"Dass die Leute auf die Musik, die man selber ausgesucht hat, reagieren."
Wilfried Runde. DJ und Journalist, der meint: Auflegen macht glücklich.
"Dieser Moment, in dem man weiß: Man kann nichts mehr falsch machen. In dem man wie auf Automatik ohne groß nachzudenken weiß: Okay, da läuft jetzt Stück XY. Und man weiß vorher schon und grinst innerlich: Wow, das wird die Party noch mal ein bisschen weiter nach vorne bringen."
Wie entsteht dieser Glücksmoment? Wilfried Runde will es herausfinden. Mit seinem Projekt "The DJ Brain". Visualisierungs-Versuch in Köln. Eine "Braindancing"-Party. Einige Tänzer tragen Wearebles – ein Mini-Computer als Armband. Der misst den Puls, der anzeigt wie gut sie die Party finden. DJ Tobias Thomas trägt ein Stirnband.
"In dem Stirnband selber ist eine Hauptplatine, die tastet meine Gehirnströme ab. Sie reagiert auf Konzentration, wenn die steigt, wenn sie sinkt."
Eins werden mit dem Publikum
Ein Lichtstrahl fliegt durch den Raum und wird von der kahlen Wand abgefangen. Der kollektive Herzschlag der Tanzfläche. Der ab und an tatsächlich schneller schlägt, wenn sich Tobias Thomas konzentriert.
"Grundsätzlich versucht ja ein DJ ,immer irgendwie eins zu werden mit dem Publikum."
"Grundsätzlich versucht ja ein DJ ,immer irgendwie eins zu werden mit dem Publikum."
Greogor Kuschmirz von der Digitalagentur "Denkwerk". Hat das Gesamteventwerk, wie er es nennt, mitentwickelt.
"Er sieht dann eben schon, ob die Leute - auch vielleicht die, die nicht tanzen - etwas mehr erregt sind. Ob da Stimmung aufkommt."
Ein Lichtsystem im Klub mit Message. Es illustriert das Zusammenspiel von Publikum und DJ in Echtzeit. Ziemlich abstrakt und ohne nähere Infos, was Lichtstrahl, grafische Kurve und dieses Rechteck hinter Tobias Thomas bedeuten.
Ein Lichtsystem im Klub mit Message. Es illustriert das Zusammenspiel von Publikum und DJ in Echtzeit. Ziemlich abstrakt und ohne nähere Infos, was Lichtstrahl, grafische Kurve und dieses Rechteck hinter Tobias Thomas bedeuten.
Die Hälfte des Publikums schaut erwartungsvoll zum DJ, die andere auf die Wände und scheint zu überlegen, ob der Puls gerade wirklich mit dem Beat schlägt. Eine reizvolle Spielerei, die als minimalistisches Lichtkonzept für den Klub funktioniert.
"Was wir nachher aus den Daten machen, ist wieder Wissenschaft."
Puls von Publikum und DJ werden aufgezeichnet. Runde will wissen, wie das Zusammenspiel der beiden funktioniert. Und was daran so glücklich machen kann.
"Als ich diese Beschreibung des Flow-Zustandes gelesen habe, habe ich gedacht: Das kenne ich. Das ist genau das, was ich erlebe."
Kein Drogenrausch, sondern ein Tätigkeitsrausch. In der Zeit und das Selbst vergessen werden. So beschreibt der Verhaltensforscher Mihály Csíkszentmihályi den "Flow"-Zustand - eine Theorie, die in der Glücksforschung ziemlich beliebt ist. Was dabei im Gehirn passiert, findet auch der Neurowissenschaftler Daniel Margulies vom Max Planck Institut in Leipzig spannend.
"Der DJ ist interessant, weil es so schwierig ist, ihn zu erforschen. Weil er in diesem bestimmten Klub-Kontext existiert. Deshalb geht es nicht um ihn alleine, sondern darum, wie dieser Kontext seine Gemütslage beeinflusst. Wir wollen verstehen, wie sich DJ und Publikum während dieser sozialen Erfahrung fühlen."
Den Flow in den Alltag übertragen
Für den Forscher eine methodische Herausforderung. Der "Braindance" in Köln liefert also erste Daten. Damit bald nicht mehr nur im Klub aufgelegt wird, sondern auch in der Musiktherapie, im Business-Coaching oder sogar im Kindergarten. Denn Runde will das Glücksgefühl des DJs, den Flow, wenn ausnahmsweise mal alles passt, weitergeben.
"Repertoire-Aufbau, Programm bauen, sich an Stücke erinnern in einer Live-Situation. Es ist eine Menge, das glaube ich sehr förderlich ist, um ein Gehirn in Arbeit zu halten und zu trainieren.
Glücksforschung im Pop? Das scheint neu und reizvoll. Brauchbare, belastbare Ergebnisse? Werden Folgen. Wie der nächste "Flow" auf der Party.