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Populismus-Tagung
Wie umgehen mit rechtsgerichteten Parteien?

Soll man mit rechtspopulistischen Parteien das Gespräch suchen oder sie ausgrenzen? Das war nur eine der Fragen, die auf der Tagung "Wut, Protest und Volkes Wille?" in Berlin debattiert wurden. Ein weiteres Thema: Durch die sozialen Medien nimmt nicht nur die Hetze gegen Minderheiten zu, auch Volksparteien argumentieren immer öfter populistisch.

Von Wieland Gabcke |
    Pogida-Demonstranten stehen am 20.01.2016 auf dem Bassinplatz in Potsdam (Brandenburg) mit einem Transparent "Wir lassen uns nicht länger belügen! Wir sind das Volk".
    Pegida-Demonstranten auf dem Bassinplatz in Potsdam "Wir lassen uns nicht länger belügen! Wir sind das Volk" (Ralf Hirschberger, dpa picture-alliance)
    Hanne Wurzel leitet den Bereich Extremismus bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Sie hat die Tagung "Wut, Protest und Volkes Wille" gemeinsam mit sechs Landeszentralen für politische Bildung organisiert. Der Fokus der Tagung habe schon länger festgestanden, sagt Wurzel.
    "Bereits im Juni vergangenen Jahres haben wir uns darüber verständigt, dass die politische Bildung das Thema AfD aufgreifen muss, das wurde dann noch mal verstärkt durch Pegida. Man muss sich direkter mit diesen Personen auch einfach auseinandersetzen und natürlich ist der Diskurs sehr stark bestimmt: Miteinander reden oder ausgrenzen?"
    Konsens herrscht auf der Tagung darüber, dass die AfD nach dem Abgang des wirtschaftsliberalen Flügels um Parteigründer Lucke inzwischen eine rechtspopulistische Partei geworden sei. Der Antwort auf die Frage, ob und wie man mit Rechtspopulisten reden soll, gehen auf der Tagung aber kontroverse Diskussionen voraus. Der Politologe Jan-Werner Müller von der Princeton University in den USA liefert in seinem Eröffnungsvortrag seine Definition von Populismus.
    "Meiner Ansicht nach sind Populisten nur diejenigen, die darüber hinaus, dass sie bestehende Eliten kritisieren, auch immer sagen: Wir sind die einzig legitimen Vertreter des wahren Volkes, wobei das Volk immer als homogen und moralisch rein gedacht wird."
    Irrglaube Homogenität
    Das Volk, beziehungsweise die Gesellschaft, sei aber nicht homogen, daher könne es auch keinen einheitlichen Willen des Volkes geben. Doch was genau ist dann der Wille des Volkes, von dem im Grundgesetz die Rede ist? Rein empirisch zeige sich dieser Wille ausschließlich in Wahlen, sagt Müller.
    "Das Grundgesetz macht uns ja als Volk überhaupt erst auf irgendeine Weise handlungsfähig, dadurch, dass wir zur Wahl gehen oder uns auf irgendeine andere Art und Weise beteiligen. Das ist das Einzige, was wir eigentlich wissen können. Und deshalb ist es gefährlich, wenn Populisten sagen: Okay, wir haben diese Wahlergebnisse, wir haben die Volksvertreter, aber eigentlich sind das alles Volksverräter, denn das wahre Volk da draußen, die angeblich schweigende Mehrheit, denkt etwas ganz anderes."
    "Volksverräter" ist auch ein Schlachtruf von Pegida. Der Dresdener Politikwissenschaftler Werner Patzelt hat sich an Pegida bereits abgearbeitet und ist zu dem Schluss gekommen: Bloß nicht die Themen den Rechtspopulisten überlassen.
    "Man sollte sich zur Maxime machen: Populisten werden grundsätzlich die Themen weggenommen, das heißt, man achtet darauf, was bewegt diejenigen, die populistischen Wortführern nachlaufen, die populistische Parteien wählen. Man sollte eine sorgfältige Themenanalyse machen und diese Themen dann in systematischer Weise in den öffentlichen Diskurs einbringen."
    Ein Diskurs, der nach dem Marsch der 68er durch die Institutionen zu gemütlich geworden sei. Durchaus polemisch merkt Patzelt an, dass sich die bundesdeutsche Elite in einer Art Biedermeier eingenistet und es sich lange Zeit zu bequem gemacht habe.
    "Ungefähr so gehen wir mit unserem sozial-liberal-grünen Mehrheitskonsens in dieser Gesellschaft um. Irgendwelches radikales, querständiges Denken das gehört sich nicht, wir wissen was richtig ist und wer davon abweicht, ja, der muss ausgegrenzt werden. "
    Aufruf zum aktiven Handeln
    Das bringe uns nicht weiter, ist Patzelt überzeugt. Stattdessen sollten Politiker, aber auch die politische Bildung, den kommunikativen Nahkampf mit Rechtspopulisten suchen. Ein Umgang mit Rechtspopulisten, den Tagungsleiterin Hanne Wurzel von der Bundeszentrale für politische Bildung teilt.
    "Ich glaube es ist verdeutlicht worden, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen müssen, es vielleicht auch zu einer Daueraufgabe wird und wir wirklich versuchen komplexe Sachverhalte differenziert darzustellen, sich auseinanderzusetzen und wir natürlich auch versuchen müssen, proaktiv vorzugehen und Agendasetting auch selber zu setzen und nicht nur hinterher zu hecheln."
    Den Dialog mit Rechtspopulisten zu suchen hält der Göttinger Politikwissenschaftler und Rechtsextremismus-Forscher Samuel Salzborn für den falschen Weg. Stattdessen plädiert Salzborn dafür, Rechtspopulisten auszugrenzen, weil sie sich inzwischen schon genug Gehör verschafft hätten.
    "Wenn wir uns anschauen in den letzten Monaten und Jahren: Welche Themen wurden in wichtigen, zentralen Talkshows diskutiert, im Fernsehen diskutiert, dann waren das Themen, die ganz oft die Themen sind, die letzten Endes durch AfD, Pegida und anderen gesetzt worden sind und ich habe den Eindruck, wenn wir heute über die Frage reden, ob man rechte Position aus der Öffentlichkeit wieder etwas zurückdrängen sollte, dann muss man berücksichtigen, sie sind momentan omnipräsent."
    Soziale Medien fördern Populismus
    Stattdessen vermisst Salzborn eine Diskussion über den Rassismus, der von Rechtspopulisten geschürt werde. Auf diese Diskussion sollten sich die etablierten Parteien konzentrieren, meint der Politikwissenschaftler. Gleichzeitig sieht Salzborn die etablierten Parteien auch in einem Dilemma. In den sozialen Netzwerken seien die Parteien selbst längst populistische Akteure.
    "Da muss man extrem polarisieren und extrem zuspitzen und das ist natürlich ein Element, das letztendlich Populismus in die Hände spielt und letztendlich alle Parteien, die sich auf dieses Spiel einlassen, in der beschleunigten Mediendemokratie dann eben auch vor dem Dilemma stehen, quasi allein durch den technischen Rahmen, in dem sie sich nun bewegen, dann eben auch ein Stück weit eine Form von populistischer Agitation und der Zuspitzung der eigenen Inhalte zu betreiben."
    Auch der Politologe Jan-Werner Müller meint, dass Populismus in sozialen Netzwerken befeuert wird. Das Paradebeispiel dafür sei der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Trump habe eine enorme Fertigkeit für Twitter entwickelt, damit sei er im Vorwahlkampf in den USA sehr erfolgreich.
    "Er nennt sich ja selber den Hemingway der 140 Zeichen, der es quasi kostenlos schafft, immer wieder Neuigkeiten in Anführungsstrichen zu lancieren, der immer wieder die Debatte bestimmt, durch extrem provokante Einlassungen und der immer wieder einer bestimmten Klientel das Gefühl vermittelt: Aha, der denkt wirklich, was wir denken, uns kann keiner dazwischen kommen, keine altgedienten Medien, Stichwort Lügenpresse, keine Parteiapparate, wir sind direkt in Kontakt mit dem der die Wahrheit sagt und uns wieder großartig machen wird."
    Diesen direkten Draht zwischen Trump und seinen Anhängern bezeichnet Müller als direkte Repräsentation, ohne den Umweg über Parteien oder klassische Medien. Gleichzeitig habe Trump mit seiner Art der Hetzrede die demokratische Auseinandersetzung längst verlassen. Dieser neuartige Netzpopulismus, aber auch der erstarkte Rechtspopulismus in Deutschland sorgen für frischen Wind bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Es wird wieder mehr diskutiert, sagt Hanne Wurzel am Ende der Tagung selbstkritisch.
    "In der Auseinandersetzung mit dem Populismus, kommen wir nicht umhin, uns mit unserem eigenen Demokratieverständnis zu beschäftigen. Uns klar zu werden: Warum setzen wir uns dafür ein? Welche Position haben wir? Welche Werte? Für was stehen wir überhaupt? Und das ist sicherlich ein Diskurs, den wir in letzter Zeit vernachlässigt haben und den wir wieder verstärkt aufgreifen müssen."