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Portal für Schulvergleich
Zweifelhafte Empfehlung der Traumschule

Auf welche weiterführende Schule soll mein Kind gehen? Die Wahl fällt Eltern nicht leicht. Entscheidungshilfe will das Vergleichsportal schulen.de bieten. Doch objektive Bewertungen sind hier nicht zu erwarten.

Von Uschi Götz |
Ein leeres Klassenzimmer in der Carl-Humann-Schule in der Scherenbergstraße in Berlin-Prenzlauer Berg.
Für eine erste Orientierung könne ein Vergleichsportal hilfreich sein, doch ein Besuch der Schule lasse sich dadurch nicht ersetzen, so eine Landeselternbeirätin (Fabian Sommer /dpa)
Ein schlichtes Büro in der Heidelberger Altstadt. Sechs Computerarbeitsplätze passen gerade hinein. Doch Platz genug, um die Schulwelt bundesweit in Aufregung zu versetzen.
Die drei Schwestern Clara, Marie und Annika Lehmann haben ein Internetportal entwickelt, das die Suche nach einem Gymnasium einfacher machen soll:
"In München gibt es im Umkreis von zehn Kilometern 79 Schulen. Wie sollen da die Eltern den Überblick behalten, welche Schule was anbietet? Da kann man sich über Schulen.de die Schulen heraussuchen, die passen könnten. Ersetzt aber natürlich nicht, dass man dann nochmal einen Tag der offenen Tür besucht und die Schule live anschaut."
Die Gründerinnen von schulen.de: Clara, Marie und Annika Lehmann
Die Gründerinnen von schulen.de: Clara, Marie und Annika Lehmann. Ihre Familie betreibt Privatinternate, die in der Bewertung sehr gut abschneiden. (Quelle: Deutschlandradio/ Uschi Götz)
Clara Lehmann ist Juristin und mit 24 Jahren die älteste der drei Schwestern. Mehr als 3.800 Gymnasien und Schulen, die zum Abitur führten, gebe es bundesweit, erklärt sie. Beim Aufbau des Portals wurden ausschließlich die im Internet zugänglichen Selbstdarstellungen aller Schulen herangezogen. Jede Schule hatten dabei vier Wochen die Möglichkeit, ihre Daten zu ergänzen oder zu berichtigen. Wer unter der Rubrik "Traumschule" sucht, muss sich also auf die Glaubwürdigkeit der Schulen verlassen, die Angaben wurden nicht überprüft. Eine individuelle Beurteilung gibt es nicht, nahezu bei jeder gelisteten Schule steht, dass noch ausreichend viele Bewertungen durch Eltern und Schüler fehlten.
"Der Traumschulfinder ist der Wahlomat von Schulen.de. Da kann man über die Beantwortung von vier Kriterien die Schulen finden, die am besten zu den eigenen Ansprüchen und Talenten passt."
Ort, Schul – und Klassengröße sowie Neigungen müssen eingegeben werden:
"Und dann kann man noch angeben, wo die eigenen Talente liegen. Ist man musikalisch sehr begabt, legt man mehr Wert auf die MINT-Fächer. Dann spuckt der Traumschulfinder die Schule aus, die am besten in der Umgebung zum eigenen Talent passt."
Schulen sind nicht begeistert
Seit Anfang Mai ist das Vergleichsportal erreichbar, in den ersten beiden Wochen gab es bereits über 100.000 Aufrufe - und richtig Ärger bis hin zu Klageandrohungen. Vor allem Schulleiter hätten sich beschwert, berichtet Psychologiestudentin Marie Lehmann, sie ist im Familienunternehmen für das Beschwerdemanagement zuständig:
"Die natürlich nicht begeistert sind, dass ihre Daten, die wir von den Webseiten gefiltert haben, veröffentlich werden. Die auch ein bisschen Angst haben, bewertet zu werden, was uns natürlich zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind, dass es nötig ist."
Auch die Rubrik "Schule bewerten" dürfte einige Schulen stören. Geht eine Bewertung ein, wird die betreffende Schule informiert und kann sich gegebenenfalls wehren. Und doch entscheiden am Ende die Betreiberinnen des Portals, was veröffentlicht wird. Unter dem Stichwort Netiquette stehen die Spielregeln. Dazu gehören keine Bewertungen unter fremdem Namen und man muss die Schule selbst besuchen oder als Lehrer an der Schule unterrichten.
In Toplisten finden sich Schulen mit den besten Angeboten und Bewertungen. Auf Platz fünf kommt dabei das private Internatsgymnasium Torgelow in Mecklenburg-Vorpommern. Dieses und das private Kurpfalz Internat im Rhein-Neckar-Kreis gehören der Heidelberger Familie Lehmann, den Eltern und Großeltern der drei Schwestern. Doro Moritz, Landesvorsitzende der GEW in Baden-Württemberg, sieht das Portal auch deshalb sehr kritisch.
"Es ist eindeutig Werbung für diese Internate. Und Internate sind nichts für eine Mehrheit der Eltern und ihre Kinder, denn was wir brauchen sind wohnortnahe, qualitativ hochwertige Schulen, staatliche Schulen, die nach einem klaren Bildungsauftrag auf der Grundlage unserer Gesetze arbeiten. Wir wollen keine Schulrankings."
Kommerzielles Interesse der Portalbetreiber
Moritz fordert Lehrerinnen und Lehrer dazu auf, nichts in den Bewertungsbereich zu schreiben. Aus dem kommerziellen Interesse machen die Schwestern kein Geheimnis. Künftig werde es Werbung geben, gedacht sei etwa an Schulbuchverlage oder Jugendreiseanbieter, sagt Clara Lehmann. Von der Verbindung zu den Internaten sagt sie nichts. Katrin Ballhaus ist Landeselternbeirätin in Baden-Württemberg und hat sich auch durch schulen.de geklickt:
"Mein erster Eindruck ist eigentlich ganz gut, weil man sich sehr schnell einen Überblick verschaffen kann, welche Schule es vor Ort gibt."
Das meiste erfahre man allerdings bei Gesprächen mit anderen Eltern und Schülern direkt an den Schulen etwa bei einem Tag der offenen Tür oder bei den Präsentationen weiterführender Schulen im Grundschulbereich:
"Dieser Austausch kann durch keine Internetseite ersetzt werden."