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Porträt Carles Puigdemont
Vor dem Showdown in Katalonien

Wird Carles Puigdemont die Unabhängigkeit Kataloniens verkünden? Seine Rede vor dem Regionalparlament wird mit Spannung erwartet. Der gelernte Journalist ist seit 2016 Ministerpräsident Kataloniens, davor war er ein politischer Niemand.

Von Marc Dugge |
    Regionalpräsident Carles Puigdemont in einer Aufnahme vom 10. September 2016
    Vor noch nicht einmal zwei Jahren war Puigdemont noch ein politischer Niemand. (picture alliance/dpa - EPA/CATALOINIAN REGIONAL GOVERNMENT)
    Kein Politiker spaltet Spanien so sehr wie Carles Puigdemont. Wenn Regierungspolitiker in Madrid seinen Namen ausgesprochen haben, lag oft eine Spur Spott in der Stimme. Am liebsten hätten ihn viele wohl ignoriert. Mittlerweile ist der Spott der Strenge gewichen. Denn der Mann mit dem Zungenbrecher-Namen hat in Spanien mit diesen Worten in eine Krise geführt:
    "Die Einwohner Kataloniens haben das Recht gewonnen, in einem unabhängigen Staat zu leben, in einer Republik."
    Der Mann, dem seit Tagen Wut und Abneigung entgegenschlagen, hat zu Hause allerdings auch seine Fans. Für sie verkörpert er die Hoffnung auf eine Unabhängigkeit Kataloniens, auf eine bessere Zukunft. Hier wird er bei der Abschlusskundgebung vor dem Referendum von seinen Anhängern begrüßt.
    Journalist und weitgereister Schöngeist
    Vor noch nicht einmal zwei Jahren ist Puigdemont noch ein politischer Niemand. Damals ist er Bürgermeister der Separatisten-Hochburg Girona. Und Chef des einflussreichen katalanischen "Verbands der Gemeinden für die Unabhängigkeit".
    Ich treffe Puigdemont im September 2015 in seinem Rathaus. Das Interview-Thema ist die anstehende Regionalwahl in Katalonien. Er gibt sich locker, seine Hemdsärmel hat er hochgekrempelt, eine Krawatte trägt er nicht. Ich frage Puigdemont, ob es hier in Girona eine offene Auseinandersetzung zwischen Befürwortern und Gegnern der Unabhängigkeit gibt. Schließlich sähe ich nur Separatisten-Flaggen und keine spanischen an den Häusern. Puigdemont reagiert überraschend gereizt:
    "Nur weil wir Separatisten sind, heißt das doch nicht, dass wir Dummköpfe sind. Oder seltsam, oder dass wir jemanden zu etwas zwingen. Die Menschen äußern sich völlig frei. Wir sind Europa, also bitte. Mit Verlaub: Die Frage an sich ist schon fast eine Beleidigung!"
    Dabei ist es eigentlich auch Puigdemonts Beruf, unangenehme Fragen zu stellen. Der 54-Jährige ist gelernter Journalist. Schon während des Studiums hat er für die lokale Presse gearbeitet, später Reisereportagen geschrieben und eine englischsprachige Zeitung über Katalonien geschrieben. Da ist Puigdemont, der weit gereiste Schöngeist. Und dann ist da der Politiker. In frühen Jahren leitet er die Jugendbewegung der konservativen Partei Kataloniens, CiU, die sich später dem Separatismus verschrieben hat.
    Kein Revolutionär, sondern Bürgerlicher
    2011 wird er Bürgermeister – auf dem Höhepunkt der spanischen Wirtschaftskrise. Die Wut auf die Finanzverwalter in Madrid ist im wirtschaftsstarken Katalonien besonders groß. Auch bei Puigdemont. Katalonien werde von Spanien klein gehalten, ungerecht behandelt und wirtschaftlich ausgebeutet, erzählt er mir in dem Interview. Viele Ökonomen sehen das freilich ganz anders. Für Puigdemont kann es aber nur eine Konsequenz geben:
    "Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht möglich ist, Spanien zu verändern. Der Katalanismus hat immer versucht, Spanien zu modernisieren. Aber 35 Jahre später müssen wir feststellen, dass das nicht möglich ist. Also wollen wir uns verändern."
    Verändern heißt bei ihm: unabhängig werden. Schon damals in Girona unterstützte ihn die antikapitalistische Gruppe CUP, so wie jetzt im katalanischen Parlament. Dabei ist Puigdemont eigentlich kein Revolutionär, sondern ein sehr Bürgerlicher. Aber die gemeinsame Vision der Unabhängigkeit kann in Katalonien auch die tiefsten ideologischen Gräben überbrücken.