra Bolte Vorsitzende des Eldarings. Beziehungsweise des Eldaring e.V. – ein eingetragener Verein, allerdings der größte seiner Art in Deutschland – 350 Mitglieder für ein "gelebtes, germanisches Heidentum". Das wirkt oft wie Vereinsmeierei, wenn über jede kleine Satzungsänderung ausschweifend diskutiert wird, denn das Treffen hier auf dem hessischen Feriendorf ist das sogenannte Eldathing – die jährliche Hauptversammlung.
Petra Bolte: "Jahre später habe ich dann eben gelernt, im Eldaring, dass wir das nicht verloren haben. Dass wir zwar nicht in einer ungebrochenen Tradition stehen. Wer das glaubt, macht sich was vor. Aber die Anlage im Menschen, das Übernatürliche oder das Spirituelle unmittelbar zu erleben, diese Fähigkeit ist natürlich trotzdem da, und die haben wir uns im Eldaring ein Stück weit zurückerobert. In einer modernen Welt, in einer modernen Art und Weise. Also erstens ist mein Glaube gar kein Glaube."
Autor: "Das sagen hier alle."
Petra Bolte: "Das sagen hier alle, genau. Weil wir haben also überhaupt keine Dogmen, kein Skript, das wir verfolgen. Sondern bei uns geht es wirklich um das, was wir tun."
"Dann wird auch angemessen geopfert"
"Ich zum Beispiel hab jetzt ein Haus gekauft, ne, ich mach dann eine Hausweihe für den Schutz der Götter", erklärt Daniel sein gelebtes Heidentum:
"Da ist es natürlich Thor, als Freund der Menschen und Schützer. Gerade beim Haus ist es eigentlich ganz einfach zu erklären, weil die mythologischen Riesen sind ja so – also archetypisch – mit den Naturgewalten zu erklären, und ein Haus will man natürlich genau davor schützen. Also macht Thor den größten Sinn."
Autor: "Bereitest Du dann auch ein Opfer vor?"
Daniel: "Ja, richtig, genau! Da wird dann in einem Ritual angerufen und dann wird auch angemessen geopfert. Das wird auch nicht archaisch ablaufen, also da wird kein Huhn geschlachtet. Ich bin Veganer. Nein, da wird, so wie das heute in Heidenkreisen üblich ist, wird ein Gebetbrot gebacken. Ich hab auch schon erlebt, dass zum Beispiel handwerklich geschickte Heiden tatsächlich wirklich was gebaut haben, wo richtig Arbeit drin gesteckt hat, und dann rituell dem Opferfeuer übergeben haben. Also so was schwebt mir da vor, ich hab das noch nicht ganz zu Ende gedacht, was ich tatsächlich machen werde, aber so in die Richtung wird es gehen."
Auf Augenhöhe mit den Göttern
Eine den Heiden ganz wichtige Komponente der "Alten Sitte", wie manche das Ganze nennen, ist also der Individualismus – jeder macht das so, wie er es für richtig hält. Immer wieder wird betont, Monotheisten seien deutlich weniger liberal.
Daniel: "Wir haben hier aktuell mit Gästen etwa 100 Heiden versammelt, von denen ich behaupte, dass jeder seine Spiritualität, seinen Glauben, seine Religion anders auslebt."
Unterschiede gibt es im "Wie", beim "Was" gibt es aber viele Gemeinsamkeiten: einmal der Ahnenkult, der eine große Rolle spielt.
Daniel: "Also für Verstorbene tatsächlich den Tisch zum Beispiel mit zu decken, zu gewissen Anlässen."
Petra Bolte: "Zum Geburtstag zum Beispiel, zum Todestag wenn wir dann zusammen essen, wird der Tisch schön gedeckt, der Ahnenteller dazu, ein Glas Wein, ein Glas Bier dazu, was mein Lieblingsvater zum Beispiel so gerne aß und trank, und das ist dann für mich ganz ganz wichtig. Sie einzuladen, sie sind da, sie sind nicht weg. Unsere christlich-geprägte Geschichte aus den letzten Jahrhunderten beschreibt es ja eher so, dass die Verstorbenen eigentlich dann von uns weg sind. Und dann irgendwie bei Gott sind in so einem Himmel. Aber für uns ist das anders, und der Ahnenkult ist genauso wichtig wie die Verehrung der Hohen. Wie in den alten Zeiten stehen wir mit den Ahnen und den Göttern ein Stück weit auf Augenhöhe."
"Ich hab auch schon mal auf Mister Spock gesumbelt"
Denn neben dem Ahnenkult gibt es natürlich auch den Götterkult, insbesondere das gemeinsame Ritual – das Blót. Da wir beim Blót nicht aufzeichnen dürfen, beschreibt die Eldaring-Vorsitzende Petra Bolte, was da genau passiert:
"Wir bestimmen einen Raum, wir haseln ihn ein, so nennt man das, also wir bestimmen einen Raum, den wir schützen. Meistens ist das draußen, kann aber auch drinnen sein. Dort treffen wir uns, stehen in einem Kreis oder in einer lockeren Gruppe, und dann gibt es in der Regel drei Runden. Eine Runde, das heißt wir lassen in der Regel ein Horn mit Met kreisen, dann wird eine Runde von jeder Person auf die Götter geopfert. In einer zweiten Runde sprechen wir die Ahnen an, und das sind nicht zwingend die biologischen Vorfahren. Also ich hab auch schon mal auf Mister Spock gesumbelt, nachdem er verstorben war."
Sumbeln heißt hier so viel wie trinken.
Petra Bolte: "Und eine dritte Runde ist dann eine freie Runde, wo man dann auf die kleinen Wesen des Ortes oder eben auf Gott und die Welt sumbelt. Auf die Liebe, auf das schöne Wetter, auf das Examen, das man bestehen möchte, oder was auch immer."
"Von den Göttern zur Erde zu uns"
Am Ende wird der Rest des Mets vergossen und den Göttern geweiht.
Petra Bolte: "Von den Göttern zur Erde zu uns, von uns zu der Erde zu den Göttern."
Was ist ein Gott? Können wir überhaupt wissen, dass sie existieren? Die Menschen glauben Dinge, was bedeutet sie sind da. Was wiederum heißt, wir wissen, dass sie existieren. Also was war zuerst da? Götter, oder die Menschen, die an sie glauben? (Filmausschnitt aus "American Gods")
Die nordischen Götter feiern derzeit eine Renaissance. In Deutschland gibt es wohl einige Hundert Heiden, in Dänemark, Norwegen, Schweden und Island ist die "Alte Sitte" sogar anerkannte Religionsgemeinschaft. Doch die eigentliche Renaissance findet an ganz anderer Stelle statt als in Skandinavien oder Hessen.
Wer sind sie? - Wenn ich es ihnen sagen würde, würden sie nicht an mich glauben. (Filmausschnitt aus "American Gods")
Sagt ein älterer, leicht ergrauter Herr mit einem glasigen Auge, der sich selbst nur Mister Wednesday nennt.
Welcher Tag ist heute? - Mittwoch. - Dann ist heute mein Tag! (Filmausschnitt aus "American Gods")
Mr Wednesday (Ian McShane, links) und Shadow Moon (Ricky Whittle, rechts) stehen mit dem Gott Vulcan (Corbin Bernsen) in einem Raum mit Hirschgeweihen und ausgestopften Tieren
Mit „American Gods“ kreiert Neil Gaiman eine neue Geschichte über alte Götter (Amazon/Starz Entertainment)
Mister Wednesday ist die Hauptfigur des Bestseller-Romans und der gleichnamigen TV-Serie "American Gods".
Meine Raben heißen Hugin und Munin, Gedanke und Erinnerung. Mein Pferd ist der Galgen. Ich bin Odin. (Filmausschnitt aus "American Gods")
In Buch und Film kämpft Odin mit den neuen Göttern: dem Fernsehen, dem Internet und dem freien Markt – um den Glauben der Menschen.
Einst waren sich die Menschen einer einfachen Wahrheit bewusst. Dass sie nicht allein sind in diesem Weltall. (Filmausschnitt aus "Thor")
Nochmal Odin – dieses Mal gespielt von Oscar-Preisträger Anthony Hopkins. Eine Rolle, die er inzwischen in drei Spielfilmen aus dem Hause Marvel gespielt hat. Denn im Kosmos der Marvel-Comics gehören Odin und vor allem sein Sohn Thor nicht nur ins Pantheon der nordischen Götter, sondern auch ins Pantheon der Superhelden.
Weißt du, ich bin 1500 Jahre alt. Und ich habe doppelt so viele Feinde getötet. Und jeder von ihnen wollte mich töten, Erfolg hatte allerdings keiner. Ich lebe noch, weil das Schicksal will, dass ich lebe. (Filmausschnitt aus "Thor")
Diesen April war er erst an der Seite von Iron Man, Captain America und übrigens auch seinem Stiefbruder Loki und seiner Schlachtgefährtin der Valkyre auf der Leinwand zu sehen – mit dem erfolgreichsten Kino-Einspielergebnis aller Zeiten.
Das Schicksal will es einfach so! (Filmausschnitt aus "Thor")
Romane, Serien, Spielfilme und auch Videospiele erobern die alten Götter zurück. In "God Of War" spielt man den griechischen Kriegsgott Kratos – im Exil unter den nordischen Göttern. Und wird verstrickt in den uralten Krieg zwischen Asen und Wanen.
Freya … wir können ihr noch trauen, oder? - Halte Abstand, bis wir es wissen. - Die Weltenschlange. Was ist passiert? - Der Weg, den du wählst, Rache, er bringt keinen Frieden. Glaub mir. (Ausschnitt aus dem Videospiel "God Of War")
Ein Screenshot aus God of War® III Remastered, der Held Kratos steht grimmig blickend vor einem Relief
In den Spielen der „God of War“-Reihe nehmen die Spieler den Kampf gegen Titanen und Götter auf (Sony / God of War III (remastered) )
Das Spiel gilt als bestes und beliebtestes Videospiel des Jahres 2018, und hat sich innerhalb des ersten Monats nach Veröffentlichung fünf Millionen Mal verkauft.
"Die alten Gottheiten aus der rechten Ecke rausholen"
Ihre eigentliche Renaissance feiern die Götter nordischer Mythologie also in der Popkultur. Als gnadenlose Rächer, trickreiche Betrüger, allwissende Seher, was auch immer so ein Mythos eben an guter Erzählung hergibt.
"Also ich find's gut", sagt Petra Bolte, die Eldaring-Vorsitzende:
"Weil es ein bisschen diese alten Gottheiten aus der rechten Ecke rausholt. Dadurch, dass es Populärkultur wird, wird es ja ein Stück weit auch entdämonisiert. Das ist gut. Es weckt das Interesse junger Leute, und ich sag mal: Was kann passieren? Jemand kann in einen Kinofilm gehen, kann sich einen Marvel-Film angucken, kann das lustig finden, geht nach Hause, gut ist. Es kann aber auch sein, dass jemand anfängt, mehr zu lesen, und dass bei demjenigen vielleicht was funzt."
Schutzgott gegen Reichsbürger
Denn in der rechten Ecke hingen die germanische Mythologie und ihre Götter tatsächlich lange fest, und sie bieten Rechtsesoterikern immer noch den Unterbau für völkisches und rassistisches Denken, für einen vermeintlichen deutsch-germanischen Urglauben.
Petra Bolte: "Außerdem bricht die Marvel-Reihe ja mit einigen Klischees. Heimdall zum Beispiel, der in der Edda der Wächtergott ist, der 'weiße Ase', der strahlend helle weiße Ase, der da an der Regenbogenbrücke steht, dass keine Unholde nach Asgard vordringen, ist in der Verfilmung schwarz. Und ich habe letztens bei der langen ‚Nacht der Religionen‘ ein öffentliches Blót geleitet, auf einer Wiese im Park mitten in Kreuzberg oder Neukölln, und dort habe ich Heimdall als Schutzgott bewusst angerufen in diesen Zeiten, wo wir Phänomene wie Reichsbürger und solche schrecklichen Dinge erleben, vor denen wir uns auch schützen möchten. Und es war tatsächlich so, dass dort aus dem Dunkeln sich aus dem Kreis geschlichen hatte, jemand der sich animiert fühlte, dort einen Hitlergruß zu zeigen. Und es ist mir mit der Kraft Heimdalls gelungen, den durch gezielte Ansprache dazu zu bringen zu gehen."
Neben solchen Einzelfällen will der Verein das Problem mit extremen Rechten aber auch strukturell anpacken. Zum Beispiel durch Magie – also in diesem Fall IT. Ein bisschen Suchmaschinen-Optimierung hier und da, und so versucht der Eldaring sicherzustellen, dass sie auch bei Internetsuchen zu den ersten Ergebnissen und damit Ansprechpartnern für Heidentum und Asatru in Deutschland gehören.
Heiden im christlichen Feriendorf
Um das intern zu gewährleisten, ist eine Art wissenschaftliches Amt im Verein eingeführt worden: der Bewahrer. Jemand, der sich ausschließlich mit den Quellen befasst und dokumentiert, was überliefert wurde – sehr wenig – und was im Rahmen des Neu-Heidentums möglich ist – nämlich sehr viel.
Gesang: "Nun ist die Zeit, da wir uns versammeln, woher auch immer die Wege uns führen. Wir werden gerufen vom Land und dem Himmel, um das Feuer von neuem zu schüren. Du kamst und dachtest alleine zu stehen, hast voller Zweifel zurück geschaut doch in unserer Mitte hast du dich gefunden, und fremden Gesichtern mal neu vertraut."
Das Herdfeuerlied - stimmen die Heiden gerne an, auch zum Abschied, denn der Text ist eine Art Rückversicherung unter Gleichgesinnten. Nach dem Wochenende kommt schließlich auch wieder ein Alltag. Und zwar einer, in dem viele von ihnen ihren Glauben verbergen. Sie wollen auch nicht, dass ihre Namen im Radio genannt werden. Zu groß ist die Angst, es könnten Arbeitgeber oder Nachbarn zuhören.
Hier im hessischen Feriendorf hingegen singen die Heiden frei auf. Übrigens ein Feriendorf des CVJM – des Christlichen Vereins Junger Menschen.