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Porträt eines Humanisten

"Adventures in Listening" heißt ein der einstündige Dokumentarfilm über Leben und Arbeit des inzwischen 81-jährigen Dirigenten Kurt Masur. Gedreht hat ihn die israelische Regisseurin Amit Breuer. Premiere hatte der Film dort, wo Masur die wohl wichtigste Zeit seines Lebens verbracht hat: im Leipziger Gewandhaus.

Von Claus Fischer |
    Eine Konzerthalle im polnischen Wroclaw, dem früheren Breslau. Vor dem Orchester ein junger Dirigent, sichtbar unsicher. Neben dem Pult Kurt Masur, der dem Nachwuchskollegen mit Rat und Tat zur Seite steht.

    Kurt Masur als Lehrer, in Europa und Übersee -Szenen aus Meisterkursen bilden den dramaturgischen roten Faden des Films von Amit Breuer. Eingestreut sind Fixpunkte aus der Biographie des Dirigenten, man sieht ihn zu Fuß in seiner schlesischen Geburtsstadt Brieg, dem heutigen Brzeg, in Wroclaw-Breslau, jener Stadt, in der er als 14-Jähriger sein erstes sinfonisches Konzert mit Beethovens Neunter erlebt hat, und schließlich auf dem Leipziger Augustusplatz, wo er durch seinen Appell am 9. Oktober 1989 ein Blutvergießen verhinderte:

    "Unsere gemeinsame Sorge und Verantwortung haben uns heute zusammengeführt. Wir sind von der Entwicklung in unserer Stadt betroffen und suchen eine Lösung. Wir alle brauchen einen freien Meinungsaustausch über dem Sozialismus in unserem Land. Ir bitten sie dringend um Besonnenheit, damit der friedliche Dialog möglich wird."


    "Was soll ich noch viel sagen, ich meine, ich sehe mich nicht gern im Film", "

    sagte Kurt Masur bei der Premiere am gestrigen Abend im Leipziger Gewandhaus. Ermöglich hat er die Dreharbeiten dennoch, vor allem um eine wichtige Erkenntnis aus seinem Metier weiterzugeben:

    " "Die Probleme, die auftauchen zwischen einem Dirigenten und einem Orchester basieren meistens darauf, dass viele Dirigenten meinen, sie seien mehr als die Musiker, die da unten sitzen. Und das ist der größte Fehler, den sie begehen können."

    Die israelische Regisseurin Amit Breuer hat bereits vor einigen Jahren mit Kurt Masur gedreht, einen Film über den Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy. Dadurch bestand schon ein gewisses Vertrautheit. Trotzdem die Frage: war Kurt Masur ein schwieriger Protagonist?

    "Manchmal schon. Diese Beziehung zwischen uns hat sich auch während des Films weiter entwickelt und letzten Endes wollte ich ihn ja überzeugen, dass mit dem Film etwas Lohnendes entsteht, und während des Films ist das Vertrauen zwischen uns immer weiter gewachsen, das hat auch sehr geholfen."

    Der Dokumentarstreifen ist unbedingt sehenswert, er spricht Kenner des Lebens von Kurt Masur genau so anspricht wie Zeitgenossen, die gar nichts über den Dirigenten wissen. Anrührend etwa die beinahe meditative Szene, in der seiner zweiten Ehefrau der Japanerin Tomoko seine Taufkirche in Brieg zeigt. Oder wenn er über das Trauma des von ihm verursachten Verkehrsunfalls spricht, bei dem seine erste Frau ums Leben kam. So entsteht das Bild eines zwar selbstbewussten, gelegentlich dominanten Menschen, der aber durch Lebenserfahrung eine gewisse Altersmilde ausstrahlt. Und eines zeigt der Film besonders deutlich: Trotz seines Engagements für die politische Wende in der DDR 1989 war Kurt Masur nie ein Politiker. Sein "Parteibuch", mit dem er Menschen und Nationen zusammenbringt, ist die Musik.