Eine Gruppe von Künstlern und Musikern haben zu Demonstrationen aufgerufen und wollen Unterschriften sammeln, damit die Portugiesen in einem Referendum über die Privatisierung abstimmen können. Der emotionale Aufruf kommt nicht überraschend. Wie kaum ein anderes Unternehmen ist die TAP mit der jüngsten Geschichte Portugals verbunden.
Wie nach einem Tsunami. Maria Alexandre fällt es heute noch schwer, die Zustände zu beschreiben, die vor fast 40 Jahren am Lissabonner Flughafen herrschten. Nach dem Zusammenbruch des portugiesischen Kolonialreiches flohen die Portugiesen aus Afrika nach Europa. Zwischen Juli und November 1975 soll die Fluggesellschaft TAP über 200.000 Menschen aus Angola nach Portugal ausgeflogen haben. Maria Alexandre, die damals für die TAP arbeitete, empfing die sogenannten Retornados am Flugsteig:
"Wir Portugiesen sind wirklich gut im Improvisieren. Und die Luftbrücke haben wir wirklich hervorragend organisiert. Es war eine sehr erfolgreiche Aktion. Im Flughafen schliefen Tausende von Ankömmlingen, die zunächst nicht wussten, wo sie hin sollen. Doch zusammen mit dem Roten Kreuz haben wir uns dann in Hotels, Pensionen und privaten Haushalten um Unterkünfte bemüht."
TAP hatte schon lange schwere Finanzierungsprobleme
Die Luftbrücke ist für Maria Alexandre und viele andere Portugiesen ein bedeutendes Ereignis der portugiesischen Zeitgeschichte. Und die Piloten der TAP, die pausenlos zwischen Lissabon und Luanda hin und herflogen, wurden zu Helden einer ganzen Generation.
Kaum verwunderlich, dass die Privatisierung der Fluggesellschaft einen Schock auslöste. Die konservative Regierung will bis Ende Juni 66 Prozent des Staatsunternehmens an einen privaten Investor verkaufen. Der neue Haupteigentümer soll eine Reihe von Garantien ablegen, darunter auch einen zweieinhalbjährigen Kündigungsschutz für die über 12.000 Mitarbeiter. Die TAP hat seit 2007 mit schweren Finanzproblemen zu kämpfen. Und laut Wettbewerbsbestimmungen der EU darf die Regierung dem Unternehmen auch nicht unter die Arme greifen. Deshalb bekräftigte Premierminister Pedro Passos Coelho im Parlament, dass die einzige Lösung für die TAP nur aus der Privatwirtschaft kommen kann:
"Massenentlassung wird es geben, wenn wir die TAP nicht privatisieren. Wir wollen Lissabon als Drehkreuz bewahren und das Geschäft der TAP ausweiten. Das ist möglich, wenn wir sie privatisieren. Wenn sie aber in öffentlicher Hand bleibt, geht sie Bankrott und wird kein Geld haben, um in neue Flugzeuge zu investieren."
In den vergangenen Monaten haben TAP-Mitarbeiter immer wieder gestreikt, um gegen die Privatisierung zu protestieren. Inzwischen wächst der Widerstand auch in der Bevölkerung. 80 Prozent wünschen sich laut einer Umfrage, dass der Staat Hauptaktionär bleibt. Dabei spielt scheinbar auch die Angst eine Rolle, dass strategisch wichtige Unternehmen in die Hand von ausländischen Investoren fallen könnten. In den vergangen drei Jahren hat die Regierung bereits Energiekonzerne, Versicherungen, einen Flughafenbetreiber und die Post privatisiert und dadurch rund 9,2 Milliarden Euro in die Staatskassen gespült.
Vor dem Lissabonner Flughafen haben sich mehrere Hundert Demonstranten zu einer Mahnwache versammelt. Die Protestveranstaltung trägt das Motto "Não TAP os olhos" – Verschließe nicht die Augen. Initiator ist der bekannte portugiesische Filmregisseur António-Pedro Vasconcelos, der zusammen mit einer Reihe von Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur ein Manifest gegen die Privatisierung der TAP geschrieben hat:
"Portugal ist ein sehr kleines, armes Land an der Peripherie Europas. Aber wir haben etwas, was uns von vielen anderen Nationen unterscheidet: Unsere Sprache. Portugiesisch wird weltweit von 250 Millionen Menschen gesprochen. Und wir brauchen eine Fluggesellschaft, die unseren Kontakt zur Welt aufrechterhält. Zu den vielen Millionen Emigranten im Ausland, zu den portugiesischsprachigen Ländern in Afrika oder Südamerika. Der Staat kann meinetwegen private Investoren ins Boot holen, aber er muss diese strategische Aufgabe garantieren, und das kann er nur, wenn er Haupteigentümer bleibt."
Filmregisseur Vasconcelos will in den kommenden Wochen Unterschriften sammeln. 75.000 braucht er, um ein Referendum über die TAP-Privatisierung beantragen zu können. Eine Volksbefragung kann aber nur dann stattfinden, wenn auch die Regierungskoalition im Parlament zustimmt. Den Gegner der TAP-Privatisierung bleibt trotzdem eine letzte Hoffnung: Der letzte Privatisierungsversuch vor zwei Jahren scheiterte, weil der damalige Interessent nicht in der Lage war, Finanzgarantien für die hohen Schulden der Fluggesellschaft vorzuweisen. Die beliefen sich damals schon auf über eine Milliarde Euro.