"Interview der Woche"
Populismus-Forscherin von Wiese sieht Europa am Scheideweg

Die westliche Welt steht nach Ansicht der Londoner Populismus-Forscherin Irina von Wiese an einem Scheideweg zwischen liberaler Demokratie und Autokratie. Von Wiese sagte im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks, der Aufstieg von populistischen Parteien sei eine Reaktion auf die Krise der liberalen, demokratischen Systeme und des westlichen Kapitalismus.

    Die Populismus-Forscherin Irina von Wiese lächelt in die Kamera.
    Die Populismus-Forscherin Irina von Wiese in der Talkshow "Anne Will" im ARD-Fernsehen (Archivbild vom September 2019). (picture alliance / Eventpress / Eventpress Staufenberg)
    Der moderne Populismus sei nicht denkbar ohne soziale Medien und die Möglichkeit, Fake News zu verbreiten. Demokratie sei aber auf korrekte Informationen angewiesen. Wenn das nicht mehr gewährleistet sei, breche sie irgendwann zusammen. Alle populistischen Parteien beriefen sich dabei auf eine Polarisierung zwischen dem sogenannten Volk, das gut sei, und der sogenannten Elite, die korrupt sei.
    Von Wiese forderte die Parteien der Mitte auf, den Menschen zuzuhören, um das Vertrauen in demokratische Institutionen und Politiker wiederherzustellen. Sie dürften ihre Wähler nicht länger, Zitat, "wie Idioten behandeln und Menschen mit berechtigten Ängsten als Rassisten oder Islamophobe brandmarken."

    Auch Linkspopulisten nutzen Ängste aus

    Die Forscherin warnte auch vor linksextremen Populisten, die das gleiche Ziel wie rechtsextreme Populisten verfolgten, nämlich die Ängste vor allem auch von jungen Menschen auszunutzen. Die Gründe, aus denen insbesondere 18- bis 25-jährige Menschen für sowohl rechts- als auch linksradikale Parteien stimmten, hätten gar nicht so viel zu tun mit Migration oder Kulturkampf, sondern eher mit persönlicher und physischer Sicherheit. Bei jungen Menschen gebe es die Unsicherheit über finanzielle, wirtschaftliche und Umweltzukunft. Da komme die Message linkspopulistischer Parteien, "wir geben euch Sicherheit und Selbstwert", gut an.
    Irina von Wiese ist Vorsitzende der Denkfabrik "European Center für Populism Studies" in Brüssel und war Abgeordnete der britischen Liberaldemokraten im Europäischen Parlament.
    Hier kann das Interview der Woche mit Irina von Wiese nachgehört werden. Außerdem ist das Gespräch in voller Länge hier nachzulesen (PDF)
    Diese Nachricht wurde am 02.03.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.