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Porträt
Dänemarks Ministerpräsidentin und die EU

Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt gilt als starke Führungspersönlichkeit, die auch unbequeme Entscheidungen nicht scheut. Außerdem ist sie Europäerin mit Leib und Seele. So wird sogar bereits über einen Wechsel der Dänin von Kopenhagen nach Brüssel spekuliert.

Von Marc-Christoph Wagner | 19.06.2014
    Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt bei der Stimmabgabe zur Europawahl am 25. Mai 2014.
    Die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt ist für einen Posten in Brüssel im Gespräch. (picture alliance / dpa / Michael Bothager)
    Herzlich ist das Verhältnis eher nicht - zwischen den Dänen und ihrer Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt. Zwar konnte diese - nach zehnjähriger Regentschaft einer bürgerlichen Koalition - die Wahl im Herbst 2011 knapp für sich entscheiden. Viele Wähler aber fühlen sich seither von der Sozialdemokratin betrogen, die vor der Wahl Arbeitsplätze und öffentliche Investitionen versprach, nach der Wahl aber einen regiden Reform- und Sparkurs durchsetzte. In der einst sozialdemokratischen Hochburg Dänemark würde inzwischen nur noch jeder fünfte Wähler für die alte Arbeiterpartei votieren. Bo Lidegaard, Chefredakteur der renommierten Tageszeitung "Politiken".
    "Es besteht kein Zweifel an der Tatsache - die größte Schwäche von Helle Thorning-Schmidt ist, dass sie die Wähler nicht davon überzeugen kann, dass sie bei ihr in guten Händen sind und sie Visionen hat, die sie am Ende auch erreicht."
    Und dennoch sollte man sich in Helle Thorning-Schmidt nicht täuschen, meint Lidegaards Kollegin Helle Ib, die die dänische Politik seit Jahrzehnten begleitet:
    "Helle Thorning-Schmidt ist eine Führungspersönlichkeit, die ihre Truppen diszipliniert. Und sie traut sich, harte und unpopuläre Entscheidungen zu treffen."
    Für Bo Lidegaard, der vor seiner Zeit als Chefredakteur außenpolitischer Berater war im dänischen Staatsministerium, das diplomatische Spiel hinter den Kulissen also genau kennt, steht fest: Helle Thorning-Schmidt ist - nur drei Jahre nach ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin - ernsthafte Kandidatin für einen europäischen Topposten. Entweder als Nachfolgerin von Catherine Ashton im EU-Außenamt oder Herman van Rompuy als Präsident des Europäischen Rates:
    "Dänemark ist fester Bestandteil der europäischen Integration, aber wir ziehen auch klare Grenzen, was die Integration betrifft. Wir haben unsere Op-Outs, sind nicht Teil der Eurozone und vertreten wie viele Europäer die Auffassung, dass Europa sich um die großen und wesentlichen Fragen kümmern soll, den Rest aber den National- bzw. Mitgliedstaaten überlassen soll."
    Doch eben hier könnte sich noch manch einer täuschen, der Helle Thorning-Schmidt als EU-Skeptikerin und Korrektiv zu Jean-Claude Juncker als möglichen Kommissionspräsidenten sieht. Denn nicht nur hat die Dänin eine Vergangenheit als Abgeordnete des Europaparlaments. Sie selbst gilt als glühende Europäerin, möchte eine Union der 28 inklusive Großbritannien und sehe Dänemark sogar gerne als Teil der Eurozone:
    "Persönlich habe ich stets gemeint, Dänemark sollte beim Euro dabei sein - es wäre ein Vorteil für das Land. Diese Haltung hatte ich immer und an ihr hat sich bis heute nichts geändert."
    Und so wird das heutige Mittagessen bei Angela Merkel in Berlin zwar auch von dänischer Seite als reines Arbeits- und Vorbereitungstreffen für den EU-Gipfel in der kommenden Woche heruntergespielt. Tatsächlich aber, so Bo Lidegaard, dürfte Helle Thorning-Schmidt wohl mit großen Hoffnungen nach Berlin fliegen.
    "Nun, niemand anders als Helle Thorning-Schmidt kennt die Antwort auf die mögliche Frage von Angela Merkel, ob sie von Kopenhagen nach Brüssel wechseln würde. Aber mal ehrlich, welch andere Antwort als Ja würde sie der deutschen Kanzlerin dann geben?"
    Mehr zu Dänemark und der Europawahl finden Sie auch auf unserem Europa-Portal.