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Porträt Jörg Hofmann
Tarifflucht stoppen, Flüchtlinge in die Arbeitswelt integrieren

Er ist kein klassischer IG-Metall-Gewerkschafter: Jörg Hofmann hat Landwirt gelernt, dann studierte er Wirtschaftswissenschaften und Soziologie. Vor allem der Einfluss neuer Technologien auf die Arbeitswelt wird einer seiner Arbeitsschwerpunkte sein. Am Dienstag wurde er zum Ersten Vorsitzenden der IG Metall gewählt.

Von Michael Braun |
    Der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann.
    Jörg Hofmann soll Erster Vorsitzender der IG Metall werden (Imago / Jörg Hofmann)
    Das Flüchtlingsthema kommt auch bei der IG Metall an. Sie weiß: Integration heißt Arbeit geben. Ginge das mit Ausnahmen vom Mindestlohn leichter, und sei es nur für orientierende Praktika? Jörg Hofmann, noch der Zweite Vorsitzende der IG Metall, lehnt das ab. Mit Flüchtlingen Lohndumping zu erzeugen, damit erweise man sich einen Bärendienst, sagt er. Soll heißen: Das treibe nur einen Keil zwischen Flüchtlinge und arbeitende Bevölkerung.
    "Wir haben ohnehin gerade eine ganz schwierige Gratwanderung zwischen einer geforderten Humanität und der Aufnahme- und Hilfsbereitschaft und den Ängsten, die vorhanden sind. Was bedeutet das langfristig auf dem Arbeitsmarkt? Wer jetzt mit solchen Ideen kommt, der zündelt an dieser Frage."
    Flüchtlinge in die Arbeitswelt integrieren
    Die Flüchtlinge brauchten in Deutschland Integration durch Ausbildung und durch Arbeit, "ohne Zweifel, aber zu fairen Bedingungen."
    Schließlich gehöre das zum Credo der IG Metall: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit.
    Jörg Hofmann soll der neue Erste Vorsitzende der IG Metall werden. Er ist der einzige Kandidat. An seiner Wahl besteht kein Zweifel. Die Gewerkschaft mit ihren fast 2,3 Millionen Mitgliedern, immer noch die größte Einzelgewerkschaft in Deutschland und in der Welt, hat ihren spaltenden Streit von vor zwölf Jahren hinter sich gelassen. Der scheidende IG-Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel kann mit Fug und Recht behaupten, die IG Metall habe Einfluss, in den Betrieben und in der Politik:
    "Die IG Metall ist in einem extrem guten Zustand. Wir haben eine sehr positive Mitgliederentwicklung, wir haben große Projekte in der Politik durchgesetzt."
    Wie zum Beweis kommt "die Politik" auch, um dem neuen Gewerkschaftschef zu gratulieren: die Bundeskanzlerin, der Wirtschaftsminister, die Arbeitsministerin. Die hat der IG Metall die Rente mit 63 beschert. Jetzt stehen zwei andere Themen auf der Agenda Hofmanns: die Tarifbindung und die Arbeitszeit.
    Neue Themenfelder auf der Agenda
    Dass mit Smartphones und Tablets immer und überall Erreichbarkeit und Arbeit abgefordert werden könne, nennt Hofmann "Entgrenzung". Das will er tarifvertraglich regulieren und auch die Frage, "wie kann man Arbeitszeiten über die Lebensphasen so gestalten, dass eine ununterbrochene Erwerbstätigkeit auch möglich ist, auch dann, wenn Kinder da sind, wenn Pflegfälle in der Familie da sind, wenn man sich beruflich fortbilden will."
    Zweiter Arbeitsschwerpunkt: Die Tarifflucht der Unternehmen. Die sei zwar gebremst, aber noch nicht gestoppt.
    Hofmann, bald 60 Jahre alt, hat nicht die ganze "Ochsentour" durch die IG Metall gemacht. Er hat nicht als Dreher oder Werkzeugmacher begonnen, sondern lernte Landwirt als Beruf. Dann studierte er Wirtschaftswissenschaften und Soziologie. Seine Themen damals begleiten ihn auch heute: Der Einfluss neuer Technologien auf die Arbeitswelt. Damit kam er von der Uni zur IG Metall, als Gewerkschaftssekretär in Stuttgart, später als Bezirksleiter in Baden-Württemberg, seit 2013 als Zweiter Vorsitzender der IG Metall.
    Diesen Posten soll erstmals bei der IG Metall eine Frau übernehmen: Einzige Kandidatin ist die 47 Jahre junge Christiane Benner. Der Stallgeruch einer Bezirksleiterin fehlt der IT-Spezialistin. Aber sie steht für die Zukunftsthemen der Gewerkschaft, etwa für die Digitalisierung der Arbeit unter dem Stichwort Industrie 4.0. Und für die Gruppen, in denen die IG Metall neue Mitglieder gewinnen will, die Ingenieure, technischen Experten und die Frauen. Rund 400.000 Frauen sind schon in der IG Metall, ein Anteil von rund 17 Prozent. Unter den Delegierten des Gewerkschaftstages machen sie schon 28 Prozent aus. Sie sind offenbar aktiver als der Durchschnitt.